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kreuzer_06_2015

Bock auf "Baal": Vom jüngsten Sturm ums Brecht-Stück zeigt sich Nuran David Calis unbeeindruckt – fast; Geist sucht Erlösung: "The Canterville Ghost" begeistert als Uraufführung in der Oper

046 Theater 0615 Film 030 Musik 036 Literatur 054 Kunst 058 Spiel 065 Termine 070 »The Canterville Ghost« begeistert als Uraufführung in der Oper Vom jüngsten Sturm ums Brecht-Stück zeigt sich Nuran David Calis unbeeindruckt – fast Geist sucht Erlösung Bock auf »Baal« Ein Gespenst geht um an diesem Abend, der gleich zwei Opernpremieren beinhaltet. Neben Ruggero Leoncavallos »Pagliacci« geistert Gordon Gettys »The Canterville Ghost« als Uraufführung nach der gleichnamigen Erzählung von Oscar Wilde über die Bühne. Seit nunmehr 300 Jahren spukt der nicht ganz dahingeschiedene Sir Simon in seinem Schloss herum, stets versucht, die Hausherren wahlweise in Wahnsinn oder Tod zu treiben. Eigentlich erhofft er Erlösung, sieht sich zugleich aber als großen Geist, sprich: als Künstler, der sich der Aufmerk- samkeit seines unfreiwilligen Publikums sicher ist. Dann tritt die US-amerikanische Familie Otis in sein zuvor ruhiges Geister- leben und raubt ihm als aufgeklärte, moderne Sippe den letzten Nerv. Auf sein Kettengeklirr reagiert sie mit der Ölkanne, der Blutfleck auf der Ritterrüstung wird prompt entfernt, die Kinder spielen ihm Streiche. Nur die junge Virginia empfindet Mit- leid für die gequälte Seele. Als sie von Simons traurigem Leben und grausamem Tod erfährt, will sie seine Seele befreien. Bis zu seinem nunmehr endgültigen Ableben ist es ein wirk- liches Vergnügen, dem Einakter zuzuschauen. Matthew Trevino stellt ein herrlich snobistisches Gespenst mit unübersehbar Shakespeare’scher Attitüde dar. Wunderbar zurückhaltend verkörpert Jennifer Porto die unschuldige Seite ihrer Virginia. Ein Genuss ist auch das einem Puppenhaus ähnliche Bühnen- bild: Wie in einen Setzkasten schaut man aufs Schloss, erblickt die Bibliothek mit Ritterrüstung, Esszimmer und Schlafzim- mer. Die 3-D-Bemalungen der Stoffbahnen sind so realistisch, dass man zwischen wirklich vorhandenem Mobiliar wie einem ausladenden Kronleuchter und einem detailgetreu aufgemal- tem Schlossfenster nicht unterscheiden kann. Eine Wanduhr bietet Sir Simon Zugang zu seinem Verlies und sorgt für den Running Gag: Jedes Mal, wenn er sich aufmacht, Punkt Mitter- nacht seinen kettenrasselnden Auftritt hinzulegen, soll die Uhr mittels Glockenschlag für düstere Atmosphäre sorgen. Aber sie funktioniert nicht und Simon rackert sich wie in einem Monty-Python-Sketch ab, sie wieder in Gang zu setzen. Das Ensemble ist von den Hausherren bis zur Dienerschaft vorzüg- lich aufgelegt und kann selbst in kleinen Gesten und großer Mimik allerhand Spielfreude übertragen. MANDY SCHAARSCHMIDT ▶ »The Canterville Ghost«/»Pagliacci«: 14.6., 18 Uhr, 25.6., 19.30 Uhr, Oper Eigentlich hatte er nicht mehr so richtig Bock auf Baal. »Seid ihr sicher, dass wir das noch machen wollen?