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kreuzer_12_2014

Mediation gescheitert: Der Konflikt um die Entmietung der Holbeinstraße 28a hält an

013 Kreuzfahrt1214 Termine 084 Kunst 066 Literatur 062 Theater 050 Musik 040 Spiel 038 Film 032 Der Heizöl-Tank ist leer, im November. Schon wieder. Dabei wurde er gerade erst befüllt. Warum er schon wieder leer ist? Zu wenig nach- gefüllt, berichten die Bewohner der Leipziger Holbeinstraße 28a. Es sei ja unklar, wie lange das Haus überhaupt noch bewohnt ist, da lohne es sich nicht vollzutanken, sagt Jörg Zochert. Der Mann ist Sprecher der Immobilienfirma KSW, der Eigentümerin des Hauses. Für die Bewohner ist die Sache mit dem Heizöl eine repressive Maßnahme, die sich in andere Vorfälle im Haus einreiht (siehe kreuzer 03/2014). Für Zochert ist das die ökonomisch logische Konsequenz daraus, dass das Haus sowieso im nächsten Jahr leer stehen wird. Dabei beruft er sich auf baurechtliche Urteile, nach denen das Haus aus Brandschutzgründen bis Januar geräumt sein muss. An der Situation rund um die Elster-Werke hat sich seit Beginn des Konfliktes vor einem Jahr kaum etwas geändert: Die KSW kaufte das Objekt und möchte es sanieren. Die jetzigen Mieter stören dabei nur, sollen also raus. Einziehen kön- nen sie ja danach wieder. Der Haken an der Sache: Der Quadratmeterpreis soll sich etwa ver- dreifachen, denn sonst lohne sich die Sanierung wirtschaftlich nicht, erklärt Zochert. Es entste- hen Wohnungen direkt an der Weißen Elster für Besserverdiener. Da passen die jetzigen Bewoh- ner, die überwiegend in der freien Kulturszene arbeiten, nicht rein. Aber sie wollen bleiben und fordern ein Recht auf den günstigen Wohn- raum, den sie schon seit 15 Jahren bewohnen. Zwei Parteien eines Paradebeispiels der Gentri- fizierung: Auf der einen Seite die Immobilien- firma, die sanieren will, um teurer zu vermieten. Auf der anderen die kreativen Bewohner, die sich die Wohnungen einst hergerichtet haben und ihren günstigen Wohnraum, aber auch die Hausgemeinschaft, nicht verlieren wollen. Ihnen geht es »um einen respektlosen Markt und um schwindende Freiräume für eine Gesell- schaft, in der das soziale Individuum mehr gefordert ist als je zuvor«, wie Bewohnerin Angela erläutert. Um diesen Konflikt zu lösen, hat die Stadt Leipzig eine Mediation veranlasst. Das bislang letzte Treffen war im August. Interne Details einer Mediation dürfen aus rechtlichen Gründen nicht preisgegeben werden, aber so viel steht fest: Nach einer Einigung klingt das, was die beiden Widersacher schildern, nicht. Bereit für die Mediation waren beide Seiten. Sie erhofften sich eine gemeinsame Lösung, die ohne juris- tische Auseinandersetzungen vonstattengeht. Eine Idee der Bewohner: Sie wollen ein Stock- werk zur Verfügung gestellt bekommen. Der Vorschlag der KSW: Auf der Etage soll außer der notwendigen Sanierung innerhalb der Woh- nungen nichts gemacht werden. Ein Rohbau also, den sich die jetzigen Mieter dann nach Gefallen ausbauen könnten. Kostenpunkt: 7,50 Euro pro Quadratmeter. Jörg Zochert sieht das als Entge- genkommen, der Preis sei für eine frisch sanierte Wohnung in der Lage normal. »Wenn wir so viel Geld investieren, müssen wir es auch über die Miete wieder refinanzieren.« Für die Bewohner jedoch gleicht das Angebot einer Farce. Sie schätzen ihren finanziellen Auf- wand in einem solchen Fall auf etwa 400 Euro pro Quadratmeter. Wände einziehen, Wasser, Heizung, Strom verlegen, Türen, Fußboden. Für 7,50 Euro kalt. Der aktuelle Mietpreisdurch- schnitt für Schleußig liegt bei 5,50 bis 6,50 Euro. »Warum muss man ständig den Weg für Leute frei machen, die nur das Geld auf den Tisch legen?«, fragt Mirko, ein Mieter der sieben noch übrig gebliebenen Mietparteien. Für Zochert ist »diese Gentrifizierungsdebatte Quatsch«, das sei schon noch ein »Wonderland« hier. Die Bewoh- ner hätten nicht einmal die Eier in der Hose gehabt, sich auf die Suche nach eigenen Projekten zu machen, sagt er. Er sei ja schließlich nicht der »KSW-Ökoonkel«. Dass es den Bewohnern dabei aber um viel grundsätzlichere Dinge geht, davon spricht er nicht. »Wir müssen aus dem Stadtteil raus, weil wir nicht mehr in die Einkommensregion passen«, sagt Bewohnerin Ariane. »Natürlich würden wir mehr Geld für eine Sanierung zahlen, aber nur, wenn es eine Sanierung mit uns gibt und nicht gegen uns.