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kreuzer_11_2014 - Theater

Wir eisernen Zonenkinder?: Darfs ein Label mehr sein? Eine Theatergruppe befragt die "3. Generation Ost"

058 Theater 1114 Film 038 Spiel 046 Musik 048 Literatur 068 Kunst 072 Termine 084 Eine Ost-West-Auseinandersetzung? Klar, pünktlich zum 25. Geburtstag der Maueröff- nung kommt ein entsprechendes Stück auf Leipzigs Bühnen. »Das Datum gibt den Anlass, ja«, sagt Christian Hanisch, geboren 1977 in Erfurt und einer von zwei beteiligten Regis- seuren. »Mehr aber auch nicht. Wir haben uns auf die Spurensuche begeben nach möglichen Gemeinsamkeiten der Wendegeneration. Die Frage, ob es da Gemeinsames gibt, treibt ja nicht nur uns um.« Dass die Produktion nicht unbedingt darauf abzielt, eine harmonische Generationsgemeinschaft und ein Kuschelkol- lektiv aller Gleichaltrigen zu behaupten, deutet schon der Titel an: »Jeder kann alles besser als ich – Von Hochstaplern und Wendekindern«. Anstoß nahmen die Theatermacher am Projekt »Dritte Generation Ost«, aus dem ein gleichna- miger Sammelband hervorging. Darin berichten 30 Autorinnen und Autoren über ihre Erfah- rungen als Wendekinder, dokumentieren All- tagssituationen und vertreten verschiedene Positionen zur Dritten Generation Ost. Darunter versammeln die Herausgeber alle Menschen, die als Kinder in der DDR gelebt, die Zäsur 1989 bewusst erlebt haben und im vereinten Deutsch- land aufgewachsen sind – also die Jahrgänge 1975 bis 1985. So schwierig der Generationsbegriff auch immer ist, so ist der Versuch, gemeinsame Erfahrungen zu artikulieren, allemal interessant. Allerdings gibt es im Buch, trotz der unter- schiedlichen Texte und Haltungen, eine Tendenz zur Verallgemeinerung, die schon Jana Hensels »Zonenkinder« und »Eisenkinder« von Sabine Rennefanz schwer erträglich machte. Wenn etwa eine Autorin meint, dass die Schule in der DDR eine einzige Abrichtungsanstalt gewesen sei, als ob sich Lehrer nicht auch kleine Freiräume hätten leisten können, wenn sie denn wollten, entsteht so ein gleichmacherisches Zerrbild. Wenn andererseits diese in Umbruchszeiten auf- gewachsene Generation – als krisenerprobt, pragmatisch, integrativ und engagiert – zu den wirklichen Gestaltern der Zukunft hochstili- siert wird, stimmt das skeptisch. Das mag ja auf einige zutreffen, eben gerade jene, die ihren Karriereweg erfolgreich gestartet haben und sich zum Beispiel in dieser Buchform äußern kön- nen. Aus all jenen DDR-Jahrgängen aber quasi die besseren Menschen mit einem besonderen Sinn für Freiheit und Toleranz zu machen, über- zeugt nicht. Und wenn den drei bekannten Mitgliedern des mörderischen »Nationalsozia- listischen Untergrunds« – sie sind/waren Jahr- gang 1973, 1975, 1977 – abgesprochen wird, Teil dieser Generation zu sein, weil sie sich nicht besonders tolerant zeigten, dann muss gefragt werden, ob es sich nicht eher um Fiktion und Wunschvorstellung denn eine Beschreibung des Vorgefundenen handelt. »Da war mir eindeutig zu viel ›Wir‹ dabei«, sagt Simone Unger, geboren 1982 in Gera, die andere beteiligte Regisseurin. Für drei Monate fungierte sie als Pressesprecherin bei »Dritte Generation Ost«, dann gingen ihr die Anrufungen des Kol- lektivs zu sehr auf die Nerven. »Neben der Gemeinsamkeit einer Umbruchserfahrung ist doch auch viel Disparates dabei, das mindes- tens genauso interessant ist.« Darum bleibt das Team inhaltlich auch im persönlichen Umkreis. Hanisch hat bei Gesprächen mit Wendekindern eine Art Hochstaplersyndrom ausgemacht: »Dieses Gefühl, jeder könne alles besser als ich. Und das scheint mir bei dieser Generation besonders verbreitet zu sein.« Dabei geht es nicht um Minderwertigkeitskomplexe, als der Unfä- higkeit, eigene Erfolge als solche auch zu reali- sieren. Um dem nachzugehen, plünderten die Schauspieler Sarah Arndtz und Thomas Deubel ihre Biografien, wuchteten Unger und Hanisch Unmengen von Texten zusammen, um hier wieder das meiste rauszustreichen. So entsteht ein Mosaik aus persönlichen Auseinanderset- zungen mit der gefühlten »Dritten Generation Ost« und der ebenso empfundenen eigenen Hochstapelei. Eine klassische Wendeerzählung soll dabei explizit nicht herauskommen, eher die Geschichte einer Hyper-Adaption. »Man musste sich ja rasch zurechtfinden in der neuen Ordnung«, sagt Hanisch. »In dieser Erfahrung liegt aber auch Potenzial. Daraus haben einige auch die Haltung ›I prefer not to.‹ entwickelt.« »Wir brauchen noch einen Übergang vom Tanzen zum Kinderzimmer.« Beim Probenbe- such im August ist alles noch etwas chaotisch. Unterm Dach im Haus Steinstraße stehen die Spieler gerade am Beginn ihres Puzzles über Matchboxkisten und Alf-Schlüsselanhänger, Imperialismus in der Deutschstunde, die »BMX- Bande« und Langnese-Schöller-ELMI-Eis. Unweigerlich ploppt dabei auch die Frage auf, was alles wirklich typisch Ost oder typisch achtziger Jahre ist – oder nur Teil der Normal- biografie eines Heranwachsenden. TOBIAS PRÜWER ▶ Premiere: 9.11., 20 Uhr, 15., 17.11., 20 Uhr, 16.11., 19 Uhr, naTo Wie die Lemminge? Jungpioniere. Und welcher Appell ist heute angesagt? Wir eisernen Zonenkinder? Darfs ein Label mehr sein? Eine Theatergruppe befragt die »3. Generation Ost« »Da war mir eindeutig zu viel ›Wir‹ dabei« christianhanisch

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