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Logbuch_2016

Jan Böttcher: Y; Miha Mazzini: Deutsche Lotterie

www.kreuzer-leipzig.de | ROMANE 36 Melanie Arndt (Hg.) Politik und Gesellschaft nach Tschernobyl (Ost-)Europäische Perspektiven Lesungen zur Buchmesse Lesung mit Henning Sußebach: Die große Welt gleich nebenan Freitag, 18.3., 20Uhr Buchhandlung an der Thomaskirche Burgstraße 1-5, 04109 Leipzig Eintritt frei Podiumsgespräch mit Melanie Arndt, Jens Gieseke, Thomas Lin- denberger und Jürgen Trittin: Politik und Gesellschaft nach Tschernobyl Samstag, 19.3., 19.30Uhr Zeitgeschichtliches Forum Grimmaische Str. 6, 04109 Leipzig Eintritt frei ISBN978-3-86153-841-7 18,00€ ISBN978-3-86153-875-2 20,00€ ISBN978-3-86153-890-5 30,00€ Ch. Links Verlag Henning Sußebach Die große Welt gleich nebenan EXPEDITIONEN IN DEN DEUTSCHEN ALLTAG Reportagen Buchvorstellung mit Günther Wessel: Das schmutzige Geschäft mit der Antike Donnerstag, 17.3., 18.30Uhr GRASSI Museum für Völkerkunde Johannisplatz 5-11, 04103 Leipzig Eintritt: 4,-€, erm. 3,-€, mit Messekarte frei www.christoph-links-verlag.de ANZEIGE Der neue Roman des Berliner Autors Jan Böttcher ist nah dran an den Themen, die seine Leser in diesen Zeiten bewegen: Er handelt von Bürgerkrieg und Flucht, allerdings nicht in Sy­ rien, sondern im Süd­ osten Europas. »Y« beginnt in den neunziger Jahren, als der Krieg im ehemaligen Jugoslawien ausbricht und das kosovarische Mädchen Arjeta mit ihrer Fami­ lie nach Deutschland flüchtet. Sie kommt in die Klasse von Jakob Schütte, der sich in sie verliebt. Doch erst später, als junge Erwachsene, werden die beiden gegen die Vorbehalte der Eltern ein Paar. Als die Beziehung zerbricht, ist Arjeta schwan­ ger und geht mit ihrer Familie zurück in die Hei­ mat. Viele Jahre danach treffen der Ich­Erzähler, ein Berliner Schriftsteller, und Jakob Schütte, in­ zwischen Produzent von Computerspielen, auf­ einander, denn ihre halbwüchsigen Söhne ha­ ben sich unter etwas mysteriösen Umständen angefreundet. Böttcher erzählt von Faszination und Annähe­ rung, von Verliebtsein und Nähe ebenso wie von Entfremdung und Misstrauen. Dabei geht es längst nicht nur um das Liebespaar, auch die Beziehun­ gen zwischen den beiden Vätern und ihren Söh­ nen werden ausgelotet und wie unter einem Mik­ roskop auf feinste Risse hin untersucht. Der Leser lernt zudem ein Land nach der Zerstörung ken­ nen und erfährt die tiefe Verunsicherung, die ein Krieg bei allen Betroffenen hinterlässt. In einer solchen Situation steht nichts fest, nichts ist sicher – das Leben als ständiges Provisorium. »Y« zeigt die Unmöglichkeit für Menschen und Länder, sich unter solchen Bedingungen zum Positiven zu entwickeln. Solange Böttcher sich dem Inneren der Figuren und ihren Beziehungen zuwendet, ist seine Er­ zählung fesselnd. Das lässt leider spürbar nach, wenn er sich in langen Schilderungen von Jakob Schüttes Computerspiel oder Arjetas Kunstpro­ jekten verliert, und auch die Aufenthalte seiner Figuren im Kosovo wirken allem Beschreibungs­ aufwand zum Trotz seltsam unsinnlich und un­ verortet. Gegen Ende reißt Böttcher noch die Le­ bensgeschichte seines Ich­Erzählers an, und man bekommt den Eindruck: Wäre der Autor bei sich und ihm näherliegenden Themen geblieben, hätte er zwar ein anderes Buch geschrieben, dieses aber vielleicht an Überzeugungskraft gewonnen. ANDREA KATHRIN KRAUS ▶ Jan Böttcher: Y. Berlin: Aufbau Verlag .  S., , € Den Appeal eines Schreibschulen­Romans wird »Deutsche Lotterie« bis zur letzten Seite nicht los. Dabei ist Miha Mazzini ein gestan­ dener slowenischer Autor. Aber seine deutsche Erstveröffentlichung weist alle Allüren auf, mit denen ein Literaturinstitut­Erstling einem das Lesevergnügen typischerweise vergällt. Grund­ muster: Eine nette Idee, die zur Novelle oder zum Theaterstück taugt, wird als Roman ausgerollt. Ein intellektuell eher schlichter junger Mann arbeitet im Jugoslawien der frühen Nachkriegs­ zeit als Dorfpostbote. In der reiferen Zora findet er beim Verheddern in der Wäscheleine seine Amour fou, der zuliebe er in die »Deutsche Lotte­ rie« ihres Ehemannes einsteigt: einem angeblich von Stuttgart aus agie­ renden Wiedergutma­ chungsunternehmen der Bundesregierung, das Lebensmittelkarten und Geld als Kriegs­ schuldeingeständnis an Bedürftige verteilt. Der Briefträger organisiert die praktische postalische Arbeit. Bald stellt der Idealist fest, dass handfeste materielle Interessen dahinterstecken und Zora so reinen Herzens nicht ist. Er heiratet sie dennoch, wie er seinem Enkel berichtet. Denn Mazzini hat die schrullige Gaunerei nicht einfach aufgeschrieben, sondern schildert sie in der historischen Rückschau mündlich dem namenlosen Nachgeborenen. Das führt zu einer gewissen Langatmigkeit, weil der Monolog ständig durch Anspielungen auf Ereig­ nisse der Gegenwart und Erwähnungen irgend­ welcher Formulare unterbrochen wird. Der Fern­ seher wird abgemeldet – geht der Erzähler ins Altersheim? –, früher waren Uniformen wichti­ ger. Und so weiter. Das soll dem Roman einen re­ alistischen Rahmen geben, bläht ihn aber nur un­ nötig auf. Auch die überlange Einführung in den Zweiten Weltkrieg und die darauffolgende Block­ staatenkonfrontation, Tito, Stalin, Sozialismus machen die »Deutsche Lotterie« zu einer ziem­ lich zähen Angelegenheit. TOBIAS PRÜWER ▶ Miha Mazzini: Deutsche Lotterie. Aus dem Slowenischen von Ann Catrin Apstein-Müller. Berlin: Transit Verlag .  S., , € Streckenweise fesselnd Jan Böttcher widmet sich in »Y« der Liebe und dem Krieg Gestandene Erstlingsallüren In »Deutsche Lotterie« walzt Miha Mazzini eine hübsche Idee zum Roman aus

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