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kreuzer_03_2016 - Spezial Job & Ausbildung

Geduldig Grammatik erklären: Als Lehrer für Deutsch als Fremdsprache findet man zurzeit schnell eine Arbeit

080 Spezial 0316 Film 034 Spiel 040 Musik 042 Theater 054 Literatur 064 Kunst 068 Termine 086 Blöcke, Lehrbücher, Arbeitsmappen. An der Wand hängen große Poster mit deutschen Grammatikregeln: Artikel, Possessive, Satzver­ bindungen. Max Hündorf (31) steht am Flip­ chart und schreibt abwechselnd mit rotem und blauem Stift Präpositionen an: »Neben dem Rechner, daneben gibt es eine Stereoanlage.« Es ist Dienstagmorgen, neun Uhr, im Integrations­ kurs für Geflüchtete an der privaten Inlingua­ Sprachschule. Das kalte Neonlicht scheint von oben auf die weißen Schultische. Zehn junge Männer und Frauen sitzen konzentriert vor ihren Lehrbüchern. »Es macht mir Spaß, so viel Umgang mit Men­ schen zu haben«, sagt Hündorf. »Es erfüllt mich, zu sehen, was die Teilnehmer nach sechs Mona­ ten gelernt haben und wie gut sie Deutsch spre­ chen können.« Er arbeitet seit drei Jahren an der Sprachschule als Lehrkraft für Deutsch als Fremdsprache (DaF). Der Sprachkurs findet im Rahmen des Integra­ tionskurses statt: Geflüchtete mit einer »guten Bleibeperspektive« oder einem bewilligten Asyl­ antrag bekommen einen solchen Kurs bezahlt, der die deutsche Sprache bis zum B1­Niveau lehrt und auch deutsche Geschichte, Werte und Kultur vermittelt. In den letzten Monaten ist der Bedarf enorm gestiegen: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) prognostiziert, dass im Jahr 2016 bundesweit 100.000 Personen an einem solchen Kurs teilnehmen werden. Im letzten Jahr waren es bereits 185.000 Flüchtlinge. »Momentan findet man als DaF­Lehrer immer eine Möglichkeit zu unterrichten«, sagt Luise Tarantik, Mitarbeiterin im Fachbereich für geförderte Deutschkurse an der Inlingua­Sprach­ schule in Leipzig. »Allerdings nur auf Honorar­ basis.« Auch Max Hündorf arbeitete zuerst als Hono­ rarkraft, jetzt wurde er bei der Sprachschule fest angestellt. Er hatte Germanistik studiert und wollte dann DaF­Lehrer werden, nachdem er bereits gute Erfahrungen damit während eines Auslandsjahrs gesammelt hatte. Um Geflüchtete in Integrationskursen unterrichten zu dürfen, musste er aber noch eine zweiwöchige Weiter­ bildung zum Integrationskurslehrer machen. Nur mit einem solchen Zertifikat darf man die vom BAMF geförderten Sprachkurse unter­ richten. Ein Studium ist sinnvoll Ein grundlegendes DaF­Studium an der Uni Leipzig dauert mindestens sechs Semester bis zum Bachelor. Dabei werden systematisch Kenntnisse der deutschen Gegenwartssprache vermittelt: Es geht um Grammatik, Phonetik, Rhetorik. Außerdem werden didaktische Kennt­ nisse vermittelt, um die deutsche Sprache für den Fremdsprachenunterricht aufzubereiten. Im DaF­Masterprogramm sind noch Spezialisie­ rungen möglich, vor allem in Kombination mit anderen Fremdsprachkenntnissen, die beim DaF­Unterricht weiterhelfen. Nicht nur immer mehr Geflüchtete haben Bedarf an Deutschunterricht. Eine neue Ziel­ gruppe wird mit dem Unterricht Deutsch als Zweitsprache (DaZ) erreicht: Schulkinder, die zwar in Deutschland aufgewachsen sind, aber die deutsche Sprache zum Zeitpunkt der Ein­ schulung nicht richtig beherrschen. Dies betrifft meist Kinder aus Migrantenfamilien der soge­ nannten zweiten und dritten Generation. Für bereits arbeitende Lehrer aus anderen Fächern gibt es seit dem Wintersemester 2013/14 ein berufsbegleitendes Weiterbildungsangebot für den DaZ­Unterricht am Herder­Institut der Uni Leipzig. Doch die breite Öffnung der Weiterbildungs­ angebote stößt auch auf Kritik: »Wir haben gemischte Gefühle«, sagt Silke Friedemann, Sach­ gebietsleiterin für Sprachen an der Volkshoch­ schule Leipzig. »Jetzt soll sich der motivierte Atomphysiker schnell weiterbilden können und dann Deutsch unterrichten. Notwendig wäre ein richtiges DaF­Studium.« So würden dann aus­ gebildete DaF­Lehrer denselben Unterricht machen wie Lehrer, die nur eine Weiterbildung besucht haben. »Das ist jetzt ein Schlag ins Gesicht für diejenigen, die sich fünf Jahre in die Uni gesetzt und DaF studiert haben. Es ist höchst fragwürdig, wie das hier läuft.« Lehrkräfte sind derzeit gefragt Die Integrationskurse sind an allen privaten und öffentlichen Schulen ziemlich ähnlich: Inhalte, Aufbau und Lehrmaterialien der Kurse werden durch die Rahmenbedingungen des BAMF vorgegeben. So lernen die Geflüchteten, »auf Deutsch Briefe und E­Mails zu schreiben, For­ mulare auszufüllen, zu telefonieren oder sich auf eine Arbeitsstelle zu bewerben«, heißt es dort. Auch die Vergütung wird vom BAMF vorgege­ ben. Wer sich jetzt als Lehrer für Integrations­ kurse zertifizieren lässt, bekommt 23 Euro pro Stunde. Die Honorarsätze sind in den letzten Jahren vom BAMF immer wieder angehoben worden, zuletzt lagen sie bei 20 Euro. »Damit kann man einigermaßen gut Geld verdienen«, findet Max Hündorf. Denn wer einen Integrationskurs betreut, unterrichtet fünf Honorarstunden pro Tag, das sind also rund 100 Stunden pro Monat. »Man muss allerdings die Vorbereitungszeit einkalkulieren, um die Materialien zu erstellen.« Gerade zum Berufsein­ stieg brauche man mehr Zeit, um sich für die nächsten Unterrichtsstunden vorzubereiten. Eine wichtige Qualifikation für den Beruf ist für ihn Empathiefähigkeit. »Man muss sich in den anderen hineindenken, wie es für den ist, gerade eine Fremdsprache zu lernen.« Dazu brauche man Geduld, wenn manche Gramma­ tikregeln mehrmals erklärt werden müssten. Und die eigene Organisationsfähigkeit sei wich­ tig, denn schließlich müsse man seinen Unter­ richt selbst planen und kreativ gestalten. »Doch letztlich ist das ganz viel Learning by Doing.« ▶ Studium DaF: www.uni-leipzig.de/herder ▶ Vernetzung im Verein InterDaF Leipzig: www.interdaf. uni-leipzig.de ▶ Weiterbildung DaZ: http://home.uni-leipzig.de/bbwdaz/ index.html Geflüchtete müssen Deutsch lernen, um sich im Alltag zurechtzufinden. Als qualifizierte Lehrkraft für Deutsch als Fremdsprache (DaF) findet man deswegen zurzeit schnell eine Arbeit Geduldig Grammatik erklären Von Markus Kowalski Du, ja, genau du: Max Hündorf ist als Lehrer für Deutsch als Fremdsprache ein gefragter Mann HENRY W. LAURISCH

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