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kreuzer_05_2015 - Film

Intimer Einblick in eine reiche Welt: Mark Michel beschreibt die außergewöhnliche Welt der Veronika Raila. Sein Kurzfilm soll jetzt zum Langfilm wachsen

Film 036 0515 Spiel 042 Musik 044 Theater 054 Literatur 062 Kunst 066 Termine 078 Kind war aus Sand. Grobkörniger Sand. Konnte man nicht anfassen, weil man Angst hatte, das Wenige, was es zusammenhält, bröselt aus- einander.« Veronika ist 23, lebt in der Nähe von Augsburg und ist körperlich schwer behindert. Sie kann nicht sprechen, nicht laufen und leidet am Asperger-Syndrom, einer Form von Autis- mus. Aber Veronika schreibt. Geschichten und Gedichte über ihre Wahrnehmung, ihren Lebensweg. Sie studiert katholische Theologie und Literatur an der Uni Augsburg. Mark Michel lernte sie vor fünf Jahren kennen. Der Regisseur aus Leipzig recherchierte für ein MDR-Magazin über Menschen mit Behinderung. Da stieß er auf einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung über Veronika Raila. »Ich bin hingefahren und habe ihr meine Geschichte erzählt und mir ihre Geschichten durchgelesen. Drei Monate später kam ich mit der Kamera wieder, um einen Kurz- film zu drehen.« Der siebenminütige Film »Veronika« entstand, lief bei Kurzsuechtig und DOK Leipzig und reiste von dort zu Festivals in aller Welt. Aber Mark Michel hatte das Gefühl, dass er die Geschichte nicht zu Ende erzählt hatte. Veroni- kas Gedanken ließen ihn nicht los. »Oft wird hier das Leben unterschätzt, ebenso wie die Kreati- vität im Umgang mit Problemen«, schreibt sie selbst über ihre Behinderung. »An dieser Schnitt- stelle, an der Schnittstelle zwischen den soge- nannten Normalen und den ›Nichtnormalen‹, kann viel Neues durch die gegenseitige Befruch- tung entstehen. Diese gegenseitige Befruch- tung nützt uns allen, nicht nur den Behinderten.« Vier Jahre später will Michel nun erneut nach Augsburg reisen und mit Veronika gemeinsam an einem Langfilm arbeiten. »Mir geht es darum, zu zeigen, wie reich diese Welt ist, die Veronika in sich trägt. Das ist im Kurzfilm zu kurz gekommen«, erzählt er. »Ich möchte die Mutter-Tochter-Beziehung beleuch- ten. Wie haben die beiden zueinandergefunden? Wie geht man damit um, wenn seinem Kind ein IQ von null attestiert wird?« Das gegenseitige Kennenlernen, die Entdeckung der gestützten Kommunikation als ein Weg nach außen. Veronika schreibt mit Hilfe ihrer Mutter. Allein ist sie nicht dazu in der Lage. Ihr Körper gehorcht ihr nicht. Aber wird der Arm gestützt, sendet er Impulse aus, die eine Tastatur in Worte verwan- delt. Poetische Zeilen, die ihr Innerstes beschrei- ben. »Veronika hat eine synästhetische Wahrneh- mung. Sie nimmt etwa Musik in Farben und Formen wahr. Ihre sehr intensive Sicht der Welt reflektiert sie, indem sie darüber schreibt.« Sieht man ihr und ihrer Mutter dabei zu, glaubt man zunächst nicht, dass die Worte tatsächlich dem Körper der jungen Frau entstammen, der sich unablässig und meist unkontrolliert bewegt. »Diese Frage tauchte nach dem Kurzfilm immer wieder auf. Sind das wirklich ihre Worte? Auch ich war zunächst skeptisch. Aber ich vergleiche das mit einem Wasserschlauch, der wild herum- spritzt, bis man ihm eine Richtung gibt.« Das Vertrauen zwischen den kreativen Geis- tern wuchs. Mark Michel zeigte Veronika seine Filme. Er hatte bereits Inklusionstanzprojekte mit der Kamera begleitet und Dokus über Men- schen mit Behinderung oder Einschränkungen gedreht. Veronika Raila war begeistert darüber, dass er einen Film mit ihr machen wollte, denn die meisten, die kamen, wollten nur Filme über sie machen. »Wir sind uns auf Augenhöhe begegnet. Ich habe ihr die erste Schnittversion gezeigt und sie hat Vorschläge gemacht, die in den fertigen Film einflossen.« Die Basis für eine erneute Zusammenarbeit, die allerdings noch einige Hürden zu überwinden hat. Die Finanzierung des Projekts ist schwierig, da sich kein Fernsehsender fand, der das Projekt unterstützen wollte. Ein künstlerischer Doku- mentarfilm ist im öffentlich-rechtlichen TV schwer zu platzieren. Aber ein solches Projekt erfordert die nötigen Mittel und Zeit. »Man kann nicht viele Stunden und Tage am Stück mit Veronika drehen, das wäre eine zu große Bela- stung für sie, und die wollen wir so gering wie möglich halten.« Einige Filmförderungen sind sicher, reichen jedoch nicht für die Umsetzung des Projekts. Um die Finanzierungslücke zu schließen, hat sich Michel deshalb für eine Crowd­ funding-Kampagne bei Visionbakery ent- schieden. »Wir wollen Veronikas Welt nach außen tragen, ihr eine Stimme geben, die ihren Texten Ausdruck verleiht, und diese sinnlich übersetzen in andere künstlerische Ausdrucksformen. Neben der Sandmalerei von Anne Löper, die bereits im Kurzfilm zum Einsatz kam, möchten wir mit dem Figurentheater Wilde & Vogel zusammenarbeiten, um ihre Geschichten visu- ell umzusetzen. Außerdem denkt Veronika, dass Aquarellmalerei gut zu einer Geschichte passt.« Wenn alles klappt, wollen sie Ende Mai mit dem Dreh beginnen, im September fertig sein. Anfang 2016 soll die außergewöhnliche Doku Premiere feiern. LARS TUNÇAY ▶ www.visionbakery.com/sandmaedchen-film ▶ www.sandmaedchen.de Intimer Einblick in eine reiche Welt Mark Michel beschreibt die außergewöhnliche Welt der Veronika Raila. Sein Kurzfilm soll jetzt zum Langfilm wachsen Mark Michel möchte Veronikas Sicht nach außen tragen. Anne Löper setzt eine ihrer Geschichten in kunstvolle Sandbilder um »Vieles ist im Kurzfilm zu kurz gekommen« FELIXADLER,,ANNELÖPER

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