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kreuzer_10_2014_2 - Film

Schein und Sein: Das 57. Festival für Dokumentar- und Animationsfilm

Film 038 1014 Spiel 044 Musik 046 Theater 058 Literatur 068 Kunst 072 Termine 084 Wenn Leipzig Ende Oktober wieder zum wild schlagenden »Herzen des Dokumentar- films« wird, ist es für Festivalchef Claas Danielsen und sein Team das Finale eines arbeitsreichen Jahres. »Ich werde oft gefragt: Okay, dieses Festi- val ist ja Wahnsinn und dann müssen Sie das ja noch mindestens einen Monat lang vorbereiten oder zwei. Und was machen Sie den Rest des Jahres?« Der künstlerische Leiter lächelt müde, denn die vergangenen Monate waren mit Festi- valbesuchen rund um die Welt, langwierigen Auswahlprozessen und Fragen der Finanzierung ausgefüllt. Der Lohn ist ein vielfältiges Programm verteilt auf fünf Wettbewerbe und eine Vielzahl an Nebensektionen und Filmreihen. »Ich glaube, wir haben tolle Filme. Das Programm ist sehr stark. Wir haben einen hervorragenden Internationalen Wettbewerb und einen beeindruckenden Deut- schen- und Nachwuchswettbewerb«, freut sich Danielsen. Viele der Themen erstrecken sich aber auch auf andere Sektionen. »Wir haben in diesem Jahr erstaunlich viele Beiträge mit aktu- ellen oder semi-aktuellen Bezügen. Das sind Filme über den Maidan und die revolutionären Bestrebungen in der Ukraine, aber auch Arbei- ten, die sich mit dem vorläufigen Scheitern der Umstürze in manchen nahöstlichen Ländern wie Ägypten oder Syrien auseinandersetzen«, stellt Danielsen fest. »Es sind auch viele The- men, die bei uns aktuell diskutiert werden: Gren- zen, NSA, Whistleblower. Da zeigen wir viele spannende Arbeiten, die teilweise erst kurz vor dem Festival fertig gestellt werden.« Vor Anfang Oktober lässt sich das DOK-Team nicht in die Karten schauen. Kein Whistleblower in Sicht. Dafür wird bereits für die Nebensekti- onen fleißig getrommelt. Der Länderschwerpunkt wird in diesem Jahr auf gleich mehrere Staaten verteilt. »Die Region des ehemaligen Jugoslawien ist enorm spannend, denn sie ist immer noch sehr fragil. In den Filmen spiegeln sich auch die Folgen der Kriege wider, ein leider hoch aktuelles Thema.« Auch Kurzfilme aus den siebziger und achtziger Jahren werden zu sehen sein, die die alte jugoslawische Filmtradition in Verbindung setzen mit den Filmen, die heute dort entstehen. Eine andere Sektion steht ganz im Zeichen der Tradition des Festivals: »In der Retrospektive geht es in diesem Jahr um die Kamera im DEFA- Dokumentarfilm. Da sind einige wunderschöne Filme zu finden, die 25 Jahre nach der DDR noch mal einen Blick zurück werfen, aber auch zei- gen, wie dort eine ganz eigene Dokumentarfilm- kultur und -tradition entstanden ist. Die meis- ten Kameramänner leben noch und kommen zum Festival«, erzählt Danielsen. »Daneben stellen wir in einigen Hommagen das Werk von wichtigen Regisseuren vor«, fährt Danielsen fort. »Wir zeigen da eine ganze Band- breite von dem, was im Dokumentarfilm möglich ist. Das geht von Jon Bang Carlsen aus, einem der wichtigsten dänischen Dokumentarfilmer, der ganz außergewöhnliche Filme gemacht hat. Da weiß man oft nicht: Ist das Spielfilm, ist das inszeniert oder ist das dokumentarisch? Bis hin zu Shelly Silver, die zwischen Dokumentar- film und Videokunst agiert, oder Jean-Gabriel Périot, der Animation und Dokumentarfilm verbindet. Er lotet die Grenzen des politischen Dokumentarfilms aus, mit sehr provokativen, zum Teil sehr witzigen, aber auch nachdenklich machenden Kurzfilmen.« Die Hommagen fügen sich also bestens in ein Thema, das sich durch das Festival zieht. Was ist real, was inszeniert – darüber darf auch bei den täglichen DOK-Talks mit Filmemachern diskutiert werden. Bei der internationalen Ausrichtung des Festi- vals kann es leicht passieren, dass man die Herkunft aus den Augen verliert. Die DEFA-Mati- nee wirft daher einen Blick auf die »Boomtown in Agfa – Leipzig in DEFA-Filmen der 50er Jahre«. Neben Berlin wurde keine andere Stadt der DDR im frühen DEFA-Dokumentarfilm so ausgiebig abgebildet wie Leipzig. Im Frühwerk »Leipziger Messe 1946« von Kurt Maetzig etwa, oder Bruno Klebergs »Heimat, wir schützen dich« (1952), der das IV. Parlament der FDJ in Leipzig, einen politischen Massenaufmarsch, auf Zelluloid bannte. Das Rot von Agfacolor leuchtet hier in schönster Farbkraft. Die Cross Media Screenings zeigen derweil, wie spannend und innovativ die Macher mit den verschiedenen Medien Film, Internet und Com- puterspiel umgehen. Etwa in der Arte-Serie »The Polar Sea 360° – Eine interaktive Reise«, wo die Besucher durch den Einsatz neuester Kamera- technologien in Kombination mit der dreidi- mensionalen Oculus Rift Virtual Reality-Brille einen Blick in die Zukunft werfen können. Eine weitere Reihe blickt auf das fruchtbare Verhältnis zwischen Animation und Werbung Einen ausführlichen Blick auf das Programm des Animationsfilmfestivals wirft der kreuzer im dok-blog, der auch in diesem Jahr das Festival mit Rezensionen, Interviews und Einblicken begleitet. Für Claas Danielsen wird es der letzte Jahrgang als Festivalleiter sein und es sieht alles danach aus, als verabschiede sich DOK Leipzig von ihm mit einem Paukenschlag. Lars Tunçay ▶ 27.10.–2.11. DOK Leipzig ▶ Lesen Sie zum Thema auch unser Interview des Monats mit Claas Danielsen auf S. 30 ▶ www.dok-leipzig.de ▶ kreuzer-Leipzig.de/dokblog Schein und Sein Ein Blick in das Programm des 57. Internationalen Festivals für Dokumentar- und Animationsfilm »Ist das inszeniert oder dokumentarisch?« Das Herz des Dokumentarfilms schlägt: Im Oktober fliegen endlich wieder die Tauben über Leipzig BertramBölkow

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