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kreuzer_03_2015 - Spiel

Vorspiele zum Nachspielen: Keine falsche Scham: Indie-Spiele entdecken die Liebe neu; Der Bitprof gibt praktische Tipps für das Computerspielen mit Baby (und Zigarette)

Spiel 046 0315 Film 040 Musik 048 Theater 058 Literatur 066 Kunst 068 Termine 086 Es gab immer einen Grund, warum ich Spiel- konsolen nicht mochte: Man muss sie mit zwei Händen gleichzeitig bedienen. Logischer- weise hat man dann keine Hand mehr frei für andere Dinge wie Zigarettenrauchen, zum Bei- spiel. Mit dem Computer dagegen kann man einhän- dig spielen, oder eher eineinhalbhändig, also: Maus in der rechten Hand, Zigarette in der linken, dann kann man noch ein paar Knöpfe auf der Tastatur drücken. Man muss nur achtgeben, dass die Asche nicht ins Keyboard fällt, was natür- lich trotzdem ständig passiert. So. Was aber tun, wenn man ein Baby hat und sich bereit erklärt, monatelang Elternzeit zu nehmen, um auf ebenjenes klitzekleine, super- süße Baby aufzupassen? Genau: Man kann auf keinen Fall Spielkonsolen spielen. Wie soll man da das Baby halten? Kleine Kinder brauchen Körperkontakt, las ich irgendwo, viel Körperkon- takt, 80 Prozent der Wachzeit müssen die ran an den Mann. Sonst haben sie später einen Sprung in der Schüssel. Das Konsolenspielen wird also schwierig – nicht jedoch das Computerspielen! Da habe ich eine halbe Hand frei und mit der richtigen Technik lassen sich zumindest Strate- gie- und Aufbauspiele gut bedienen. Praktischer Nebeneffekt: Bei »SimCity« vergesse ich dann nicht mehr, Kindergärten zu bauen. So ist das Kind glücklich (wird gehalten), der Vater auch (spielt Computer). Ein Problem jedoch bleibt: Wohin mit der Zigarette? Die eleganteste Lösung wäre natürlich, wenn das Baby die Ziga- rette halten würde und sie regelmäßig zum Zuge herreichte. Doch das klappt in der Realität nicht so gut, ich habe es nach zwei, drei Versu- chen aufgegeben. Bei Youtube sah ich aber letz- tens ein Musikvideo (»November Rain«), in dem ein wuschelhaariger Gitarrist die Zigarette raucht, ohne seine Hände zu benutzen. Das werde ich jetzt mal trainieren. Väterliche Grüße, Ihr ANDREAS RAABE (IN ELTERNZEIT) Ran an den Mann Der Bitprof gibt praktische Tipps für das Computerspielen mit Baby (und Zigarette) Der Bitprofessor Sex ist überall. Aber weder Maurerdekolleté noch Dessouswerbung oder Youporn kön- nen uns echte Freizügigkeit vortäuschen. In der öffentlichen Inszenierung wird Liebe verkitscht und vergeistigt. Nur hinter einer schweren Gar- dine wird hirn- und hemmungslos gerammelt. Den Vorhang lüften können nur Volljährige und Kinder mit Internetzugang. Videospiele sind hier mal wieder ein Abbild der Gesellschaft. Wenn es zur Sache geht, wenn sich zwei stramme Helden in Biowares »Dragon Age«-Serie nahe kommen, dann blendet die Kamera sanft ab. Wenn zwei Sims das Unaussprechliche tun, bleiben sie unter der Bettdecke. Jenseits braver Großproduktionen aber erkun- den immer mehr Entwickler die Niederungen gelebter Liebe. Ein paar davon sind mit ihren Versuchsanordnungen jetzt sogar beim »Inde- pendent Games Festival« nominiert. Die jähr- lichen Auszeichnungen des IGF sind für unabhän- gige Entwickler die größtmögliche Ehrung. Der Nuovo Award prämiert unter den Außenseitern noch einmal die Abwegigen. Gut aufgehoben ist hier »Plug & Play«, ein inter- aktives Spielzeug für das iPad, eine Art Steckdo- senpornografie. Hier suchen Menschen das Glück in der Elektroinstallation. Jeder in dieser nackten Welt hat eine Steckdose oder einen Stecker auf dem Hals. Als Zuschauer sitzt man vor dem Bild- schirm und steckt Dinge ineinander oder tippt die Körper sanft an, damit sie sich bewegen. So ein interaktives Spielzeug ist nicht nur der per- fekte Titel, um Sitznachbarn im Zug zu irritieren. Es offenbart auch, wie locker und verspielt Liebe aussehen kann, wenn man eine einfache Meta- pher zur Hand hat. Und es öffnet ein wenig den Blick dafür, wie albern und witzig Sex eigent- lich ist. Warum tabuisieren wir das noch mal? »Bounden« ist dagegen echte analoge, körper- liche Annäherung als Smartphonespiel. Die App fordert zwei Partner zum Tanz auf. Beide legen je einen Finger auf den Touchscreen. Dann müssen sie sich und das Telefon nach den Anweisungen auf dem Bildschirm bewegen. Dazu tönt klassische Musik aus dem Lautsprecher. Was sich zumindest beim ersten Anlauf eher wie Twister spielt, lässt sich mit Übung auch als eleganter Tanz aufführen. Das niederländische Nationalballett hat die Tänze mit choreografiert. Jede der sieben Variationen treibt verliebte Schaukeleien, Drehungen und Kniefälle weiter auf die Spitze. Wer sich darauf einlässt, erlebt ein entwaffnend albernes Spiel, bei dem man sich wirklich näher kommt und funktionieren muss. Wie weit entfernt von dieser spielerischen Inti- mität manche Menschen aufwachsen, doku- mentiert das tragikomische »How Do You Do It?«. In dem kurzen Browserspiel verarbeitet Ent- wicklerin Nina Freeman ihre Versuche, mit Bar- biepuppen das nachzuvollziehen, was ihr sonst niemand erklären wollte. In der Rolle des jungen Mädchens kann man die Puppen drehen und aufeinanderschlagen. »Es gibt viel über Umar- mungen, das ich noch nicht weiß«, grübelt die errötende Heldin dazu. So geht das ein paar Minu- ten, bis Mutti heimkommt. So wachsen Kinder auf? Das muss nicht sein! Wenigstens »Plug & Play« sollten aufgeklärte Eltern ihren neugierigen Töchtern zu spielen geben. Wer dafür die eigene Sinnlichkeit erst wiederentdecken muss, kann ja heimlich üben. JAN BOJARYN ▶ »Plug & Play« Plattform: iOS / Entwickler + Anbieter: Etter Studio / Preis: 3 € ▶ »Bounden« Plattform: iOS, Android / Entwickler + Anbieter: Game Oven / Preis: 3,60 € ▶ »How Do You Do It?« Plattform: Browser / Entwickler + Anbieter: Nina Freeman, Emmett Butler, Jonathan Kittaka und Deckman Coss / Preis: gratis Entdecken zwei Menschen Gefühle füreinander, gehen sie Steckverbindungen ein Vorspiele zum NachspielenVorspiele zum Nachspielen Keine falsche Scham: Indie-Spiele entdecken die Liebe neu

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