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Logbuch_2015

"Abhauen!" Jana Beňová; "Onno Viets und das Schiff der baumelnden Seelen" Frank Schulz

www.kreuzer-leipzig.de Bücher | 43 Die Grundlage des kre- ativen Lebens ist das Schwänzen«, findet Rosa. Die 40-jährige Frau, die als Grundschülerin nie durch Abwesenheit glänzte, streift inzwi- schen endlos durch die Straßen ihrer Stadt. Manchmal macht sie sich auf den Weg zur Ar- beit und findet sich dann unversehens im Lebensmittelgeschäft statt im Büro wieder. Was Rosa, die Hauptfigur in Jana Benˇovás Roman »Abhauen!«, sonst noch ausmacht, darüber erfährt der Leser wenig. Klar ist nur: In einem Alter, in dem ihre einstigen Mitschüler bereits mit Kindern und Auto, mit Häuschen und Sparkonto ausgestattet sind, hat Rosa nichts dergleichen vorzuweisen. Ob sie je danach suchte, bleibt unausgesprochen. Sie lebt mit ihrem Partner Son, verlässt ihn wegen eines anderen Mannes, kehrt zu ihm zurück – um zu erkennen, dass die Liebe sich ohne gro- ßes Aufsehen verabschiedet hat. Das ist Rosas Geschichte. Zwischen den Zeilen viel Agonie, viel Rastlosigkeit, viel Winterkälte, aber auch viel Poesie. Dieses Buch einen Roman zu nennen, ist nur eine mögliche Inter- pretation, denn eigentlich breitet die Slowakin Benˇová auf reichlich 130 Seiten ein einziges großes Gedicht aus. Der Text ist in kurze, strophenähnliche Abschnitte ge- gliedert, die Sprache enorm verdichtet und voller Meta- phern. Rosa und Son, die beide schreiben, verkörpern zwei Pole: Sie Prosaistin, er Poet, sind sie nicht nur zwei Liebende ohne Zukunft, sondern stehen im metaphori- schen Sinne für Epik und Lyrik. Der Roman versetzt den Leser in eine verträumte, oft aber auch teilnahmslose Stimmung, denn so kraftvoll der Text, so altbekannt doch der Inhalt: Nicht mehr ganz junge Frau ist auf der Suche nach sich selbst und treibt dabei mehr oder weniger unbeteiligt durchs eigene Le- ben. Ob der Roman gefällt, ist letztlich Geschmackssache – nichts für jene, die schon von junger deutscher Betrof- fenheitsliteratur übersättigt sind, aber eine kleine Perle für Romantiker und Sprachfetischisten. YVOnne FiedLer ▶ Jana Beňová: Abhauen! Aus dem Slowakischen von Andrea Koch-Reynolds. St. Pölten: Residenz Verlag 21. 13 S., 1, € Der 1957 geborene, in Ham- burg lebende Schriftstel- ler Frank Schulz hat sich mit seiner »Hagener Trilogie«, »Kolks blonde Bräute«, »Morbus fonticuli oder die Sehnsucht des Laien«, »Das Ouzo-Orakel« (1991–2006), nachhaltig in die erste Riege der deutschen Hochkomik geschrieben. 2012 startete seine Romanreihe (wieder eine Trilogie?) um den Anti- Helden Onno Viets, erzählt von dessen gutem Freund Dr. jur. Christopher – »Stoffel« – Dannewitz. Der verschaffte Onno auch einen ersten Job als Privatdetektiv: »Onno Viets und der Irre vom Kiez«. Das Zusammentreffen mit Tibor – »Händchen« – Tetropov, der rechten Hand eines Kiez-Oligarchen, hat Folgen. Der liegt nun schon seit sechs Jahren im Koma, und Onno ist auch nicht mehr derselbe: Er leidet unter PTBS, einer posttraumatischen Belastungsstörung. Und es dauert seine Zeit, bis der Noppenträger Onno bei den Tischtennisabenden der Alten Herren (Dannewitz, Ulli – »Elefantenpeitsche« – Vredemann, der schöne Rai- mund) des BSV Hollerbeck Eppendorf wieder ganz der sehr unorthodox spielende Gewinner wird. Dannewitz besorgt ihm einen neuen Job, nicht ohne diverse Hintergedanken, wie sich noch herausstellen wird: als Leibwächter des unausstehlichen Vetters von Dannewitz, dem »Künstler« Donald, der sein Honorar für das Kasperletheaterstück »Kasper Spackennacken« auf einer Kreuzfahrt auf dem Mittelmeer verbraten beziehungsweise versaufen will. Die eh schon komische Romanexposition dreht voll- ends zum absurden, zwerchfellerschütternden Weltthe- ater auf, als es an die Schilderung der Schiffsreise geht. Schulz ist ein Meister darin, Szenen von burlesker Situa- tionskomik zu schreiben; die Dialoge sitzen, seine Sprache ist reich an wunderbaren Metaphern. Niemand kann von Himmel und Hölle des exzessiven Trinkens so erzählen wie er. Wie auch von den unendlichen For- men der Hypochondrie und den Dramen beim Après- Pingpong. Am Ende wird sein Roman zur traurigen Ballade, die Onno vollends aus der Bahn geworfen zeigt. Seine Freunde hoffen jedoch auf seine Wiederkehr. Wir Leser auch.JürGen LenTeS ▶ Frank Schulz: Onno Viets und das Schiff der baumelnden Seelen. Berlin: galiani Verlag Berlin 21. 32 S., 1, € Perle für Romantiker Zwerchfellerschütterndes Welttheater Kraftvoller Text, bekannter inhalt: Jana Beňovás Roman »Abhauen!« Vom Antihelden: Frank Schulz’ »Onno Viets und das Schiff der baumelnden Seelen« »Lehmstedt ist die erste Adresse für Fotobücher aus dem Osten.« (Tim Sommer, art) LehmstedtVerlag ANZeige

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