Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

Logbuch_2016

Jakob Hein: Kaltes Wasser; Tom Cooper: Das zerstörte Leben des Wes Trench

ROMANE | www.kreuzer-leipzig.de 35 www.klett-cotta.de Bürokratien organisieren Dummheit David Graeber, der bedeutendste Anthro- pologe unserer Zeit, entfaltet eine fulminante und längst überfällige Fundamentalkritik der globalen Büro- kratie. Er erforscht die Ursprünge unserer Sehnsucht nach Regularien und entlarvt ihre Bedeutung als Mittel zur Ausübung von Gewalt. »David Graebers Buch wirft eine große Frage auf: Müssen wir akzeptieren, dass Bürokratie notwendig ist?« Financial Times Aus dem Amerikanischen von Hans Freundl und Henning Dedekind 329 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag € 22,95 (D); ISBN 978-3-608-94752-6 ©MarijanMurat 4.4. Berlin 5.4. Göttingen 6.4. Frankfurt 7.4. Köln 8.4. Stuttgart 4.4. Berlin LESEREISE ANZEIGE Dass man einem Klappentext nicht unbe­ dingt trauen sollte, weiß man ja. Warum in diesem Fall aber der »gute alte Süden« der USA auferstehen soll, bleibt wirklich ein Rätsel. Immerhin erfährt der Leser so wenigstens, dass die Handlung im Mississippi­Delta spielt – der Autor verrät es nur scheibchenweise, geizt überhaupt mit Landschaftsbeschreibungen und wenn er sich einmal die Mühe macht, ist der Kitsch nicht weit: So leuchten die Positions­ lichter der Boote gleich wie eine Weihnachts­ dekoration. Selbst ein US­amerikanischer Leser dürfte, falls er nicht zufällig aus Louisiana kommt, über Wörter wie »Skiff«, »Cayou«, »Zy­ deco« oder »Barataria« stolpern, unsereiner bleibt erst recht ratlos. Der deutsche Übersetzer erklärt es uns auch nicht. Dabei zeigt er sich bei Wortneuschöpfungen als durchaus kreativ. So »pingt« die E­Mail, wenn sie im Briefkasten erscheint. Aus dem originalen Titel »The Marau­ ders« hat der deutsche Verlag »Das zerstörte Leben des Wes Trench« gemacht. Aber das ist auch egal, der Roman taugt so­ wieso nicht viel. Spätestens auf Seite 29 weiß der Leser, was auf den nächsten 355 Seiten folgt – nämlich die Beschreibung, dass Katastrophen wie der Wirbelsturm Katrina und die durch die Erdölförderung im Golf von Mexiko ruinierte Natur die Existenz von Menschen materiell, physisch und psychisch zerstören. Dass diese Menschen dann versuchen, auf irgendeine Weise zu überleben, überrascht wohl nieman­ den – auch nicht, dass ihre Träume von einem besseren Leben sich zumeist nicht erfüllen. Die abgehackte Episodenhaftigkeit des Gan­ zen erklärt sich wohl dadurch, dass Tom Cooper bislang ausschließlich Kurzgeschichten ge­ schrieben hat. BERND VOGEL ▶ Tom Cooper: Das zerstörte Leben des Wes Trench. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Peter Torberg. Berlin: Ullstein Verlag . 3 S.,  € Der gute alte Süden? Eher nicht: Tom Coopers »Das zerstörte Leben des Wes Trench« taugt nicht viel Friedrich Bender ist bereits in jungen Jahren ein begnadeter Geschichtenerzähler. Man­ cher würde ihn, etwas weniger wohlwollend, auch einen Lügner oder Hochstapler nennen. Doch wer derart kunstvoll zu fabulieren versteht, nötigt seinem Gegenüber zumindest Respekt vor dieser schrägen Begabung ab. Zumal sich Friedrich mit Leib und Seele in seine Fiktionen stürzt – wie schon als kleiner Junge ins titelge­ bende kalte Wasser. Als Kind der DDR erfindet er, was er braucht: spannende politische Umtriebe, mit denen er sein trockenes Agitatoren­Amt in der dritten Klasse aufpeppt. Später die erste Freundin, eine Punklady aus England. Dann kommt die Wende, und Friedrich stellt fest: Kapitalismus liegt ihm. Seine ersten Geschäfte macht er als Abiturient beim Handel mit Devisen, wobei es vor allem seine Geschichten sind, die ihm Er­ folg bei gutgläubigen Mitmenschen verschaf­ fen. Je nach Situation verwandelt er sich ge­ schmeidig vom Ossi zum Wessi und wieder zurück. Nicht minder gewandt bewältigt er sein Studium, praktisch ohne jemals einen Hörsaal zu betreten. Die große Welt und das große Geld scheinen ihm schließlich als Geschäftsinhaber einer Partnervermittlungsagentur zu Füßen zu liegen. Eine Weile sieht es so aus, als würden die Reichen und Berühmten ihn in ihrem Kreis auf­ nehmen. Doch es gibt Leute, die noch abgezock­ ter sind als Friedrich. Der Überflieger stürzt ab. Kurz und gut: Bender erweist sich seines gro­ ßen literarischen Vorbilds Felix Krull als durch­ aus würdig. So sehr, dass sich Leser nach allem ernsthaft fragt, ob die elegante Lüge nicht doch der plumpen Wahrheit vorzuziehen sei. ANDREA KATHRIN KRAUS ▶ Jakob Hein: Kaltes Wasser. Berlin: Verlag Galiani Berlin .  S., , €. »Kaltes Wasser« erscheint am .3. Felix Krulls Wiedergänger Kunstvolle Fabuliererei: Jakob Heins Roman »Kaltes Wasser«

Seitenübersicht