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kreuzer_06_2016

Die Theaterkolumne: naTo, neulich; Godzillas Euter: Bodytalk knüpfen sich den Atom-Komplex vor; Drei Ankündigungen

062 Theater 0616 Film 036 Spiel 042 Musik 044 Literatur 066 Kunst 070 Termine 084 Mit »Arabella« gesellt sich eine weiterer Strauss ins Opernrepertoire. Die Inszenie- rung um die starke Frauengestalt besorgt Jan Schmidt-Garre. Ein ruinierter, glücksspielsüch- tiger Graf setzt auf sein letztes Pferd, ähm Trumpf: seine wunderschöne Tochter Arabella. Für sie will er eine gute Partie gewinnen. Doch da will sie nicht mitspielen, hat ganz andere Vorstellungen vom Richtigen. Lyrische Komödie zwischen Walzerklängen und feinen Melodien. TPR ▶ 18.6., 19 Uhr, 26.6., 15 Uhr, Oper Was Dramaturgen eigentlich so machen, ist eine oft gestellte Frage. Beim »Intro«- Festival kann man sie direkt adressieren oder einfach zuschauen, was in den Köpfen der HMT- Dramaturgiestudis so herumspukt. Ein neun- tägiges Festival hat die studentische Initiative auf die Beine gestellt, um frische Perspektiven auf die Theaterkunst zu zeigen. Viele unge- wöhnliche Orte werden bespielt und freilich gibts ein Rahmenprogramm. »Party hard!« kommt nicht zu kurz. TPR ▶ 18.–26.6., www.intro-festival.de Dieses Theater spaziert in den Park und die Fußgängerzone. Auch bei den 10. Straßen- theatertagen verwandeln sich Passanten in Publikum, wird dem Alltag die rote Nase aufge- setzt und die Routine durchgeschüttelt. Ver- schiedene Akteure spielen auf und schütteln Skurriles oder auch mal Sand aus dem Ärmel: Gaukelei und Clownerie, Akrobatik und Jong- lage, Pantomime und Stegreif. Und das bei freiem Eintritt – nur der Hut geht rum. Kann Theater ehrlicher sein? TPR ▶ 9.–12.6., Innenstadt und Clara-Park, www.knalltheater.de Strauss Kopf Sand Bodytalk knöpfen sich den Atom-Komplex vor Godzillas Euter Godzilla ist Fukushima«: Rolf Baumgart erklärt beim freien, aber stimmigen Asso- ziieren, wie sich die Compagnie Bodytalk ihrem neuen Thema annähert. »Wie bringt man die zwei Bewegungen, gegen Atomkraft zu sein und lokales Essen zu fördern, zusammen?« Baum­ gart, gemeinsam mit Yoshiko Waki künstle- rischer Bodytalk-Kopf, zufolge soll japanische Kost aus der Fukushima-Region in Leipzig zum biregionalen Gericht zubereitet und verköstigt werden. »Was macht das mit uns?« Bodytalk sind in Leipzig seit ihrer Produktion »Zig Leiber – Oi Division« 2010 eine feste Spiel- plangröße. Ihr künstlerisch verdichtetes, immer politisches Tanztheater zeichnet sich durch kompromisslose Körperlichkeit aus. Sehr physisch wird auch ihre Auseinanderset- zung mit der Kernkraft ausfallen, nur wie, das war beim Probenstand zum Telefoninterview noch nicht ganz klar. Verstrahlte Kühe – dem Verwertungsprozess entzogene »Kuhzillas« –, Plastiksäcke als End­ lager mit fixer Zerfallszeit: das japanische ­Gorleben und Pink Floyd. »Atom Heart Mother« nennt Baumgart das »schlechte Album« der Engländer. Aber immerhin ist eine Kuh drauf und der Titel wurde für die Produktion über- nommen. Und Godzilla wird auch mitmischen. Er kommt aus dem Meer wie die Fukushima- Katastrophe, löst Beben und ähnliche Schrecken aus. Die Idee zum Filmmonster lieferte außer- dem Strahlenmaterial: Die Atombombenab- würfe auf Hiroshima und Nagasaki sowie das Fischerboot »Glücklicher Drache V«, das in ein Atomwaffentestgebiet geriet, gelten als Inspi- rationsquelle. »Godzilla ist Fukushima«. TOBIAS PRÜWER ▶ »Atomheartmother«: 17.6. (Premiere), 18./19.6., 20 Uhr, Lofft Fügt dem Land, dem Meer und den Bäumen keinen Schaden zu JenniferPeterson Das darf diesen Tisch nicht verlassen!« tönt man besser nicht laut in die naTo hinein, nachdem man sich quasi öffentlich über seinen öffentlich bestellten Chef lustig gemacht hat. Es ist eine unglück- liche Situation, ohne es selbst zu merken, im Rücken eines Theaterkritikers über den eigenen Intendanten zu lästern. Aber die vier Theater- macher vom Schauspiel, denen dieses Missge- schick unterlief, können sich glücklich schätzen. Ich werde hier nicht weitergeben, was sie an den Proben zu »Die Schutzflehenden/Die Schutz- befohlenen« auszusetzen hatten und welche Änderungsvorschläge sie Enrico Lübbe noch gern angedeihen ließen. Das löst das Kollektiv bes- ser kollektiv. Vielleicht redet man einfach mal miteinander, statt in Hoffnungen auf die Burg- theateranstellung zu schwelgen? Schon klar, nicht jeder hat den Job oder Chef seiner Träume oder lebt dort, wo es ihr gefällt. Man nennt das Schicksal. In den klassischen Stücken pfeifen solche Figuren aufs Fatum und brechen aus den Verhältnissen aus oder scheitern beim Versuch. Aber das sind auch nur Theater- märchen. Und nur ein unzeitgemäßer Betrachter wie Nietzsche kann im Scheitern frohlocken: »Versuche es nur einmal, den Sinn deines Daseins … zu rechtfertigen, dadurch, daß du dir selber einen Zweck […] vorsetzt […] Gehe nur an ihm zugrunde – ich weiß keinen besseren Lebens- zweck, als am Großen und Unmöglichen […] zugrunde zu gehen.« Nicht jeder will dieses Pathos leben, das ist absolut verständlich. Aber warum will einer dann Schauspieler werden, wenn der Bühnen- beruf ohne Berufung nicht gelingen kann, ebenso wenig ohne Wagnis – und sei’s nur, dass man auch mal beim Intendanten auf den Tisch haut? Ist das bei der Berufsberatung ähnlich schiefgelaufen wie damals, als das Jobcenter einen befreundeten Theaterwissenschaftler mal als Tänzer vermitteln wollte? Aber hier schieße ich wohl übers Ziel hinaus. Natürlich haben Schauspieler jedes Recht, auch jenseits der Arbeit über diese rumzufluchen. Ist schließlich trotz allem Schillern auch nur Maloche. War bloß kein günstiger Moment, kein Kairos in der naTo. Alles bleibt am Tisch, ver- sprochen. TOBIAS PRÜWER naTo, neulich Raucherpause

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