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kreuzer_12_2014

Fels in der Brandung: Der Plagwitzer Felsenkeller soll wiederbelebt werden

028 Magazin 1214 Film 032 Spiel 038 Musik 040 Theater 050 Literatur 062 Kunst 066 Termine 084 Dies ist eine jener Geschichten, in der sehr gern Märchenmotive verhandelt werden. Begriffe wie »Dornröschenschlaf« oder »wach- geküsst« dürfen dabei nicht fehlen, obwohl es sich doch schlicht und einfach um die Nutzung eines Gebäudes handelt. Die Geschichte des Plagwitzer Felsenkellers, von der nun die Rede sein soll, stammt nicht aus den Büchern der Gebrüder Grimm, sondern wird von Eigentums- verhältnissen bestimmt. Es war einmal ein hübsches Dorf namens Plag- witz, das lange, bevor Karl Heine es ab Mitte des 19. Jahrhunderts in Beschlag nahm, ein kleines Paradies für Müßiggänger darstellte. Die Natur erschien im Rahmen ihrer Möglichkeiten idyl- lisch. Das Bier kostete viel weniger als in Leipzig. Erst mit der Landgemeindeordnung 1838 und der sächsischen Agrarreform änderte sich dieser Zustand. Jetzt konnten hier in Plagwitz auch Industrie und Gewerbe großräumig Fuß fassen. So wie die Natur zusehends verschwand, wuchs die Zahl der Fabriken und der Orte für den Bier- genuss. Aus einem Ausflugsort entwickelte sich ein industrielles Ballungsgebiet, das seit 1891 zur Stadt Leipzig gehört. Die Einwohnerzahl stieg rasant. Lebten 1852 in Plagwitz 337 Menschen, so waren es 30 Jahre später bereits 6.963. Es war einmal ein geschäftstüchtiger Bier- brauer namens Carl Wilhelm Naumann. Der profitierte sowohl vom Ausflugsort als auch von der Industrialisierung. Er hatte zuvor Bau- land am Ranstädter Steinweg erworben und errichtete dort die 2005 abgerissene Kleine Fun- kenburg mit Brauerei samt Ausschank. Um das Bier gut gekühlt bis zur Vollendung lagern zu können, kaufte Naumann 1842 das Böhmesche Gut an der heutigen Zschocherschen Straße zur Errichtung eines Kellergewölbes. Darauf eröffnete er 1844 die Gastwirtschaft Fel- senkeller mit der Begründung, »durch ein mög- lichst anständiges Etablissement dem gebildeten Publikum Gelegenheit zu bieten«, das Nau- mann’sche Bier mit Blick auf die Natur zu genie- ßen. 1974 wurde der Felsenkeller in 160.000 Arbeitsstunden zum Jugendclub »Victor Jara« ausgebaut. Von Heine kaufte Naumann 1857 ein Stück Land an der Zschocherschen Straße, um die Brauerei aus der eng bebauten Stadt zu verlegen. Versuche, dort – wo sich heute Lidl befindet – Hopfen anzubauen, scheiterten. Dagegen wuchs und gedieh die Brauerei vorzüglich. Nach Nau- manns Tod 1876 übernahmen die Söhne das Geschäft. Mit dem Bau des neuen Felsenkellers an der Ecke Karl-Heine-Straße/Zschochersche Straße setzten 1889/90 die Architekten Schmidt und Johlige der Naumann’schen Brauerei ein Denkmal – und das in vielerlei Hinsicht. Der neobarocke Bau steht nicht nur an einer für Leipziger Verhältnisse exponiert hohen Lage, sondern gab dem Gebiet der rasenden Industri- alisierung ein klein wenig das verlorene Paradies zurück, da er mit Saal, Gaststätten und Biergarten einen wohligen Ort des Schlaraffenlebens erzeugte. Die Ausgestaltung war üppig und über dem Eingang thront bis heute das Logo der Brauerei gleich einem Königswappen. Der Felsenkeller befand sich damals an der Grenze zwischen zwei Welten. Er markiert auf der Karl-Heine-Straße den Graben zwischen Villen und gutbürgerlichen geräumigen Woh- nungen. Nah am Park lebten die Unternehmer und höheren Angestellten. An der Kreuzung Karl-Heine- und Zschochersche Straße wurde es lauter, enger und ungemütlicher. Die Straße bis zum Bahnhof Plagwitz prägten neben dem Kaufhaus Joske viele Kneipen und Läden. Die Gründerzeithäuser beherbergten schlichte Woh- nungen ohne Bäder. Dafür wurde die ehema- lige Leichenhalle auf dem Karl-Heine-Platz in eine öffentliche Brauseanstalt umgewandelt, Der Plagwitzer Felsenkeller soll nun wiederbelebt werden, seine Geschichte ist durchaus märchenhaft Fels in der Brandung stadtgeschichtlichesmuseum(2) Von Britt Schlehahn Schlaraffenleben und Arbeiterklasse: Der Felsenkeller 1930 und bei einer Veranstaltung der Arbeiter-Illustrierten

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