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Logbuch_2015 - Fußballbücher

Himmelsstürmer und Irrfahrer – Eine Auswahl

www.kreuzer-leipzig.de48 | Bücher den Pfosten und macht die Wechselwirkung zwi- schen dem Individuum Torwart und dem Feld- spieler-Kollektiv deutlich. Das Buch ist auch eine Einführung in die Psychologie des Schlussman- nes, der in England von Anbeginn stigmatisiert war. Wilson zeigt, wie sich das Torwartspiel bis hin zur jüngsten Generation von Keepern gewan- delt hat, die die Schranken zwischen Strafraum und restlichem Spielfeld wie selbstverständlich zu überwinden scheinen. Ihre Sonderstellung bleibt gleichwohl. Dass Fußball sogar dann faszinierend ist, wenn weder Spieler noch Ball zu sehen sind, zeigt der Bildband »Flutlichter« von Christoph Buckstegen. Auf ihnen verbindet sich die nächtliche Stille mit der Erregung, die vom Stadion während eines Spiels ausgeht. Der Fotograf zeigt vom gleißenden Kunstlicht ausgeleuchtete Orte, die an der unmit- telbaren Peripherie der Arenen liegen. Der ma- gische Schein verleiht Einfamilienhäusern, mehr- geschossigen Wohnsiedlungen, Schrebergärten und Flüssen eine entrückte Note. Die Atmosphäre der Fotos changiert von gespenstisch bis melan- cholisch, doch vor allem geht von diesen Bildern eine vibrierende Energie aus: Sie schicken den Betrachter auf den Weg zum Spiel. Dichter dran am Ort des Geschehens ist man mit »Der Grund ist Fußball«. Wobei der »Grund« ein doppelter ist. Autor und Fotograf Jürgen Rank stellt auf jeweils einer Doppelseite Szenerien in und um Fußballstadien (»Football Grounds«) auf der ganzen Welt einander gegenüber. Aus zwei Bildern wird so – scheinbar – eines, denn Architek- tur und Fan-Gepflogenheiten ähneln sich global. Zugleich schärft die Gegenüberstellung von Wurstbuden, Fanartikelverkäufern, Treppenauf- gängen und aus ihren Halterungen gerissenen Sitzschalen den Blick für die Besonderheiten der Klubs, vermittelt ihr Lebensgefühl und macht neugierig auf einen Besuch. Eine Anstiftung zum Groundhopping. Ganz dicht dran ist schließlich Martí Perarnau mit »Herr Guardiola«. Der spanische Sportre- dakteur durfte das erste Jahr des »Super«-Trainers beim FC Bayern München exklusiv verfolgen, was keine gute Voraussetzung für journalistische Distanz ist. So ist das Buch ziemlich hagiogra- fisch geraten – Pep Guardiola tritt einmal mehr als Genie, Besessener und Über-Perfektionist in Erscheinung. Allerdings: Perarnau ist weniger als Journalist im Einsatz, denn als Schriftsteller. Sein »Jahresbericht« ist anschaulich geschrieben und selbst für Leser, die keine FCB- oder Barça-Fans sind, interessant. In jedem Fall erfahren sie Auf- schlussreiches über Arbeitsweise und Philoso- phie einer der maßgeblichen Fußball-Trainer der Gegenwart. Mag der FC Bayern polarisieren, Jürgen Roth tut es auch. Mit »Nur noch Fußball! Vorfälle von 2010 bis 2014« setzt der Schriftsteller aus Frank- furt am Main seine Reihe mit Essays, Polemiken und Satiren fort. Zunächst einmal sei korinthen- kackerisch festgehalten: Der Titel ist irreführend. Denn es geht mitnichten nur um Fußball. Leider treiben auch Claudia Pechstein und der Winter- Das Jahr 2014 war das Jahr des deutschen Fuß- balls, das Jahr der zum vierten Mal gewonne- nen Weltmeisterschaft. Im Schatten des Goldpo- kals warfen zahlreiche Verlage noch zahlreichere Publikationen zum Thema auf den Markt. Einige von ihnen verdienen es, auch nach der Rückkehr in den (Fußball-)Alltag gelesen zu werden. Das Zeug zum modernen Klassiker haben zwei Bücher von Jonathan Wilson. Mit »Revolutionen auf dem Rasen« und »Outsider – Eine Geschichte des Torhüters« liefert der renommierte britische Fußball-Autor den Beweis, dass sich umfangrei- ches Faktenwissen, scharfsinnige Analyse und kurzweilige Unterhaltung nicht ausschließen müssen. Immer mehr Menschen wollen verste- hen, auf welchen Ideen das Spiel beruht. Für diese Wissbegierigen widmet sich Wilson in »Revolu- tionen auf dem Rasen« den verschiedenen Spiel- systemen. Der Leser erfährt, was eine Schottische Furche ist, die Ursprünge des Catenaccio (dem destruktivsten Spielsystem) und was es mit dem Totaalvoetbal auf sich hat. Das Buch endet mit dem Vokabular der Gegenwart: Raumdeckung, Pressing, Viererkette. Die Lektüre erfordert ei- nige Konzentration. Die Grafiken von historisch bedeutsamen Aufstellungen helfen dabei, das Gelesene nachzuvollziehen. Welche Bedeutung der Torwart für das Spiel hat, demonstrierte Manuel Neuer bei der WM in Brasilien. Ohne seine Antizipationsfähigkeit und Risikobereitschaft wäre die deutsche Mannschaft bereits im Achtelfinale gegen Algerien ausge- schieden. Die Position des Keepers ist naturge- mäß eine randständige, was sie aber gerade inte- ressant für eine Untersuchung macht. »Outsider – Eine Geschichte des Torhüters« nähert sich mit unzähligen Anekdoten den Charakteren zwischen Himmelsstürmer und Irrfahrer Ausgewählte Fußballbücher für die Zeit bis zur nächsten WM »Eine Anstiftung zum Groundhopping«

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