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kreuzer_06_2016 - CD-Rezensionen

Beyoncé; Die Heiterkeit; Garbage; Dellé; The Melvins; Stroe

052 Musik 0616 Film 036 Spiel 042 Theater 052 Literatur 066 Kunst 070 Termine 084 01 02 03 04 05 06 Platte des Monats 01 Beyoncé Lemonade Parkwood/Sony Music KKKKK R&B/Soul Eigentlich war die »Formation« eines Tonträgers zu erwarten, spätestens mit dem Pausenauftritt beim Super-Bowl. Nun also ein zweites DVD-CD-Set, ein Visual Album, wie Frau Know- les-Carter es nennt. Um den Gat- ten und dessen Eskapaden geht es – ob sie stimmen, sei dahinge- stellt (denn sie riechen verdammt nach Marketing, d. A.). Unabhän- gig davon gelingt es Beyoncé – bewusst bezopft – mit dem kon- zeptionellen Themasetzen des Fremdgehens, Hunderttausenden betrogenen Frauen aus der Seele zu sprechen. Ich bin doch eine von euch, und wenn mein Typ mich betrügt, fühle ich mich genauso beschissen wie ihr – so die unter- schwellige Botschaft an die Ave- rage-Jane, die einen nichtsnut- zigen Bama zu Hause im Trailer sitzen hat und ihn mit ihrem Job im Niedriglohnsektor auch noch durchfüttert: homemade »Lemo- nade« statt »Limo(usine)«. Die Musik dazu ist stilistisch gewagt: Lange Streicherflächen im Ope- ner, zusammengestrichener Off- Beat in »Hold up«, der ersten Single, die zart nach Future-Reg- gae greift, und verzerrter Gesang mit Jack White an der Seite – fast scheint es, als wolle Jay-Zs Frau auf Teufel komm raus keinen kommerziellen Hit haben. The Weeknd, James Blake, Kendrick Lamar – die anderen Kollabos stützen das. Dieses Visual Album ist ein wichtiges Statement der Künstlerin, die meist auf ihre Schönheit, stimmliche Perfektion und Hit-Performance reduziert wird. Von Feminismus und nach- haltigem politischen Statement ist sie weit weg, aber dafür wird weibliches Selbstbewusstsein wenigstens mal im R&B zelebriert, und nicht nur übers Körperliche im Rap. TORSTEN FUCHS 02 Die Heiterkeit Pop & Tod I+II Buback KKKKK Todespop Typischer Fall von: Die Lieblingsband enttäuscht mit dem neuen Album, früher war sie bes- ser. Oder doch nicht? Wir befinden uns »im Zwiespalt«, wie er auf dem neuen Album von Die Heiterkeit so herrlich besungen wird. Einerseits die Frage, wo denn die Schrammel- Gitarren geblieben sind, wo die Zei- ten, in denen man sich dem nächst- besten Dandy in die Arme warf, in denen alles so neu und aufregend war? Auf dem dritten Album der Hamburger Gruppe ist alles noch viel düsterer als auf »Monterey«, das Motto wohl: »Dunkelheit wird niemalszuLicht«.EsgibteinenMäd- chenchor, der ganze Lieder singt, Pianomelodien und die Bandbeset- zung wurde bis auf Songschreibe- rin Stella Sommer gänzlich ausge- tauscht. Ihre Stimme ist geblieben. Die schönste tiefe Stimme, seit Nico im Grunewald begraben wurde. Die Stimme, die sich Zeit lässt, wie sie heute eigentlich kein Mensch mehr hat. Die Texte, von denen man nicht weiß, was sie einem sagen wollen. Vielleicht wirklich nur: »Man ist immer allein.« Drei Schiffe gibts wegen des Zwiespalts. Lieblings- band bleiben sie, weil man am Ende sogar den Mädchenchor mit- singt: »Es wird in Ordnung sein.« JULIANE STREICH 03 Garbage Strange Little Birds Pias/Rough Trade KKKKK Alternative Rock Analog ist bes- ser – mehr als zwanzig Jahre nach Erfindung des Alternative Rocks setzen Garbage auf ihrem sechsten Album »Strange Little Birds« auf die handgemachten Gitarrenriffs und Schlagzeugarbeit, mit denen sie in den 1990ern so erfolgreich waren. Vor allem die ersten Songs knüp- fen nahtlos an das Altbekannte an. Etwas melodiöser vielleicht, wie bei »Blackout«.Interessanterwirdesim Mittelteil von »Strange Little Birds«, wenn Shirley Manson ihre wandel- bare Stimme in Dynamikwechseln ausspielen