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kreuzer_02_2015

Und Pete schluchzt Kate hinterher: Die Berliner Chuckamuck sind spätpubertäre Poeten; Strobo im Kellerdunkel: Geschichte und Gegenwart des Acid House verbinden sich bei einer Filmparty

042 Musik 0215 Film 032 Theater 048 Literatur 056 Spiel 059 Kunst 060 Termine 072 Chuckamuck sind so ziemlich die ehrlichsten Jungs, die dir auf den Plattenteller kommen könnten. Beziehungsweise ihre neue EP »Im Knast«. Weil sie Geschichten erzählt, die einfach stimmen müssen. Geschichten, in so butter- weiche Klänge gehüllt, dass jeder Skeptiker in die Knie gehen müsste. Zum Beispiel diese herrlich bierselige Zwei- Minuten-Nummer »Knast«. Sänger Oska Wald schlängelt sich in lauter durcheinandergera- tenen Sinnbildern durch die tropischen Rhyth- musgitarren, bis ihm irgendwann die Stimme abgeht. Das ist noch Hingabe, dem Kerl muss man das halt glauben. So spätpubertär-stimmbrü- chig hat zuletzt nur Pete Doherty seiner Kate Moss hinterhergeschluchzt. »Und du wolltest sie noch was fragen, bevor sie geht«, poetisiert Wald in »Mach die Augen auf« los, »doch das Blatt, auf dem das steht, hat der Wind weggeweht.« Und fertig ist die Steil- vorlage für einen der besonders rührenden Momente: »Jetzt ist es zu spät, bis das Blatt sich gewendet hat.« Auch die Band geht gleich ein paar Noten hoch, es folgen noch zwei, drei Gitar- rensolos, so blechern-spacig, als wären die Gitarren von Fisher Price und das Studio von Chuckamuck irgendwo auf der ISS. Jeder Song auf »Im Knast« verfügt über seinen eigenen Sound. Das offenherzige »Koyote«, das punkige »Kehrtage«, das impulsiv-krächzige »Schimmel«, das umrisshafte »T-Hawk«. Und jeder dieser Sounds macht einen unfertigen Eindruck, während die Songs selbst von über- legten Popstrukturen strotzen. Richtig einge- knastet und an Ort und Stelle sind bei Chucka- muck nur die Zeilen, die Hooks, das immer korrekt am Satzende platzierte Geplänkel. Drum herum duellieren sich Sounds, losgelöst von allen Strukturen, sphärische Shreds, Tropicália- Licks und Telefonzellenbeats. Beim Label Staatsakt haben Chuckamuck seit 2011 jedes Jahr eine Platte veröffentlicht, pas- sen dort wunderbar ins Programm. Zwischen Schmachtvisage Andreas Dorau, den nimmer- müden Ja, Panik und dem immer weiterstiefeln- den Friedrich Liechtenstein sind Chuckamuck die Neuauflage des Neunziger-Slackers, des bewunderten Versagertyps. Mit glimmender Fluppe im Mund erklären sie dir am Tresen früh halb vier ihre besten Streichholztricks. Auf einem Foto posieren die jungen Männer mit ihren Groupies oder Freundinnen vor einem Van. Hätte es das Internet nie gegeben, Chuckamuck wären Wandermusikanten geworden. Nun kommen Chuckamuck ins Goldhorn. Sie werden gut hinpassen, an den Ort, der vorher nie verrät, was er heute bietet. Ausgenommen das kalte Bier. JOSA MANIA-SCHLEGEL ▶ Chuckamuck: 14.2. 21 Uhr, Goldhorn Dumpfe Beats, aufgeregtes Blubbern und das Zwitschern des 303-Synthesizers – dieser als Acid House bekannte Sound ist zurück in den Leipziger Clubs. Seine Glanzzeit hatte das Genre aber schon Ende der achtziger Jahre, vor allem in England, und animierte die dortige Jugend, eigene unangemeldete Partys in alten Fabriken oder auf freien Feldern zu organisieren. Die britische Polizei konnte dies überhaupt nicht einordnen und versuchte, die Partys zu unterbinden. Medien und Politiker diskutier- ten das neue Phänomen hysterisch und verab- schiedeten 1994 schließlich ein Gesetz, das unangemeldete Versammlungen zu »repetitiven Rhythmen« verbot. Was wiederum zu einer einzigartigen Politisierung der Partyszene führte. Der Dokumentarfilm »High on Hope« erzählt mit raren Originalaufnahmen und Interviews diese Entwicklung der Acid-House-Szene in Nordengland. Der Film vermittelt auch heutigen Zuschauern ein Gefühl davon, warum genau diese Szene so einflussreich in der Musikge- schichte wurde. Ein offizieller Kinostart wurde für »High on Hope« noch nicht bekanntgege- ben, doch der Dresdner DJ Alexander Dorn alias Credit 00 war so begeistert, dass er ihn nun ins Conne Island holt. Vielleicht kommt der Film musikalisch gerade zur richtigen Zeit nach Leipzig, wo der Begriff »Acid« wieder häufiger auf Flyern zu lesen ist. Auch der DJ und Veranstalter Steffen Benne- mann hat die Magie des Sounds kürzlich für sich entdeckt: »Ich war in Amsterdam auf so einer Party, das war nur ein dunkler Raum, Rauch und ein Strobo – sonst nichts. Das wollte ich auch in Leipzig machen.« Ob das nun ein neuer Trend ist, da sind sich Protagonisten der hiesigen Szene nicht einig. Während es für Credit 00 ein Sound ist, der schon immer da war, den er per- sönlich nur endlich nachholt, hat Steffen Bennemann schon den Eindruck, dass es mehr geworden ist: »In letzter Zeit sind wieder viele solcher Platten veröffentlicht worden. Und im Institut für Zukunft gibt es kaum ein DJ-Set, in dem nicht auch solche Elemente vorkommen.« Alex Usunov vom Leipziger Label Lunatic mag den Genre-Begriff Acid nicht, aber gibt zu: »Es stimmt schon, dass raue analoge Sounds gerade angesagt sind. Es geht eher um dieses Gefühl von dunklem Keller.« Mit dem DJ Tiny aus Dresden wird nach dem Film ein Urgestein der regionalen Acid-Szene auftreten, aber Usunov betont: »Der Abend ist auch eine gute Gelegenheit für junge Leute, diesen Teil Musikgeschichte nachzuholen.« ANJA THÜMMLER ▶ Acid on the Low presents »High on Hope«: 6.2., Conne Island Die Berliner Chuckamuck sind spätpubertär-stimmbrüchige Poeten, die ihr Studio irgendwo auf der ISS haben Geschichte und Gegenwart des Acid House verbinden sich bei einer Filmparty WolfDaubinquarkfilms Und Pete schluchzt Kate hinterher Strobo im Kellerdunkel Die Neuauflage des Neunziger-Slackers: Chuckamuck Dunkler Raum, Rauch und Strobo. Und Acid

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