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kreuzer_03_2015

Überflüssig: Tussenbaukasten "I love shoes"; "Sehr hoher Stresslevel": Gespräch mit Jens Borchert von der Initiative zur Änderung des sächsischen Schulgesetzes

074 Kinder & Familie 0315 Film 040 Spiel 046 Musik 048 Theater 058 Literatur 066 Kunst 068 Termine 086 Der Verlag Ravensburger stellt Puzzles, Spiele und Sachbücher für Kinder her. Zuletzt waren es diese nervigen sprechenden Tiptoi- Bücher. Doch schlimmer geht immer! Kürzlich stellte das Unternehmen auf der Spielwaren- messe in Nürnberg nämlich seinen brandneuen Baukasten mit dem sinnfreien Namen: »So styly – I love shoes« vor. Inhalt des Baukastens sind 700 Dekoteile, um Schuhe zu basteln, darunter perlmuttfarbene Nieten, rosa Sterne und lila Tüllrosetten. Sohle, Absatz, Seitenteile, Zehen- und Fersenkappe gibt es auch. Insgesamt lassen sich damit sieben High Heels zusam- menstecken und dekorieren, allerdings sind sie zum Anziehen viel zu klein, also geht nur Angucken. Der Baukasten richtet sich – wie über- raschend – ausschließlich an Mädchen, denn »Frauen lieben Schuhe«, wie das Unternehmen in seiner Pressemitteilung schreibt. »Sie kaufen sie, um sich etwas Gutes zu tun. Es ist ein tolles Gefühl, sie zu besitzen.« Ein Schuhregal zum Zusammenbauen wird in dem 38 Euro teuren Baukasten gleich mitgelie- fert. Die Begründung: »So können die Mädchen ihren Freundinnen zeigen, welche Schuhe sie entworfen haben«. Ja klar, Mädchen sind doof und haben keine anderen Interessen, außer sich möglichst tussihaft zu stylen. Ihre Lieblings- farben sind Rosa, Glitzer und allerhöchstens Lila. Und halten sie einen Schuh in den Händen, verzerrt sich ihr Gesichtsausdruck zu einem debilen Grinsen – wie das Mädchen auf der Ver- packung des Bastelkastens beweist. Es ist höchste Zeit: Mädchen, holt die Kettensägen raus! MIRIAM SCHULTZE Kinder & FamilieKinder & Familie Überflüssig Tussenbaukasten »I love shoes« Schön blöd Spätestens ab der zweiten Grundschulstufe dreht sich in Sachsens Schulklassen alles nur noch um die Bildungsempfehlung für die weiterführende Schule. Eltern und Schüler, aber auch Lehrer stehen extrem unter Druck. Jetzt hat eine Gruppe von Lehrern, Eltern und Sozialpädagogen den Verein Gemeinsam länger lernen in Sachsen gegründet. Ihr Plan ist es, einen Volksentscheid herbeizuführen, um das sächsische Schulsystem zu stürzen. Worum es geht, erklärt Erziehungswissenschaftler Jens Borchert. kreuzer: Ihr Ziel ist es, eine Schulgesetzänderung zu erreichen. Wie weit sind Sie momentan noch davon entfernt? JENS BORCHERT: Die Initiative organisiert sich derzeit. Ziel ist es, an die Öffentlichkeit zu gehen und das Anliegen bekannt zu machen. Das Ver- fahren bis zur Gesetzesänderung ist langwierig. Zunächst muss ein Volksantrag von mindestens 40.000 stimmberechtigten Unterstützern unter- schrieben werden, dann kommt der Antrag ins Parlament. Im Falle einer Ablehnung wird ein Volksbegehren angestrebt, das dann 450.000 Unterschriften benötigt. Wir hoffen, dass danach oder nach dem dann folgenden Volksentscheid eine Mehrheit für unser Vorhaben stimmt und das Gesetz für längeres gemeinsames Lernen im Landtag beschlossen werden wird. kreuzer: In Bundesländern wie Nordrhein-West- falen oder Hessen liegt die Entscheidung, welche weiterführende Schule ein Kind besucht, allein bei den Eltern. Ein bestimmter Notendurchschnitt wird nicht benötigt. Warum hält man gerade in Sachsen so fest an einem Numerus clausus für Grundschüler und der damit verbundenen frühen Auslese? BORCHERT: Sachsen geht einen Weg der Leis- tungsorientierung. Dadurch wird das Gymna- sium gestärkt. Das muss nicht schlecht sein und scheinbar sprechen die Ergebnisse der Schul- leistungsstudien wie PISA für das sächsische Modell. Doch die Realität muss man genauer betrachten. Die Trennung führt schon in der 4. Klasse zu einem sehr hohen Stresslevel bei den Kindern und ihren Eltern. Meist ist bei zehnjäh- rigen Kindern nicht abzusehen, wie sie sich einmal entwickeln werden. Die Kinder, die schlechtere Noten erzielt haben, bleiben in der Oberschule unter sich, ihnen fehlen die besse- ren Mitschüler. So bezahlen wir einen hohen Preis dafür, dass die Gymnasien eine Leistungselite erhalten. Die Ausbildungsstätten auch im PISA- Spitzenland Sachsen beklagen bei vielen Absol- venten der Schulen eine ungenügende Ausbil- dungseignung. Durch längere Zeiten, die eigenen Potenziale kennenzulernen und auszuschöpfen, können solche Probleme angegangen werden. Thüringen macht es vor, dort gibt es die Gemein- schaftsschule, die den Kindern das frühe Aus- sortiertwerden erspart. kreuzer: Die Möglichkeit, das Abitur zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen, sei mit der Empfehlung für die Oberschule nicht gänzlich gestorben, sagen Befürworter des sächsischen Schulsystems. Ein Scheinargument? BORCHERT: Man kann auch auf anderen Wegen zum Abitur gelangen, aber die Chancen sind deutlich geringer und mit einem erheblichen Auf- wand für die Betroffenen verbunden. Auch der ebenfalls mögliche Wechsel von der Oberschule aufs Gymnasium ist schwieriger zu bewerkstel- ligen als der umgekehrte Weg. INTERVIEW: MIRIAM SCHULTZE Gespräch mit Jens Borchert von der Initiative zur Änderung des sächsischen Schulgesetzes »Sehr hoher Stresslevel bei Kindern und Eltern« VInCentGaetsCh Will Sachsens Schulsystem mit einem Volksentscheid verändern: Jens Borchert

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