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Logbuch_2016

Christian Duda: Bonbon; Peter Goes: Die Zeitreise

www.kreuzer-leipzig.de | KINDER UND JUGEND 58 Bonbons sind fies. Zumal wenn sie gelbe Monsterbonbons sind und genau dann auftauchen, wenn das Sand­ männchen schon längst »Gute Nacht« gesagt hat und die Zähne geputzt sind. Doch das stört gelbe Monsterbonbons nicht. Und so zieht das Bonbon das kleine müde Mädchen ma­ gisch an und in einen Gedankenstrudel hinein. Und dieser Strudel zieht den Leser wiederum ins Buch und Seite für Seite tiefer in den Assoziati­ onsstrom der leidenden Protagonistin mit den zwei blonden Zöpfen, die selbst schon beginnen, auszusehen wie gelbe Bonbons. Soll sie die geputz­ ten Zähne vergessen und das Bonbon essen? Ra­ schelt die Hülle beim Auspacken? Hören Mama oder Papa das Rascheln? Und was, wenn die Bon­ bonmonster kommen und sich im Magen aus­ breiten und dort weiteressen. Ist das Bonbon auch müde? Das Bonbon und vor allem dessen Monster schei­ nen hellwach, derweil wird der Leser müde. Lesen sich die Gedanken der kleinen Bonbonfanatike­ rin doch wie ein nicht enden wollendes Hirnge­ spinst, das sich bevorzugt zur Schlafenszeit aus­ breitet und noch im Dunkeln vor geschlossenen Augen seine Kreise zieht – so sehr, dass nur noch Schäfchenzählen hilft. Im Fall von »Bonbon«, dem Bilderbuch von Julia Friese und Christian Duda, setzt Opas Gebiss dem Spuk ein Ende. Ein Spuk, der auch grafisch konsequent umgesetzt ist, kringeln sich die Sätze doch in großen Kreisen und kreuz und quer über die Seiten sowie um die kreative Bebilderung herum. Dabei überzeugt die freche Illustration von Julia Friese, einer Absolventin der Leipziger Hoch­ schule für Grafik und Buchkunst, mehr als der Text von Autor Christian Duda. Seine Wortkreati­ onen schwanken von genial (»alleinsam«) bis mäßig lustig (»aufnimmerwiederlutschen«) – manche Neuschöpfungen wirken gar wie der an­ gestrengte Versuch, sich einer infantilisierenden Kindersprache zu bedienen (»Doppelschimpf«, »Überärger«, »mit ohne Gebiss«). Dabei hat das Kinderbuch­Gespann Friese/Duda schon ganz anders vorgelegt. Etwa mit »Schwein sein«, einem Buch über die Beziehung zwischen Mensch und Tier. Als Hommage an die schwierigeren Phasen des Zu­Bett­Gehens und an die taumelig­lästigen Einschlafgedanken taugt das Buch aber allemal. Nur: Eigentlich sind Bonbons nicht fies, sondern eklig. Eine eklige, klebrige Zuckermasse, die sich – einmal im Mund – stets viel zu langsam auflöst. Weiß doch jedes Kind. THERESA EISELE ▶ Christian Duda/Julia Friese: Bonbon. Weinheim: Beltz und Gelberg . 3 S., , €, ab 3 J. Der Text zurückhaltend, die Grafik überquel­ lend: Dem niederländischen Illustrator Peter Goes ist mit »Zeitreise – Vom Urknall bis heute« ein großartiges Bilderbuch gelungen. Urknallstaub­ wolken, Wassermassen, Gebirgszüge, Tiere und Menschen wimmeln über die Seiten, so dass die beeindruckend detailreiche Gestaltung des Bu­ ches zu einem Sog wird, der den Leser in eine quick­ lebendige Vergangenheit zieht. Neben dem an­ regenden Detailreichtum besticht das Buch durch eine saubere Recherche, in naturwissenschaftli­ cher Hinsicht genauso wie in historisch­gesell­ schaftlicher. Goes beginnt seine Reise beim Urknall, um von hier aus die Leser förmlich von einer Seite zur nächsten zu spülen. Denn auf den doppelseitigen Illustrationen ist alles – wie im echten Leben – immer in Bewegung. Es wirbeln und krabbeln Einzeller, dann Dinos und Flugsaurier, bald Mam­ muts und Säuger über die Seiten, bevor im Ka­ pitel »Die ersten Menschen« unsere Vorfahren die Weltgeschichte betreten und in einer mit Eulen, Affen und Schneelandschaften bestückten Eiszeit auf Jagd gehen. Es tropft, wuselt, dampft, fliegt und wächst noch immer überall, wenn sich die Seiten zur mesopotamischen, ägyptischen und hellenischen Kultur öffnen. Erfreulicherweise schafft es Goes mit wenigen Worten, den größeren Zusammenhang zwischen den ersten Pfahlbauten in Europa und den klassi­ schen Kulturen herzustellen. Das Buch umfasst neben Darstellungen der ägyptischen oder römi­ schen Kultur auch Seiten über Weltbild und Le­ bensform der Kelten, Hunnen oder Wikinger. Das mittelalterliche Paris wird ergänzt durch zeit­ gleiche Lebensformen in den chinesischen Dy­ nastien, im Osmanischen Reich oder bei den Azteken. Doppelseiten zur Neuzeit sowie Auflis­ tungen der Dezennien des 20. Jahrhunderts und der ersten Jahre des zweiten Jahrtausends lassen den Leser die Realität der eigenen Gegenwart besser verstehen. Dieses Buch passt in die gegenwärtige Epoche, wo Zeit und Raum schrumpfen und im Alltag deutlich wird, dass Handlungen nicht im luftlee­ ren Raum stattfinden, sondern dass alles mit­ einander verbunden ist. In »Zeitreise« schafft der Autor das nicht nur über die minimalistischen Erläuterungen, die zum Nachfragen und selbst Nachforschen einladen, sondern eben auch gra­ fisch, indem er die Welt­ und Menschheitsge­ schichte so darstellt, dass sich alles, wenn auch auf einzelnen Seiten, doch in einem Zusammen­ hang abspielt. LAURA WÄGERLE ▶ Peter Goes: Die Zeitreise. Vom Urknall bis heute. Aus dem Niederländischen von Verena Kiefer. Weinheim: Beltz und Gelberg .  S., , €, ab  J. Ist das Bonbon auch müde? Christian Dudas Gedankenstrom einer Fünfjährigen über ein Bonbon Es tropft, wuselt, dampft und fliegt Wimmelndes Wuseln von gestern bis heute: Peter Goes’ »Die Zeitreise« »Gabriele Wohmann oder: Mein Psycho- analytiker sagt, ich solle mehr schreiben.« Hans Wollschläger über Gabriele Wohmann »Gabriele Wohmann oder: Mein Psycho- analytiker sagt, ich solle mehr schreiben.« Hans Wollschläger über Gabriele Wohmann

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