« Der Wunsch für die Mediation sei dabei gewesen, dass die KSW das Hausprojekt und die Gemein- schaft anerkennen. Zochert sichert zu, dass die Eigentümerin »einen finanziellen Beitrag leis- ten und logistisch unterstützen« könne, etwa mittels Baustofflieferungen. Doch der Rest müsse von den Bewohnern kommen. Eine erfolg- reiche Schlichtung sieht anders aus. Was nun passieren wird, ist unklar. »Am Ende geht es wie immer ums Geld«, ist sich Zochert sicher. SARAH ULRICH Mediation gescheitert Der Konflikt um die Entmietung der Holbeinstraße 28a hält an Passen nicht mehr in die Einkommensregion: Mieter der Holbeinstraße ein erbärmliches Versagen dar, jegliche Form von Kontrolle oder Aufsicht über die Geschäfts- führer wahrzunehmen.«  Es sind ausgerechnet zwei Frauen, die in dem Urteil am besten wegkommen. Beide behielten klaren Kopf, scheiterten aber an der Macho-Kul- tur in ihrem Umfeld. Die eine, Jeanne Short, arbeitete für die Kreditabteilung von UBS Europe und legte ihr Veto gegen Wettgeschäfte mit der KWL ein, weil sie diese als zu riskant für ein kommunales Unternehmen mittlerer Größe ansah. Der Banker, der den Deal um jeden Preis wollte, umging sie einfach und ließ seine Bezie- hungen in die Chefetage spielen, wo man seine Gier nach marg enträchtigen Abschlüssen mit Leipzig und später mit anderen Kommunen in Europa teilte. Die andere, Bettina Kudla, war damals Finanzbürgermeisterin in Leipzig. Die CDU-Politikerin entdeckte Hinweise auf bis dahin unbekannte Finanzgeschäfte der Wasser- werke und hakte nach. Doch die Geschäftsführer blockten ihre Fragen ab und auch bei der Ver- waltungsspitze fand sie kein Gehör.  Die Berufung, die von der UBS angekündigt wurde, braucht Leipzig kaum zu fürchten. Die rechtlichen Hürden dafür sind in Großbritan- nien ohnehin hoch, angesichts der Gründlichkeit des Urteils scheinen sie unüberwindbar. Doch trotz des »klaren Auswärtssieges in Lon- don«, wie Oberbürgermeister Burkhard Jung in seiner E-Mail an die Stadträte jubelte, konnte sich die Stadt nicht völlig schadlos halten. Die Rückabwicklungs- und die Anwaltskosten, die Leipzig auch nach dem Sieg vor Gericht zu über- nehmen hat, dürften sich am Ende auf wenigstens 50 Millionen Euro summieren. Die profitablen Kommunalbetriebe Perdata (IT-Dienstleister) und HL Komm (Telekommunikationsdienstlei- ster) sind komplett privatisiert worden, weil die Landesdirektion verlangt hatte, dass die Stadt- holding LVV Unternehmen verkauft, um die Erlöse für den Schadensfall anzusparen. Zwar konnten auf diese Weise 68 Millionen Euro angelegt werden, die jetzt vor allem in den Schul- denabbau der LVV fließen werden, doch lang- fristig fehlen zwei kleinere, aber zuverlässige Gewinnbringer im kommunalen Unterneh- mensverbund. Die bittere Ironie des Londoner Urteils besteht darin, dass Leipzig nun wieder um ein Crossborder-Leasing-Geschäft der Wasser- werke bangen muss. 2003 hatte die KWL ihr Trinkwassernetz an einen US-Investor »verleast«. 2033 läuft der Vertrag aus, dann kann die Stadt die Anlagen zurückkaufen. Bis dahin muss sich die dafür bestimmte Anleihe des US-Konzerns MBIA auf 250 Millionen Dollar (entspricht der- zeit 200 Millionen Euro) aufzinsen, ansonsten zahlt Leipzig drauf. MBIA geriet mit der Finanz- krise ins Trudeln, die Anleihe gilt seither als gefährdet. Selbst ein Totalausfall ist nicht unwahrscheinlich. In dem Finanzwettenpaket, das vom Gericht retour an die UBS ging, war neben vielem Schrott auch ein Edelstein verpackt: eine Versicherung für die MBIA-Anleihe. Diese ist nun mit dem Urteil, das sämtliche Verträge für ungültig erklärt hat, ebenfalls weg. Eine neue Absicherung wäre unbezahlbar; Leipzig kann bis auf Weiteres nur für MBIA beten. Der Ausflug der Stadt ins globale Zockerstadl, einst als unglaublich clevere Geldbeschaffungsmaß- nahme gestartet, ist noch längst nicht vorbei. NiklasJ.Hoffmann

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