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kreuzer_11_2014

Mini-Moschee in der Warteschleife: Um den geplanten Bau der Moschee in Gohlis hat sich eine seltsame Ruhe ausgebreitet

019 Politik1114 Termine 084 Kunst 072 Literatur 068 Theater 058 Musik 048 Spiel 046 Film 038 Normalerweise lädt Leipzigs Baubürgermeis- terin Dorothee Dubrau nicht zu einer Pressekonferenz, wenn es um einen Bauvoran- trag geht. Als normal kann allerdings auch nicht bezeichnet werden, was passierte, seit die Gemeinde Ahmadiyya Muslim Jamaat vor etwa einem Jahr ankündigte, eine Moschee in der Georg-Schumann-Straße bauen zu wollen. Und so haben sich vor einigen Wochen ein gutes Dutzend Journalisten unter der reich verzierten Decke des Neuen Rathauses versammelt, um zu hören, wie es um die geplante Moschee steht. Mit knappen Sätzen gab die parteilose Politike- rin bekannt, dass es ein erstes grünes Licht für den Bau der nach ihren Worten »winzigen« Moschee mit zwei Zierminaretten gibt. Nur bei den Parkplätzen muss aus Sicht der Stadtver- waltung nachgearbeitet werden. Schön wäre laut Dubrau auch, wenn das für eine Grundfläche von 170 Quadratmetern ausgelegte Gebäude noch etwas größer werden könnte – damit sich die Moschee besser an die umliegenden Häuser anpasst. Um das Baugrundstück in Gohlis scheint es in den vergangenen Monaten ruhig geworden zu sein, trotz des zwischenzeitlichen Wahlkampf- getöses der Rechten. Unberührt ist es im Som- mer immer weiter zugewachsen, ein Trampel- pfad zieht sich über das Gelände. Während an anderen Gebäuden in der Straße fleißig gearbei- tet wird, hat sich dort noch nichts getan. Die Straßenbahn rauscht wie eh und je an den Bäu- men vorbei, meist wird das Grundstück von Passanten nicht beachtet. Äußerlich erinnert nichts mehr daran, dass dort vor einem Jahr blutige Schweineköpfe auf Pfähle aufgespießt wurden. Auch hallen keine rassistischen Paro- len mehr von Demonstrationen auf der gegenü- berliegenden Straßenseite. Doch die Ruhe ist trügerisch. Nach der Nach- richt über den positiven Bauvorbescheid witterte die NPD gleich eine Verschwörung – kam sie doch genau zwei Tage nach der Landtagswahl an die Öffentlichkeit. Die Rechtsextremen kündig- ten an, ihren Widerstand zu verschärfen. Auch auf der Facebook-Seite der mit der NPD verbun- denen »Bürgerinitiative Gohlis sagt Nein!« wird weiter gegen das Projekt gehetzt. Der Bau der Moschee hängt derweil noch in der Warteschleife. Erst müssten nach Angaben der Stadt nicht näher benannte Einsprüche gegen den Bauvor- antrag ausgeräumt werden, dann will die Gemeinde noch einen Architekturwettbewerb durchführen. Mit einem Spatenstich rechnet niemand vor Sommer 2015. Es erscheint seltsam, dass sich die Gemeinde mit den Bauformalien nun so viel Zeit lässt. Vor einem Jahr war noch nicht von einem Architek- turwettbewerb die Rede, es deutete viel auf eine schnelle Errichtung der Moschee hin. Für die Ahmadiyya-Gemeinde sei so ein Wettbewerbs- verfahren auch neu, sagt der Bundesvorsitzende Abdullah Uwe Wagishauser. Die Gemeinde befinde sich da in enger Absprache mit der Stadt. Dass es mit dem Bau nicht mehr eilig erscheine, liege an den Protesten. »Wenn es keine Wider- stände gibt, geht es schnell; dagegen können Widerstände den Prozess erheblich verlangsa- men«, erklärt der Bundesvorsitzende. Widerstände gab es zuhauf, die Polizei zählte etliche Straftaten und andere Vorfälle rund um den geplanten Bau. Dazu gehört auch die ver- suchte Übergabe einer Petition gegen das Vor- haben an Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD). Ein Vertreter der »Bürgerinitiative« drang in die Ratsversammlung ein und wollte Jung die Unterschriftensammlung persönlich auf den Tisch legen. Dieser lehnte ab, von Rechtsextre- men nehme er keine Petitionen entgegen, hieß es. Den bislang letzten Vorfall verzeichnete die Polizei im August auf dem Baugrundstück, etwa 20 Personen »vermutlich rechter Gesinnung« hätten sich spontan versammelt, sagt Polizei- sprecher Andreas Loepki. Einer trug einen Schweinekopf aus Plüsch, die anderen tanzten mit Fackeln um ihn herum. Von Normalität ist also weiter keine Spur. Doch wenigstens gibt es, abgesehen von den Rechts- extremen, andere Menschen, die einen Blick auf den Moscheebau haben. Einer davon ist der 27 Jahre alte Martin Meißner, Mitbegründer der Vereinigung »Dialoge für Gohlis« und Initiator einer Pro-Moschee-Petition. Er verfolgt die Dis- kussion seit ihrem Beginn, hat auch die Verän- derungen in der Debatte miterlebt. Die Argu- mente seien immer abstruser geworden, meint Meißner. Ging es anfangs noch um Parkplätze, sei nur noch »Alle Muslime sind Terroristen« und »Wir dürfen bei denen auch keine Kirchen bauen« übrig geblieben, sagt der Azubi. Meißner ist ein engagierter Mensch, der gerne einmal zu schnell spricht und mit den Beinen wippt, wenn er erzählt. Als die ersten Proteste aufflammten, sei er »ob der Dummheit und dem Hass« richtig wütend geworden. Zuerst verfasste er einen offenen Brief, dann initiierte er die Petition. Bei der Übergabe dankte ihm Oberbürgermeister Jung explizit für sein Engagement. Dass der Moscheebau in der Öffentlichkeit derzeit nur wenig für Aufsehen sorgt, führt Meißner auch auf die Asyldebatte zurück. Die steigenden Flüchtlingszahlen hätten den Pro- test gegen die Moschee praktisch überlagert, auch »Dialoge für Gohlis« bereite sich derzeit in erster Linie auf die geplante Erstaufnahmeein- richtung im Stadtteil vor. Für Meißner heißt das aber nicht, dass der Protest gegen die Moschee vorbei ist. Es werde immer Menschen geben, die jemanden zum Hassen brauchen, die Angst vor »den Anderen« haben, sagt er. Ob er damit rechne, dass es wieder zu heftigen Auseinan- dersetzungen kommt, wenn der Bau tatsächlich beginnt? »Ich halte es nicht nur für möglich, sondern gehe fest davon aus«, sagt Meißner mit Nachdruck. LUISE POSCHMANN Mini-Moschee in der Warteschleife swenreichhold Trügerische Ruhe: Baugrundstück für die Moschee in der Georg-Schumann-Straße Um den geplanten Bau der Moschee in Gohlis hat sich eine seltsame Ruhe ausgebreitet »Der Protest gegen die Moschee ist nicht vorbei«

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