kann und nicht gegen Gitarren- und Schlagzeugwände an­ kämpfen muss. Denn dass sie dabei die Oberhand behält, wissen wir. Überraschender ist die sou- ligere Seite, die sie in poppigeren und ruhigeren Stücken wie »Even though our love is doomed« oder »If I lost you« zeigt. Hier steht aus- ladender Gesang im Vordergrund, mal melodiös, mal flüsternd hau- chend. Die Songtitel geben auch die inhaltliche Richtung vor: Melancho- lisch-romantisch statt wie früher melancholisch-destruktiv. So sehr Garbage in den neunziger Jahren ein Genre (mit)definiert haben, was ihnen den Platz in Plattensammlun- gen und Rocklexika garantiert, so wenig können sie damit noch über- raschen. KERSTIN PETERMANN 04 Dellé NEO Virgin Records KKKKK Dancehall/Reggae Frank Dellé aus der Front-Row von Seeed mit dem zweiten Soloalbum, sieben Jahre nach »Before I grow old«. Schwie- rigkeiten einer zweiten LP spielen keine Rolle, denn zunächst regiert Seeed’sches Party-Reggae-Wackeln den sommerlich-luftigen Dance- hall-Stomper »Tic Toc« feat. Gentle- man und den Opener »Teach me«. »NEO« sei wie ein Tagebuch der letz- tenJahre,sagtderFamilienvater,der sich neben dem Rockstar-Dasein bei den Dancehall-Caballeros auch mit spießigem Alltagsgenerve wie einer pleitegegangenen Baufirma plagen musste. Dellé ist dabei souverän im Hintergründigen und Nachdenkli- chen: Er prangert den Missbrauch der Weltreligionen durch Terroris- ten an (»Light your fire«) und pro- jiziert die Sorgen vor der Geburt seines Sohnes auf einen Begriff, der ihm wohl bei der Schwanger- schaftsvorsorge unterkam (»Triso- mie 21«). Bei allem Tiefgang aber überwiegt eine optimistisch-gelas- sene Grundstimmung – immerhin steht der Hochsommer vor der Tür, das nächste Seeed-Album kommt so sicher wie das B dick ist und mit dem Richtfest fürs Eigenheim (vermutlich in Übersee) klappts bestimmt noch. TORSTEN FUCHS 05 The Melvins Basses Loaded Ipecac Recordings/Pias KKKKK Rock’n’Bass Was soll man über eine Band Neues sagen, die seit 33 Jahren existiert, deren Geschichten – wie die, dass sie Kurt Cobain einst abge- lehnt haben – alle erzählt und deren Kommentare zur Frisur von Sänger Buzz Osborne – wie Tingeltangel- Bob – alle gemacht wurden? Neu auf dem 35. Album (über den Daumen gepeilt) ist tatsächlich die Anzahl der Bassisten: Sechs verschiedene haben an »Basses Loaded« mitge- wirkt. Für die Nerds: Steven Shane McDonald (Redd Kross), Krist Novo- selic (Nirvana), Jeff Pinkus (Butthole Surfers), Trevor Dunn (Mr. Bungle und Fantomas), Jared Warren (Big Business) und Dale Crover. Für alle anderen: Es ist wieder der Wahn- sinn. Da gibt es eine Version von »My bonnie is over the ocean«, die hier »Shaving Cream« heißt und vorrangig durch das Wort »Shit« geprägt ist. Da gibt es einen Chor, der »Take Me Out To The Ballgame« skandiert. Da gibt es »Beer Hippies« und »War Pussys«. Da gibt es wie- der jede Menge krachende Gitarren. Und halt Bass. JULIANE STREICH ▶ 14.6., UT Connewitz 06 Stroe My Dear It’s Getting Morning Soon ThinkLoud KKKKK Entspannungsbeats Ein Tag hat 24 Stunden. Und obwohl sich das tag- täglich wiederholt, ist doch jeder Tag anders. Das ist bekannt, also genug der Weisheiten. Kommen wir zu etwas Neuem: dem Album »My Dear It’s Getting Morning Soon« von Stroe. Das ist allerdings ein guter Begleiter durch den Tag. Es erzählt von Waldspaziergängen und von Regentagen, von dunkler Nacht und von aufgehender Sonne. Und klingt dabei wunderbar entspannt. Dabei hat Stroe höchstwahrschein- lich einen eher stressigen Alltag, ist er doch Mitbegründer des Labels Thinkloud (s. kreuzer 04/16) und umtriebigerProduzentundBeatma- ker. Obwohl das Album von Hiphop, 010203040506

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