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Logbuch_2016

Ales Steger: Archiv der toten Seelen; Jo McMillan: Paradise Ost

| ROMANE Thriller, Groteske, Gesellschaftsroman, Stadt­ porträt? Irgendwie steckt von allem etwas in Aleš Štegers »Archiv der toten Seelen«. Mit seinem ersten Roman ist dem slowenischen Autor, der bislang vor allem als Lyriker hervorgetreten ist, eine ziemlich ungewöhnliche Geschichte und eine ebenso ungewöhnliche Form der Geschichts­ aufarbeitung gelungen. Dreh­ und Angelpunkt ist Maribor, das 2012 eu­ ropäische Kulturhauptstadt wurde. Mitten im Medienrummel und überdies zur Karnevalszeit reisen der aus Maribor stammende Dramaturg Adam Bely und die kubanisch­österreichische Journalistin Rosa Portero an – vorgeblich, um ein Porträt der Stadt zu erstellen, tatsächlich aber in geheimer Mission. Rosa und Adam sind nämlich nicht nur einer bösen Verschwörung auf der Spur, sondern auch als Seelenerlöser unterwegs. Ihre Werkzeuge: Hypnose, Wahrheitsserum, Lügende­ tektor, scientologisches Know­how und kleine Backerbsen, die es auf besondere Weise in sich haben. Klingt schräg? Ist es auch. Tatsächlich kann ei­ nem bei der Lektüre von Štegers Debütroman schwindlig werden. Dazu tragen nicht nur die spleenigen Protagonisten bei – allen voran das Duo Bely/Portero samt ihrer dubiosen Ermitt­ lungspraktiken –, sondern auch die Abgründe, die sich unter der Oberfläche der Kulturhauptstadt auftun. Denn Maribor hat, nicht zuletzt aufgrund seiner wechselvollen Geschichte, ziemlich viele Leichen im Keller. Wenn Bely und Portero das »Archiv der toten Seelen« öffnen, kommen nicht nur Korruption und Kulturkapitalismus des neuen Jahrtausends zum Vorschein, sondern auch ver­ gangene Verbrechen, die bislang in den anonymen Massengräbern unter der Stadt begraben waren. »Archiv der toten Seelen« ist ein Roman, der sich schwer in irgendeine Schublade stecken lässt Leichen im Keller Passt in keine Schublade: Aleš Štegers Roman »Archiv der toten Seelen« NEUES vom AltEN »You Get So Alone at Times That It Just Makes Sense« ist wohl der stärkste Gedicht- band aus Charles Bukowskis Spätwerk. Jetzt bei Maro in zwei Bänden lieferbar: Deutsche Erstveröffentlichung 2015: »Alle Reden zu viel« und neu aufgelegt »Roter Mercedes« von 1989 - restlos ver- griffen, wieder lieferbar ab März 2016. Beide Bände je 160 Seiten, je 16,80 € bei Ihrem Lieblingsbuchhändler. www. maroverlag.de Charles Bukowski MaroVerlag Roter Mercedes Und andere Gedichte »… wie kommts, dass Sie nichts gesagt haben?« fragte er mich. Ich zuckte mit den Schultern. MaroVerlagBUKOWSKI•RoterMercedes ANZEIGE Motherland« heißt der autobiografisch ge­ prägte Debütroman von Jo McMillan und bringt damit seinen Inhalt besser auf den Punkt als der deutsche Titel »Paradise Ost«. Das Mutter­ land, auf das sich die in den späten Siebzigern in einer englischen Kleinstadt heranwachsende Jess bezieht, ist – die DDR. Jess’ anfänglich überra­ schende Verehrung für Honecker und Co. kommt nicht von Ungefähr: Ihre Mutter Eleanor ist über­ zeugte Kommunistin und damit klare Außensei­ terin im Ort. Jess hat also ihre Überzeugungen mit der Muttermilch aufgesogen und versucht allwöchentlich unerschrocken, den verschmäh­ ten linksgerichteten Morning Star unter die Leute zu bringen. Über ein Sommerferienprogramm reisen Mut­ ter und Tochter in die DDR ein und lernen dort Peter und seine Tochter Martina kennen. Wäh­ rend sich Eleanor in den alleinerziehenden Vater verliebt, ist Jess glücklich in einem Land, das sie nicht zum Sonderling erklärt. Zurück im Ver­ einigten Königreich sehnen sich die beiden nach einer Zukunft im scheinbar paradiesischen Osten Deutschlands, doch nur eine von beiden wird schließlich dort heimisch werden – und dafür Opfer bringen. Jo McMillan erzählt in »Paradise Ost« vor allem die Geschichte einer (zu) engen Mutter­Tochter­ Beziehung. Beklemmende Züge erhält diese Sym­ biose durch die Erzählperspektive. Jess beobachtet ihre Mutter ununterbrochen, fühlt sich vollständig in sie ein und scheint nur durch sie zu leben. Ju­ gendliche Rebellion? Ist hier über weite Strecken Fehlanzeige. Doch gegen Ende der Geschichte bricht das ineinander verwachsene Gefüge end­ lich auf, und Jess beginnt, ihr eigenes Leben zu entdecken. Bizarr wirken heute die Szenen, die den hoch­ trabenden Polit­Slang der Zeit wiedergeben. Die Figuren bewegen sich wie Angehörige einer Sekte in den immer gleichen ideologischen Zirkeln, quasi ohne Frischluftzufuhr. So kann der Leser nachvollziehen, wie die bizarre Wahr­ nehmung der DDR als Sehnsuchtsort möglich war. ANDREA KATHRIN KRAUS ▶ Jo McMillan: Paradise Ost. Aus dem Englischen von Susanne Höbel. Berlin: Ullstein Verlag . 3 S.,  €, »Paradise Ost« erscheint am .3. Sehnsuchtsland DDR Beklemmend: Jo McMillans Debütroman »Paradise Ost«

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