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kreuzer_04_2015

"Ein echtes Schimpansenerlebnis": Primatenforscher Christophe Boesch über Affenliebe und Nüsseknacken; "Buchenwald ist hier": Der Schneeblumen-Gedenkweg erinnert an die Todesmärsche eines Leipziger KZ-Außenlagers

014 Kreuzfahrt 0415 Film 036 Spiel 042 Musik 044 Theater 054 Literatur 064 Kunst 068 Termine 086 C.Boesch Die Leipziger Wissenschaftseinrichtungen veranstalten die Film- und Diskussionsreihe »Wissenschaftskino«. Den Auftakt bildet das Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropo- logie mit »Schimpansen«. Nach dem Film ste- hen beteiligte Wissenschaftler zum Gespräch über ihre Arbeit bereit. Einer von ihnen ist Christophe Boesch. Dem kreuzer beantwortete der Professor für Primatologie vorab einige Fragen rund um den menschlichen Verwandten. kreuzer: Wieso haben es Ihnen gerade Schimpan- sen angetan, die Sie seit 40 Jahren erforschen? CHRISTOPHE BOESCH: Ich habe die Natur immer gemocht und fand es spannend, eine total neue Umwelt zu entdecken mit ihren vielen Tierarten. Auf Schimpansen habe ich mich spezialisiert, weil sie unsere nächsten lebenden Verwandten sind. Über den Vergleich zwischen ihnen und dem Menschen kann man Fragen über uns beantworten. kreuzer: Ein Beispiel? BOESCH: Was macht uns zum Menschen? Man hat zum Beispiel lange gesagt, der Mensch ist das Tier, das Werkzeuge benutzt – also der Homo faber. Beobachtet man aber die Schimpansen, sieht man, dass sie fast täglich Werkzeuge benut- zen: um Ameisen zu angeln, Nüsse zu knacken, Wasser zu trinken. Also entweder umfasst unsere Definition vom Homo faber auch die Schim- pansen oder wir müssen den Menschen anders definieren. kreuzer: Sie haben selbst über das Nüsseknacken ­­promoviert? BOESCH: Ja. Sie machen das mit Hämmern aus Holz und Stein, eine Erfahrung, die jeder junge Mensch selbst mal im Wald gemacht hat. Das kann man auch im Film sehr gut sehen. kreuzer: »Schimpansen« wurde an der Elfenbein- küste gedreht, wo Sie selbst forschen. Wie waren Sie involviert? BOESCH: Ich habe das Team trainiert, wie man sich im Wald orientiert und die Affen beobachtet. kreuzer: Was schätzen Sie am Film? BOESCH: Die Qualität der Bilder! Der Zuschauer wird direkt in den Wald gebracht, man sieht die Tiere besser, als wenn man vor Ort beobachtet. Man hat ein echtes Schimpansenerlebnis. kreuzer: Der Film wurde kritisiert, weil er mit dra- matischen Mitteln arbeitet. Was sagen Sie? BOESCH: Was die Bilder betrifft, so ist er eine Dokumentation geblieben. Ich habe darum gekämpft, dass das dargestellte Verhalten der Schimpansen wahr ist und der wissenschaftli- chen Beobachtung entspricht. Aber klar, Disney hat den Disney-Stil benutzt, um einen Film fürs breite Publikum zu machen. INTERVIEW: TOBIAS PRÜWER ▶ »Schimpansen«: 16.4., 19 Uhr, Zeitgeschichtliches Forum, nächster Termin: »Eines Tages …«, mit der Medizinischen Fakultät der Uni, 16.6., 19 Uhr, Zeitgeschichtliches Forum Die Wissenschaftskino eröffnet: Primatenforscher Christophe Boesch über Affenliebe und Nüsseknacken »Ein echtes Schimpansenerlebnis« Auf den Affen lauern: Primatologe Christophe Boesch an der Elfenbeinküste Am Anfang stand ein Schulprojekt. Eine Klasse der Hildebrand-Schule in Markkleeberg übersetzte das Buch »Snowflowers« (»Schnee- blumen«) von Zahava Szasz Stessel. Die Jüdin musste während der Nazizeit Zwangsarbeit in einem Außenlager des KZ Buchenwald leisten. Und das lag im Wolfswinkel in Markkleeberg am Equipagenweg, wo heute die Radfahrer in Richtung See brausen. Beim Nahen der Alliierten wurde auch dieses Lager 1945 aufgelöst und Stessel zusammen mit 1.500 anderen Mitgefan- genen auf einen sogenannten Todesmarsch geschickt. Als die Musiktheaterregisseurin Anja-Christin Winkler von der Geschichte erfuhr, wollte sie an diese erinnern. Sie fragte bei der Stadt Markkleeberg an, doch diese wollte den 70-jäh- rigen Gedenktag nicht begehen. Einen Partner fand sie im Leipziger Verein Notenspur. Sie entwickelten das Konzept, die ersten acht Kilo- meter des Weges, den der Todesmarsch nahm, gemeinsam zu begehen, um der Frauen von damals zu gedenken. Anhand von alten Karten und der Beschrei- bungen im Buch wurde die wahrscheinlichste Route bis zur Scheune in Stötteritz rekonstru- iert. Am Wegesrand wird es musikalische Beiträge geben, welche die Lieder widerspiegeln sollen, die den Frauen im Lager Kraft gegeben haben. »Wir wollen die Orte mit Musik verbinden«, erläutert Notenspur-Vorsitzender Werner Schnei- der die Idee. »Die Musik ist ganz unterschied- lich. Da sind zum einen die religiösen jüdischen Lieder, aber auch Schlager und französische Chansons haben die Frauen im Lager gesungen.« Zudem sollen die Namen der Zwangsarbeite- rinnen auf Visitenkarten gedruckt werden, so dass die Teilnehmer eine Art Gedenkpaten- schaft übernehmen können. »Dieser individuelle Moment ist uns sehr wichtig«, sagt Winkler. Schneider verortet das Projekt ganz im Sinne der jüdischen Erinnerungskultur, wo man nicht nur der Vergangenheit gedenkt, sondern sich selbst als Teil dieser versteht und sie an Gedenktagen vergegenwärtigt. Ähnlich wie beim Lichtfest wird dabei auf ein ritualisiertes Nach- erleben gesetzt, allerdings in einem deutlich intimeren, weniger durchinszenierten Rahmen und jenseits der Stadtpolitik. Ein Gedenken von unten also, das hier ein wichtiges, beinahe vergessenes Stück Stadtgeschichte wieder aufgreift und Historie jenseits der Lehrbücher konkretisiert. Oder wie Anja-Christin Winkler es formuliert: »Ich finde es wichtig, dass in unserem Bewusstsein ankommt: Buchenwald war nicht sonst wo, Buchenwald war hier.« TORBEN IBS ▶ Schneeblumen-Gedenkweg, 13.4., 19 Uhr, Equipagenweg »Buchenwald ist hier« Der Schneeblumen-Gedenkweg erinnert an die Todesmärsche eines Leipziger KZ-Außenlagers A.C.Winkler Im Wolfswinkel: Der Isegrim hat das ehemalige KZ fest im Blick

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