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Logbuch_2015

"War Porn" Christoph Bangert; "Bad Boys der Philosophie" Kevin Liggieri (Hrsg.)

www.kreuzer-leipzig.de Bücher | 41 Wie weit darf (oder muss?) man als Kriegsfotograf gehen? Was darf (oder muss?) man den Zuschauern zumuten? Gibt es Grenzen der Darstell- barkeit? Das sind ei- nige der Fragen, die Christoph Bangert mit seinem neuen Foto- buch aufwirft. »War Porn« lautet der ebenso provokante wie aussagekräftige Titel der kontroversen Publikation, für die der 1978 ge- borene Fotojournalist mit dem Deutschen Fotobuch- preis 2015 ausgezeichnet wurde. Und in der Tat: Es wäre ein Leichtes, die Bilder von Leichen, die auf Mülldepo- nien abgeladen wurden, von blutigen Krankenhausbet- ten und Sterbenden, von verstümmelten, gefolterten Körperteilen und von toten Kindern als pornografisch zu bezeichnen. Allerdings nur auf den ersten Blick, denn so einfach macht es »War Porn« den Lesern nicht. Bangert weiß, dass er sich mit den drastischen Bildern, die in den letzten zehn Jahren in Afghanistan, Irak, In- donesien, Libanon und Gaza entstanden sind, angreif- bar macht. Genau darum geht es ihm aber auch. Sein Buch soll nicht in erster Linie schockieren, sondern neue Kontroversen provozieren – über die Sichtbarkeit des Krieges und die Präsenz von Tod und Gewalt in der (Medien-)Gesellschaft, über die Verantwortung von Bildproduzenten und -konsumenten, nicht zuletzt über das, was man als »Ethik des Hin- und Wegschauens« bezeichnen könnte. Das ist belastend und fordert den Lesern einiges ab – unter anderem, sich immer wieder aktiv und immer wieder aufs Neue zu entscheiden, hin- zusehen: Einige der Seiten sind zusammengebunden und müssen bei der Lektüre selbst aufgeschnitten werden. »War Porn« ist durchdrungen von permanenter Selbst- reflexion. Das wird nicht nur im Vor- und Nachwort ex- plizit, in dem Bangert über die Hintergründe des Buches Auskunft gibt, sondern spiegelt sich auch in der kon- zeptionellen Anlage des Buches wider: Kleinformatig (12 x 16 cm), ohne Coverabbildung und mit einem sim- plen Pappeinband versehen sowie extrem reduktionis- tisch gelayoutet, sperrt sich das Buch jeglicher Form von plakativem Schock und marktschreierischer Opulenz und wirkt mehr wie ein privates Arbeitsjournal denn als aufwendige Kunstpublikation. Tatsächlich ist es vor allem dieser reduzierte und reflektierte dokumentari- sche Gestus, der »War Porn« als das auszeichnet, was es als Fotobuch sein kann: ein bruchstückhaftes, rohes Zeugnis, das die Rede vom »sauberen Krieg« des 21. Jahrhunderts Lügen straft. STePhAnie BreMerich ▶ Christoph Bangert: War Porn. Heidelberg: Kehrer Verlag 214. 12 S.,  Farbabb., 2, € Die Lüge vom sauberen Krieg Belastend: Christoph Bangerts kontroverses Fotobuch »War Porn« »Der Mensch ist ein Wolf für den Menschen«: Reflek- tierte Kommentatoren mögen Thomas Hobbes eher für sein Wolf- denn Menschenbild gerügt haben. Hängen geblieben ist der Satz aber als Etikett für den Staatstheo- retiker, der darum Antihumanist gewesen sein muss. Ei- ner der »›Bad Boys‹ der Philosophie«. Mit dieser Wahr- nehmung will der als eine Art Einführungslektüre gedachte gleichnamige Sammelband aufräumen. Neun personifizierte Stereotypen werden darum einmal an- ders vorgestellt, als es das Klischee vorgibt. Vorweg: Es handelt sich nur um »böse Jungs«. Die Phi- losophiegeschichte – sie wurde lange als Jungsding be- trachtet – ist bis heute derartig arm an weiblichem Per- sonal, dass die Unterscheidung in Gut und Böse bisher nicht lohnte. Es ist immer gut, einer Dämonisierung von Ideen entgegenzuwirken, nicht zuletzt hat schließlich Ernst Bloch darauf hingewiesen, dass Denken Über- schreiten bedeutet. Da ist ein simples »Du darfst nicht« wenig hilfreich. Auch wenn es sich zum Beispiel mit dem im Buch porträtierten Carl Schmitt um einen NS- Chefideologen handelt. Dass man eben gerade auch in der geistigen Auseinandersetzung etwas lernen kann, zeigt der sich mit Schmitts politischer Theologie ausein- andersetzende Beitrag. Andere rücken schiefe Porträts geradezu gerade. Heraklit überflüssig? Stimmt nicht! Friedrich Nietzsche ein Proto- faschist? Lächerlich! Max Stir- ner und Jean-Paul Sartre Ego- isten? Komm mit was anderem! Der Band macht mit eini- gen vom Mehrheitsdiskurs verfemten Denk(er)-Figu- ren bekannt, und zeigt, wie sich Pauschalurteile formieren. Er verdeutlicht, dass die tatsächliche Auseinandersetzung mit Positionen immer der bessere Rat ist, statt dem Hörensagen zu folgen und Dinge anzuerkennen oder abzulehnen, die man gar nicht kennt. Nur, warum Martin Heidegger als eine Zen- tralfigur, um die die Philosophie in Deutschland weiter streitet, fehlt, verwundert. Vielleicht wollte sich nie- mand die Finger verbrennen, weil diese Diskussion noch virulent ist. TOBiAS PrüWer ▶ Kevin Liggieri (Hrsg.): »Bad Boys« der Philosophie. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann 214. 232 S., 2, € Philosophi non grati Revidiert: Böse Buben der geistesgeschichte www.galiani.de Lesungen für Zeit­ reisende, Rebellen und Noppensockenträger Do., 12. 3., 20Uhr Schillerhaus Bruno Preisendörfer nimmt uns mit auf eine große Reise in die Goethezeit und man erlebt, wie das Leben damals wirklich war – Als Deutschland noch nicht Deutschland war. Do., 12. 3., 20.30Uhr PLAN B Frank Schulz schickt seinen eigenwilligen Privatdetektiv Onno Viets auf Kreuzfahrt: Onno Viets und das Schiff der baumelnden Seelen ist aberwitzig, überbordend, sprachgewaltig und – ja – ergreifend. Fr., 13. 3., 19Uhr Bibliothek Gohlis Hilmar Klute zeigt uns in seiner Ringelnatz-Biografie War einmal ein Bumerang das Leben eines kompromisslosen Ausnahme- künstlers und das Porträt einer turbulenten Zeit. Fr., 13. 3., 20Uhr Wohnzimmerlesung (Anmeldung erforderlich), organisiert vom Schweizerischen Buchhändler- und Verlegerverband Linus Reichlin erzählt in seinem Roman In einem anderen Leben eine hochdramatische Familiengeschichte und von der Sehnsucht, auszubrechen und es völlig anders zu machen. ANZeige

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