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kreuzer_06_2015 - Kunst

"Man wird nicht als Realist geboren": Nach den Staatsschutz-Ermittlungen der HGB – was Rektoren von einer Kunsthochschule halten

058 Kunst 0615 Film 030 Musik 036 Theater 044 Literatur 054 Spiel 065 Termine 070 Die HGB macht es einem manchmal nicht leicht. Das stattliche Haus in der Wächter- straße wirkt dann wie eine windschiefe Kate. Zwar auf einem soliden Fundament gebaut, aber insgesamt doch sehr fragil, im Inneren als auch im Äußeren. Oder wie Bernhard Heisig, Rektor von 1961 bis 1964 und 1976 bis 1987, so schön sagte: Die HGB »ist eine geachtete, manchmal geliebte und gelegentlich gehasste Einrichtung«. Dort nun zeigen Vorkommnisse um ein beim Rundgang im Februar anonym ausgestelltes Gemälde, die Moralkritik eines sächsischen CDU- Politikers an dem Werk und die daran anschlie- ßenden Ermittlungen des Polizeilichen Staats- schutzes gegen den Malereistudenten Martin Schwarze (siehe kreuzer-online) auf eine ein- drückliche Art und Weise, dass Mechanismen wirken, die Ängste heraufbeschwören. Das Bild zeigte Angela Merkel vor schwarz-rot- goldenem Hintergrund, neben ihr zielt ein Vermummter mit Gewehr im Anschlag auf den Kopf der Kanzlerin, über dem Gemälde prangte der Schriftzug »Wir töten Dich«. Als dann der Staatsschutz bei Dimke anrief – vorgeblich, um den Künstler zu schützen, tatsächlich ermit- telte die politische Polizei auch gegen ihn –, gab Dimke dessen Daten an die Behörden weiter, ohne mit dem Künstler selbst zu kommunizieren, sich offen hinter ihn zu stellen oder die Vor- gängeinirgendeinerWeiseöffentlichzukommen- tieren. Dimke berief sich später auf behördliche Auskunftspflichten und darauf, die Kommuni- kation mit dem Studenten delegiert zu haben. Aber das an einer Kunsthochschule, die gemeinhin für künstlerische Freiheit und deren Schutz steht? Wie kann das geschehen? Blicken wir einige Jahre zurück. Im Juni 2011 wurde mit Ana Dimke erstmals eine Kunstpä- dagogin an die Spitze der HGB gewählt. Einige Monate später erfolgte ihre Wahl zur Sprecherin der Rektorinnen und Rektoren aller deutschen Kunsthochschulen. In einem MDR-Beitrag 2011 behauptet Dimke von sich: »Ich stehe tatsäch- lich für frischen Wind.« In ihrer Antrittsrede bekundet sie »Sympathie für konzeptionelle Kunst« und bezieht sich auf Marcel Duchamp. Vier Jahre später kann die Rede gut für ein Zwischenfazit stehen. Dimke formuliert, dass Kunsthochschulen auf ihre Einzigartigkeit pochen und ihre Besonderheit verteidigen müs- sen. Gleichzeitig sieht sie wirtschaftlichen Erfolg durch marktanerkannten eigenen Stil bei der Künstlerschaft als eine Form der »Nieder- lage«. Vielmehr scheint ein Schaffen in den Grenzlandschaften zur eigentlichen künstle- rischen Praxis eine besser gewählte Option. Aber das sind die Realitäten nach der Ausbildung. Zuvor gilt es, das Studium zu absolvieren, wenn ein Platz ergattert ist. Oder mit anderen Worten: »Die künstlerische Lehre hat hier Modellcharak- ter für individualisiertes Lernen. Die Formulie- rung subjektiver Standpunkte ist die fachliche Forderung der Kunst und im gesamten Schul- system epochal«, sprach Dimke. Dieses System beinhaltet die »Einbindung von Theorie ins Studium« mit Kunst- und Medien- wissenschaft und Philosophie als »Reflexions- instanz«. Ganz davon abgesehen, dass dieser Umstand nicht plötzlich auftauchte, sondern seit 1946 Bestandteil der Ausbildung ist, genügt ein Blick auf die gegenwärtige Situation, um zu sehen, dass die Reflexionsinstanzen doch aus- gedünnt erscheinen. Die Professur für Philoso- phie ist seit der Emeritierung von Christoph Türcke im vergangenen Jahr nicht fest besetzt. Die Professur für Kunstgeschichte und Bild- wissenschaften wird ebenfalls vertreten, weil Beatrice von Bismarck mittels Opus-Magnum- Förderung der Volkswagen-Stiftung vier Semes- ter lang zum Kuratorischen forscht. Und da wären wir auch schon bei der »bedeutsamen Erweiterung« der Ausbildung durch den Studien- gang »Kulturen des Kuratorischen«, an dem Bismarck seit 2009 mitwirkt. Ebenso in Vertretung sind derzeit die Profes- suren, die unter anderem immer so gern als ein Alleinstellungsmerkmal der Schule zur Sprache kamen, wie etwa die Professur für künstlerische Lehre in den künstlerischen Druckwerkstätten oder die Professur für Zeichnen und künstle- rische Anatomie. Vertreten werden derzeit bezogen auf die Fachklassen die Professur für Systemdesign sowie ab Sommer eine Professur für Malerei. Aber zurück zur damaligen Rede. Darin erklärt Dimke, dass es von immenser Bedeutung sei, »immer wieder Raum zu schaffen, in dem gemeinsam gehandelt, gleichberechtigt mitei- nander gesprochen, diskutiert und entschieden werden kann. Dies ist eine zentrale Aufgabe des Rektorats und des Kollegiums. Das heißt aber auch, etwas nebeneinander bestehen lassen zu können, so dass der Diskurs in der Mitte der Kunsthochschul-Gesellschaft weiter fruchtbar bleibt.« Im Hinblick auf die letzten vier Jahre scheint die Zielvorgabe noch um einiges uner- reicht oder – netter formuliert – liegt der Erfolg immer im Auge des Betrachters. Ein anderer Rektor – Arno Rink – stellte seine Antrittsrede 1987 unter die Überschrift »Man wird nicht als Realist geboren«. Er betont, dass »Bilder-Machen etwas mit dem innersten Wesen zu tun hat«. Unter dem Begriff des Realis- mus versteht er zudem, dass es sich dabei nicht nur kurz gedacht um eine figürliche Darstel- lungsweise handelt, sondern immerzu die gesell- schaftliche Auseinandersetzung zählt, um sich mittels künstlerischer Arbeit einzumischen. Ständiges Ja-Sagen bildet eine unrealistische Haltung aus. BRITT SCHLEHAHN »Man wird nicht als Realist geboren« Ständiges Ja-Sagen bildet eine unrealistische Haltung aus Der Auftakt zum Rundgang 2015 – seine Folgen sind heute noch spürbar ericmeier Nach den Staatsschutz-Ermittlungen an der HGB: Was Rektoren von einer Kunsthochschule halten

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