«, fragte Regisseur Nuran David Calis sein Team, nachdem im Februar die Brecht-Erben eine »Baal«-Inszenierung verboten. Frank Castorfs Version in München war ihnen zu entfremdet vom Text, um es vorsichtig zu formulieren. Kann man angesichts des bundesweiten Rummels nicht nur verlieren, wenn man jetzt einen eigenen »Baal« zeigt? Oder noch schlimmer: Hätte man da nicht gleich die Schere der Selbstzensur im Kopf? Solche Fragen trieben Calis um und sind nicht unberechtigt. Armin Petras hat das vor zwei Jahren in Dresden bewiesen, als sich sein »Leben des Galilei« partout nicht vom eingewobenen naiven Fortschrittsoptimismus lossagen wollte oder durfte. »Wir werden der Diskussion nicht hinterherlaufen, wir sind eigenständig«, sagt Calis beim Gespräch auf der Probebühne über seinen Ansatz, den Stoff über »Alkohol, Suff, Frauenge- schichten, Wahn« auf die Bühne zu bringen. Diese ist ein weiß gefliester Raum, der etwas Kühles, Steriles hat. Natürlich geht es um Klarheit, so Bühnenbildnerin Irina Schicketanz, aber auch um deutliche Kontraste. Und sagt ergänzend über die Kon- zeption des geschlossenen Raums: »Baal ist ja nie weg, auch wenn er in einer Szene nicht auftaucht. Es ist ein Spiel mit den Realitäten, daher müssen die Zuschauer selbst zwischen Erin­ nerung und Wirklichkeit unterscheiden.« Calis fügt hinzu: »Es ist eine sternförmige Dramaturgie, kein Plot wie ›Don Carlos‹, wo man sich durchackern kann.« Eine »prägende Säule« der Inszenierung sollen auch Musik und Ton – verantwortlich: Vivan Bhatti – sein. Mehr möchte das Trio nicht verraten, ringt mit den richtigen Worten, um nicht zu viel preiszugeben. Da will man nicht nachbohren. Ein Stück Bühnenboden ist aufgerissen, darunter liegt in der Erde ein totes Tier. Ein Ausbruchsversuch wird offenbar unter- nommen. Baal, der talentierte junge Dichter, hält sich zwischen dumpfem Rausch und spitzer Gesellschaftskritik ja auch an keiner Grenze auf. Was ist Radikalität heute, sei eine Leitfrage, so Calis, der im Streit um Castorf eine Stellvertreterdebatte darüber sieht, wie wir mit dem Urheberrecht umgehen. »Es ist auch eine Chance: Wie können wir uns vom Schutt befreien? Was irritiert uns heute am Stück, an der Gesellschaft?« Dafür geht er in eine radikal andere Richtung als herkömmliches Regietheater: »Wir werden keinen Satz streichen, kein Komma verändern. Und wenn, dann machen wir das für den Zuschauer sichtbar.« TOBIAS PRÜWER ▶ »Baal«: 5. (Premiere), 12., 18.6., 19.30 Schauspielhaus Lacrimosa: Klamauk und tränenreiches Geisterschicksal Nicht Daft Punk, sondern Baal kirstennijhofrolfarnold Info + Reservierung: www.lofft.de 0341 / 355 955 10 Vorverkauf: Theaterkasse im Theater- haus am Lindenauer Markt Lindenauer Markt 21| 04177 Leipzig Mo. – Fr. 11 – 18 Uhr, Sa. 11 – 14 Uhr LOFFT – DAS THEATER Lindenauer Markt 21| 04177 Leipzig 06.+07. Juni 2015 ZEICHEN UND WUNDER FINALE WUNDER OPUS 5 OPER DYNAMO WEST 26.+27.+28. Juni 2015 DER GROßE KOMÖDIANT Julian Rauter 10. Juni 2015 ZOOROPA friendly fire 18.+20.+21. Juni 2015 ZEITFISCHEN Alma Toaspern + Elpida Orfanidou 22.+23.+24. Juni 2015 WERKSTATT: GROßSTADT DANAEHELIOS ANZEIGE | Rezension | 0341 / 35595510

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