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kreuzer_04_2016 - Politik

Die Polizei und das Netz: Das Leipziger Kommissariat 33 geht auf Verbrecherjagd im Internet

014 0416 Film 038 Spiel 046 Musik 048 Theater 060 Literatur 070 Kunst 074 Termine 086 Politik Von seinem Dachfenster aus kann Heiko Höfer über die Leipziger Innenstadt blicken. Menschentrauben warten bei nasskaltem Wetter an den Ampeln. Früher mal konnte sich die Polizei auf ein einfaches Gesetz verlassen: Diebe waren dort, wo ihre Opfer waren. Und heute? Schicken Menschen unzählige Datensätze durch die Hochge- schwindigkeitsleitungen im Boden, können Kriminelle diese Informationen von überall auf der Welt aus stehlen. Höfer kann die Daten nicht sehen, trotzdem werden sie im ungünstigsten Fall mal auf seinem Schreibtisch landen. Als Anzeige. Ausgedruckt auf Papier. In einer roten Mappe. Die Leipziger Polizeidirektion, dritter Stock: Von seinem Büro aus leitet Höfer das Kommissariat 33. »Wir sind hier die Speerspitze der Ermittlungsschiene«, sagt der Polizist etwas martialisch. Seine Ermittlungen haben aber nichts mit Drogen oder Mord zu tun, dem 38-Jährigen geht es ganz um die Kriminalität mit den Daten, seine Waffe ist vor allem der Computer. Auf dem Schreibtisch des Hauptkommis- sars sammeln sich digitale Straf- taten: Computerbetrug, illegales Ausspähen und Phishing. Höfer und seine Leute werden immer dann aktiv, wenn es digital wird. Wenn Daten verschwunden sind oder zweckentfremdet wurden. Wie hoch der Anteil von Cyber- straftaten an der gesamten Kri- minalität ist, lässt sich schwer sagen. In der Statistik werden aus dem Ausland agierende Täter nicht erfasst, damit kippt ein Großteil der Fälle aus dem Raster. Sicher ist deshalb nur: Der Anteil nimmt zu. Allein 2015 betrug der Schaden durch Computerkriminalität in Leipzig rund vier Millionen Euro. In den meisten Fällen, die von den Leipziger Polizisten bearbeitet werden, geht es allerdings um relativ kleine Beträge. Im vergangenen Sommer etwa, auf Facebook. Unbekannte bauten den Facebook-Account eines realen Nutzers nach. Das Problem: Die Freundesliste des Nut- zers war öffentlich einsehbar – wie bei vielen anderen Facebook-Mitgliedern auch. Die Täter erstellten eine fast perfekte Kopie des Profils und schrieben den digitalen Freunden des Ori- ginal-Nutzers dann, dass die Freundschaft wegen eines technischen Problems erneuert werden müsse, später baten sie noch um die Handynummern. Viele der Facebook-Kontakte gaben die sensiblen Daten heraus. Doch mit den Handynummern buchten die Täter Geld bei einem Onlinebezahldienst ab. Abgerechnet wurde über die Mobilfunkrechnungen. Schnell kommen durch die pure Masse der betrogenen Personen hohe Geldsummen zustande. Beliebt ist bei Cyberkriminellen nach wie vor auch das Phishing, bei dem beispielsweise die Internetseite einer Bank nachgebaut wird. Wenn die umgeleiteten Kunden dann ihre Codes und Transaktionsnummern auf der Fake-Seite ein- geben, müssen die Betrüger das Geld nur noch auf andere Konten verschieben. Die Polizei versucht, sich auf die inzwischen nicht mehr ganz so neue Art von Straftaten ein- zustellen. »Wir sind schon recht einzigartig in Sachsen«, sagt Heiko Höfer, der das Kommissa- riat seit der Gründung 2013 leitet. In anderen Polizeidirektionen gebe es nur Fachabteilungen und damit auch weniger spezialisiertes Perso- nal. Zehn Sachbearbeiter stehen ihm derzeit zur Verfügung. Eigentlich wünscht er sich mehr. Wenn die Spur von Cyberkriminellen nach Leipzig führt oder eine Anzeige im Bereich Cybercrime in Leipzig und Umgebung aufgege- ben wird, versuchen die Polizeispezialisten die Täter zu ermitteln. Wenn diese in Deutschland sitzen, wird der Fall an die jeweiligen örtlichen Behör- den übergeben. Meistens allerdings führen die digitalen Spuren ins Ausland. Für die Leipziger Polizisten oder Staatsanwälte heißt das: auf- wendige Rechtshilfeersuchen stel- len. Wenn es denn möglich ist. Phishing etwa wird oft von Thailand aus betrieben. Damit entziehen sich Täter der deutschen Polizei, denn: »Mit Staaten, die die Todes- strafe anwenden, arbeiten wir grundsätzlich nicht zusammen«, sagt Höfer. Nur bei transatlantischen Koope- rationen scheint man es nicht ganz so genau zu nehmen. In Höfers Schublade finden sich Visitenkar- ten vom FBI oder der CIA. An den USA führe beim Thema Internet eben kein Weg vorbei, sagt er. Die großen Unternehmen der Digital- branche wie Google oder Facebook sitzen dort. »Es ist gut, in Sachen Internet amerikanische Kontakte zu haben, auch auf kurzem Dienst- weg. Vieles würde sonst nicht funk- tionieren.« Normalerweise gehe es über Lan- desgrenzen hinweg ins außereuro- päische Ausland. »Dann spielen internationale Beziehungen eine wichtige Rolle«, sagt der Polizist. Deutlich wurde das auch bei den nachgebauten Facebook-Accounts: Die Spur führte damals in die Türkei. Auf eine Antwort der dor- tigen Behörden mussten die Leip- ziger sehr lange warten. Behördliche Kooperation bei der Verbrechens- bekämpfung kann dann auch schnell zum Druckmittel in einem Spiel um internationale Abkommen und Beziehungen verkommen. Doch trotz der Möglichkeiten für Cyberkrimi- nelle sieht Hauptkommissar Höfer sich am richtigen Ort zur Bekämpfung global agierender Kriminalität im Internet. Schließlich müssten auch in Leipzig mal Wohnungen durchsucht, Ver- dächtige befragt oder Geschädigte persönlich aufgesucht werden. Für größere Fälle gibt es in Sachsen seit Sommer 2014 außerdem noch eine eigene Einheit auf Landesebene: Das Cyber- crime-Competence Center Sachsen – abgekürzt SN4C – ist beim Landeskriminalamt (LKA) ange- siedelt. Mehr als 60 Mitarbeiter sollen dort ebenfalls Internetkriminelle verfolgen und Unternehmen für das Problem sensibilisieren. Die Aufgaben für die sächsischen Internetpoli- zisten wachsen beständig. LUCAS GROTHE HENRYW.LAURISCH Das Leipziger Kommissariat 33 geht auf Verbrecherjagd im Internet Die Polizei und das Netz Jagt Kriminelle im Cyberspace: Kommissar Heiko Höfer An den USA führt im Internet eben kein Weg vorbei

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