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Logbuch_2015 - Magazin

"Ja, das war schon Rock´n´Roll": Marion Brasch über ihren Bruder, den Dramatiker und Lyriker Thomas Brasch

www.kreuzer-leipzig.de | Magazin 2020 Thomas Brasch (1945–2001) war wohl einer ­der kompromisslosesten Lyriker seiner Zeit. ­In seinen Gedichten, Theaterstücken oder Filmen konfrontiert er scharfsinnig, kraftvoll und origi- nell die Gesellschaft in beiden deutschen Staaten mit ihren Widersprüchen. Im Interview spricht die Schriftstellerin und Radiomoderatorin ­Marion Brasch über ihren berühmten Bruder und darüber, warum sein Werk heute, zwei Gene- rationen später, immer noch eine so große Faszination, auch auf junge Menschen, ausübt. :logbuch: Sie haben einen Roman über Ihre be- rüh­mte Künstler- und Schriftstellerfamilie ge- schrieben: »Ab jetzt ist Ruhe«. Nun arbeiten Sie selbst erfolgreich als Schriftstellerin. Kann man der ­Familie nicht entkommen? MARION BRASCH: Familie hängt einem immer an, im Guten wie im Schlechten. Wobei ich gl­au­- be, dass das nicht unbedingt auf die beruf­- liche Entwicklung zutreffen muss. Ich kenne Künstler, deren Eltern und Geschwister mit Kunst nie etwas am Hut hatten, und ich kenne Leute, die kommen aus Künstlerfamilien und haben trotzdem was Ordentliches gelernt. Bei mir lief das über Umwege. Ich bin ja gelernter Schrift­ setzer und habe verschiedene andere Sachen ­gemacht, bevor ich das erste Buch geschrieben habe. Und ich arbeite beim Radio, das ist mein Beruf. :logbuch: Gibt es so etwas wie eine schönste­ Erinnerung an Ihren Bruder – oder auch eine ­negativste? BRASCH: Die schönsten Erinnerungen an ­Thomas habe ich aus der Zeit, als ich noch klein war. Er war zwar selten zu Hause, aber wenn er da war, war er der tollste Bruder von allen. Groß und schön und klug und zärtlich – er war einer, mit dem man angeben konnte. Und er hat mir ver- sprochen, mich zu heiraten, wenn ich 18 sei. Pustekuchen. Die negativste Erinnerung habe ich aus einer Zeit, da war er schon ziemlich kaputt von Koks und Alkohol. Ich habe ihn damals in San Francisco besucht, wo er an seinem Roman arbeiten wollte. Doch er hat nicht gearbeitet. Er hat gekämpft und gewütet. Gegen andere, aber vor allem gegen sich selbst. Das war schwer zu ­ertragen und tat weh. :logbuch: In Georg Stefan Trollers »Annäherung an Thomas Brasch« aus dem Jahr 1977 erklärt Brasch: »So lebe ich eben, so auf dem Stuhl an- geschnallt wie auf dem Schleudersitz, von dem man immer nicht genau weiß, ob er losgeht oder nicht.« BRASCH: Das ist ein gutes Bild, und er wird es ­genau so empfunden haben. Denn Thomas war niemand, der seine eigene Person mystifiziert hat, im Gegenteil. Ich glaube, das bezog sich ­damals auf diese Bundesrepublik, die ihm noch ganz neu und fremd war. Er war ja gerade erst ­angekommen, als Troller den Film über ihn ­gemacht hat. In der Zeit habe ich ihn nicht erlebt, und auch so kannte ich ihn nicht besonders gut. Aber ich kann mir vorstellen, dass er sich genau so gefühlt hat. Schwer zu sagen. :logbuch: Ein befreundeter Schauspieler hat mir vor vielen Jahren ein Heft vom Verlag ­Theater der Zeit mit dem Titel »Das blanke Wesen« in die Hand gedrückt. Und plötzlich öffnete sich ein Fens- ter, und man fragt sich, wie man bis zu die­sem Zeitpunkt eigentlich durch die Welt ­gekommen ist, ohne diese Gedichte, diese Ge­danken? Woher Marion Brasch über ihren Bruder, den Dramatiker und Lyriker Thomas Brasch »Ja, das war schon Rock’n’Roll« JörgSteinmetz Was Ordentliches gelernt und doch Schriftstellerin: Marion Brasch

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