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kreuzer_04_2016 - Theater

Kasper-Erotik: Comics sind im Theaterraum in vielerlei Form beliebt – jetzt ballert Harley Qinn los

060 Theater 0416 Film 038 Spiel 046 Musik 048 Literatur 070 Kunst 074 Termine 086 Eng liegt der Latexanzug in schwarz-roter Fli- ckenoptik an. Mal trägt sie Narrenkappe und Augenmaske, mal Stiepel-Zöpfe und Theater- schminke. Wenn sie gut aufgelegt ist, zeigt sie via Dekolleté Haut. Zum Hinsehen bleibt nicht viel Zeit, denn am liebsten trägt sie einen Vor- schlaghammer und weiß ihn einzusetzen. Gestatten: Harley Qinn. Der Name dieser fies-fröhlichen Comic-Heroine leitet sich, das ist leicht einzusehen, vom guten alten Kasperkopf ab. Das macht sie ideal für die Bühne. Comics haben sich mittlerweile fest als Mittel im Theaterraum etabliert, wie ein Blick auf die letzten Spielpläne in den Theatern der Region zeigt. Ins Lofft brettert nun Harley Qinn ihre Weltbedeutung. Theater und Comics miteinander in Verbin- dung zu bringen, liegt nicht unbedingt auf der Hand. In der Regel werden Comics mit Filmen verglichen und ziehen dabei den Kürzeren, weil sich nichts bewegt. Im Film sieht auch das The- ater selbst seine größte Konkurrenz und meint, sich hier – inhaltlich wie ästhetisch – im Kampf um Publikumsaufmerksamkeit bedienen zu müssen. Auf die Verwandtschaft von Comic und Theater weist der Kenner Andreas Platthaus hin. Diese bestehe in zweifacher Hinsicht. Zum einen durch den biografischen Hintergrund: Viele Comic-Zeichner der ersten und zweiten Generation waren als Kulissengestalter oder Theaterplakatmaler tätig. Zudem habe Zeichner- und Erzählerlegende Will Eisner eine inhalt- liche Parallele hergestellt: »Die einzige andere Unterhaltungsform, die ein wirkliche, leben- dige Verbindung zwischen Betrachter und Akteur herstellt, ist das Theater.« Da ist einiges dran. Ein Film ist auch ohne Publikum ein Film. Theater und Comic brauchen den Betrachter. Wie im Theater der Zuschauer das Geschehen erst durch seine Blicke möglich macht, so stellt der Comic-Leser die Zusammen- hänge zwischen den einzelnen Bildrahmen (Panels) selbst her. Er wird quasi – im Unterschied zu Literatur, die alles ausbuchstabiert – zum Mittäter und setzt als Teil des Erzählerteams die Panels zum Handlungsgerüst als Mosaik zusammen. Er bringt die Bilder zum Leben, der Comic erscheint als Tableaux vivants, halt lebendige Bilder. Platthaus’ Einsichten sind im Band »Comic meets Theatre« enthalten, der das gleichnamige Festival begleitete, das 2006 in Halle stattfand. In den vergangenen Jahren spielten einige Produktionen der Region mit Comics herum. »Cherryman jagt Mr. White« (TJG, Dresden) nutzte sie als Mittel, um drastische Gewalt – mit Kettensägen gegen Nazis – verkraftbar darzu- stellen. »The Carbon Copy Building« (Kunstkraft- werk) gerierte sich als Comic-Strip-Oper. Zuletzt griff Claudia Bauer bei »Metropolis« (Schau- spiel) auf Comic-Elemente wie Sprechblasen und Lautworte zurück und entwickelte eine ans Medium angelehnte Erzählweise. Im Lofft zer- klumpte »Fall-Out-Girl« alle Superheldenkli- schees. Und hier trumpft nun eine weitere durchgeknallte Femme fatale auf. »Ich habe totale Lust auf Harley Qinn. Die ist sexy, charmant, lustig, überdreht. Ich will mich ihrer Brutalität als Frau nähern«, sagt Performerin Julia Blawert. Zusammen mit Jascha Riesselmann hat sie »Harley Qinn. Angriff auf Leipzig« realisiert. Von diesem ging die Idee aus: »Sie ist die coolste Figur bei Batman, verkör- pert Chaos, Anarchie, Regellosigkeit, aber auch Charme. Mit ihr kann man wirklich sympathi- sieren.« Die Terror-Queen wollen beide aber nicht ledig- lich als Figur feiern, so Blawert. »Da ist das Spiel mit dem Kasper: Was kann er noch, außer kri- tisch und lustig zu sein? Dann interessiert uns die Verführung durch Gewalt, aber auch diese Schwarz-Weiß-Zeichnung von Terrorismus in Gut und Böse. Funktioniert das so? Kann man das so trennen in aktive und passive Rollen?« Drit- tens geht es ums Theater selbst. »Das ist eine Maschine mit so vielen geschriebenen und unge- schriebenen Regeln. Was ist, wenn man sich darauf an einem Abend nicht mehr verlassen kann?«, fragt Riesselmann. »Ist die Rolle als Mensch – Wie verhalte ich mich? – vielleicht mal wichtiger als die des Zuschauers? Und wie ist das als Theatermacher, wenn wir uns auf nichts verlassen?« Beide wollen was riskieren. »Das klingt pathetisch, aber wir haben auf den ordent- lichen Kompromiss, den viele Theatermacher einem Entweder-Oder vorziehen, keine Lust. Es geht um alles, weil es im Theater doch immer um alles gehen sollte.« Mit einem klaren »Nein zur Passivität« soll diese Harley Qinn den Zuschauern begegnen. Performerin Blawert hat viele Freiheiten, kann situativ Entscheidungen fällen. Auch das reizt sie an der Produktion. Und ja: Natürlich sei auch das Spiel mit ihrer Weib- lichkeit ein Faktor: »So einen Ganzkörperanzug wollte ich schon immer haben.« TOBIAS PRÜWER ▶ »Harley Qinn. Angriff auf Leipzig«: 7.4., 20 Uhr (Premiere), 9./10.4., 20 Uhr, Lofft Comics sind im Theaterraum in vielerlei Form beliebt. Jetzt ballert Harley Qinn los »Klares Nein zur Passivität«: Der Zuschauer ist Mittäter Kasper-Erotik Fliegende Fetzen: Harley Qinn führt schon mal dn Vorschlaghammer vor JASCHARIESSELMANN

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