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kreuzer_12_2016

Mangelnde Empathie: Der Diskussion um Sexismus und Rassismus im Conne Island fehlt die Betroffenenperspektive

015 1216 Termine 084 Kunst 062 Literatur 058 Theater 050 Musik 040 Film 034 Spiel 032 Politik www.vlw-eg.de Vereinigte Leipziger Wohnungsgenossen- schaft eG Hartzstr. 2, 04129 Leipzig Telefon: 0341 9184-299 Sprechzeiten (mit Termin): Mo. + Mi. 8–17 Uhr Di. + Do. 8–18 Uhr Fr. 8– 13 Uhr Sprechzeiten (ohne Termin): Di. 14–18 Uhr Do. 8–12 Uhr VLW eG seit 1922 eine Gute Adresse mit Tradition ANZEIGE Jetzt noch mal zum Mitmeißeln: Es ist kein Rassismuspro- blem. Das Problem heißt Männer und Alkohol. Und ja, ich bin Sexistin. Und zwar gern und aus Erfahrung – das dann nicht gern.« Ziemlich hitzig wurde und wird in den sozialen Netzwerken darüber gestritten, wie und ob man überhaupt das umstrittene Conne-Island-Statement diskutieren soll. Anfang Oktober hatte das Connewitzer Kulturzentrum auf seiner Homepage ein Problem mit migrantischen Männer- gruppen beklagt, die durch sexistische Anmachen, Antanzen und Gewalttätigkeit in ungekanntem Ausmaß auffielen (s. kreuzer 11/2016). Der Text erzeugte ein überregionales Medien­ echo, erntete Applaus von rechts – und viel innerlinke Kritik für seinen vermeintlich rassistischen Grundton. In der Tat ent- hält er nicht wenige zumindest problematische Formulie- rungen (s. kreuzer-leipzig.de, 26.10.2016, »Vermintes Gelände«). Eines aber kam bei allen Positionierungen viel zu kurz, wie oben zitierte Kommentatorin anmerkt: »Vielleicht fällt euch gar nicht auf, was euren Texten fehlt – Empathie für die Betroffenen.« Zu Wort kommen sie auch nicht; und wollen das gar nicht mehr, weil sie sich vor den Reaktionen in der Szene fürchten. Sie haben Angst, als Rassistinnen dazustehen. »Es ist eine tätergeführte Diskussion«, sagt eine Frau, die wir hier Karin Kramer nennen. Sie wollte gern persönlich mit dem kreuzer sprechen, aber ihren Namen nicht veröffentlicht sehen. Sie gehört nicht zu den Betroffenen der Conne-Island-Fälle, kennt aber welche und leidet selbst an einer posttraumatischen Belastungsstörung infolge eines sexuellen Übergriffs in ihrer Jugend. »Man kann uns doch nicht vorschreiben, wie wir uns zu fühlen haben. Das ist, als ob es ein zweites Mal passiert.« Auch das Herunterspielen solcher Vorfälle erregt ihren Zorn: »Du fühlst dich selbst schmutzig und dann sollst du dir noch von einigen Leuten anhören, das sei alles nicht so schlimm. Und indirekt wirst du als Betroffene zur Rassistin gemacht, weil du sagst, was passiert ist.« Sie fühlt sich von den eigenen Leuten im Stich gelassen. »Es kann doch nicht sein, dass man sich in seiner Kuschelhood nicht mehr sicher fühlt.« Den Island-Text hat sie als Zeichen an die Betroffenen gewertet, nicht allein zu sein. Den Schritt des Island, an die Öffentlichkeit zu gehen, schätzt auch Emma Goldmann (auch dies ein Pseudonym). Sie hatte sich als Mittlerin angeboten, um betroffene Freundinnen mit dem kreuzer in Kontakt zu bringen. Als diese sich lieber gar nicht mehr zu Wort melden wollten, war Goldmann für ein paar Fragen bereit. »Du fühlst dich benutzt und schäbig«, beschreibt sie die Situation der Betroffenen, »weil du ja keine Rassistin sein und Geflohene unterstützen willst und die ­ Folgen kennst. Aber in dem Moment ist dir das egal, weil es weder deine Schuld noch dein Problem ist. Aber da ist die Schere im Kopf.« »Ich fand das richtig klasse und mutig«, sagt sie über den Island-Text. »Vielleicht hätte es ausführlicher und begrün- dender sein können. Egal, es sollte eine Debatte anstoßen und es hat Denkbegrenzungen sichtbar gemacht. Ich sehe jetzt deutlicher, dass der Diskurs nicht frei und fair geführt wird.« Bitter resümiert sie: »Im Zweifel weiß ich, dass ich keine Unterstützung erwarten kann und immer auf die Denkverbote Rücksicht nehmen muss.« Das sei auch der Grund, warum sie sich auch selbst nicht unter eigenem Namen äußern will. Vom allgemeinen Bekenntnis gegen Sexismus abgesehen, erkennt sie immer wieder Unverständnis für die Lage konkret Betroffener. Dafür macht sie vor allem verantwortlich, dass der Gesprächsrahmen männlich definiert und dominiert wird. Dass sich auch kritische Milieus einer patriarchal geprägten Gesellschaft nicht all ihrer strukturellen Merkmale entledigen können, ist keine Neuigkeit. Aber um das in Frage stellen zu können, müssten die Männer ihre eigene Position überdenken – und das wird zu oft mit dem Gegenvorwurf des Sexismus gekontert, sagt Goldmann. »Manchmal glaub ich, dass das eine Kompensation dafür ist, dass sie keine Machos mehr sein dür- fen. Da sind sie jetzt eben die besseren Opfer des Sexismus.« Sie hätte es gut gefunden, »wenn die Betroffenen angstfrei von Anfang an hätten mitreden können. Aber die Diskurs­ regeln sind so, dass du dich unterwirfst. Solange es nur ein Zugeständnis von Jungs ist, dass ihre Regeln mal nicht domi- nieren, solange es also eine Art Gnade ist, wird das nichts.« Welche Veränderung würde sie sich wünschen? »Auf positiven Rassismus verzichten: Ein Mensch ist ja nicht als Deutscher, Syrer oder was auch immer scheiße, sondern wenn und weil er sich scheiße verhält. Dann soll er deshalb rausfliegen. Ich wünsch mir, dass das deutlich so gesagt wird, ohne dabei darauf zu schielen, was irgendwelche Idioten von rechts tröten. Das ist eh nicht relevant, die machen das sowieso. Nur wenn wir ehrlich miteinander umgehen und auf Denkverbote verzich- ten, können wir auch etwas ändern.« TOBIAS PRÜWER Mangelnde Empathie Der Diskussion um Sexismus und Rassismus im Conne Island fehlt die Betroffenenperspektive HENRY W. LAURISCH Im Konfliktfeld zwischen sexistischen Übergriffen und Angst vor Rassismus: Conne Island Telefon: 03419184-299

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