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kreuzer_12_2016

"Nocturnal Animals", "Safari", "Sully", "Das unbekannte Mädchen"

037 Film Rezensionen 1216 Termine 084 Kunst 062 Literatur 058 Theater 050 Musik 040 Spiel 032 05 NOCTURNAL ANIMALS DUNKEL USA 2016, 115 min, R: Tom Ford, D: Amy Adams, Jake Gyllenhaal, Aaron Taylor-Johnson KKKKK Die Nacht kennt keine Geheimnisse. In den Stunden vor Sonnenaufgang kann auch Susan sich selbst nichts mehr vormachen. Dabei ist sie gut darin, den äußeren Schein zu wah- ren.IhrMannHuttonistlängstnicht mehr der erfolgreiche Geschäfts- mann, als der er sich ausgibt. Die Fassade des Reichtums bröckelt. Susan sitzt hilflos daheim, während ihr Mann zu retten versucht, was nicht mehr zu retten ist. Die kin- derlose Ehe ist längst verkümmert. Hutton reist nicht allein. Die Erin- nerungen holen Susan ein, an ihre erste Ehe mit Tony, dem Schrift- steller, den sie gegen den Wider- stand ihrer Mutter heiratete. Aber es sind auch Schuldgefühle, die Susan heimsuchen, als sie beginnt, das Manuskript zu lesen, das er ihr schickte. Sie verliert sich in der Geschichte um den Familienva- ter Edward, der eine brutale Begeg- nung mit einer Handvoll Hinter- wäldler hat. Wie Regisseur Tom Ford die beiden Ebenen miteinander ver- schränkt, ist meisterhaft. Aus der fiktiven Handlung fällt er in Susans Realität, gleitet über in die Vergan- genheit und erschafft so ein kom- plexes Psychogramm seiner Figu- ren. Für seinen zweiten Spielfilm nahm sich der gefeierte Modedesig- ner den Roman »Tony & Susan« von Austin Wright vor, ein abgründiges Werk, brutal und nihilistisch. Weit entfernt von Fords gefeiertem Erst- ling »A Single Man«, einem todtrau- rigen, aber warmherzigen Drama um Verlust. Eine tiefe Traurigkeit zieht sich auch durch »Nocturnal Animals«, von Amy Adams über- zeugend charakterisiert. Der trau- rige Blick von Jake Gyllenhaal, der hier sowohl Tony als auch Edward in Susans Fantasie verkörpert, ist uns schon vertraut. Ford wahrt eine Distanz, die sich auch im unterkühl- ten Interieur der Luxusvilla spie- gelt. Die Bilder sind von bestechen- dem Stilbewusstsein und gehen mit der Musik von Abel Korzeniow- ski eine perfekte Symbiose ein. Ein erschütterndes Werk mit der Schön- heit eines Autounfalls. LARS TUNÇAY ▶ Passage Kinos, ab 22.12. 06 SAFARI ERLEGT AT 2016, Dok, 91 min, R: Ulrich Seidl KKKKK Ulrich Seidl war nie ein Freund der bequemen Themen. In sei- ner über 30 Jahre währenden Kar- riere als Filmemacher war es ihm stets ein Anliegen, die Finger tief in die Wunden sozialer Missstände und menschlicher Abgründe zu legen. Seine Filme sind schmerz- haft – weil sie wahr sind und doch Unfassbares erzählen. Die Grenze zwischen Spielfilm und Dokumen- tation verschwimmt dabei ein ums andere Mal. Sein neues Werk macht da keine Ausnahme, auch wenn es deutlich als Dokumentarfilm erkennbar ist. Eigentlich sollte ein eindeutiger Warnhinweis für Tier- freunde vorweggeschickt werden. Ihnen wird am wenigsten schme- cken, was Seidl hier auftischt. Aber darauf deutet bereits das Sujet hin, welches er sich diesmal gesucht hat: die Großwildjagd in Afrika. Immer wieder lösen Fotos von Menschen, die vor den Kadavern bedrohter Tierarten posieren, einen Sturm der Entrüstung in den sozialen Medien aus. Nur ein kleiner Ausschnitt des- sen, was längst zum Alltagsbild im Kontinent gehört. Seidl porträ- tiert Deutsche und Österreicher, die nach Afrika reisen, um dort zu jagen. Ein kostspieliges Vergnügen und ein perverses. 615 Euro für ein Gnu. »Das Weißschwanzgnu ist ein bisserl teurer, um die 800.« Bestel- lung nach Katalog. Den Wünschen sind (fast) keine Grenzen gesetzt. Seidl begleitet die Schützen auf der Pirsch, um ihre Faszination begreif- bar zu machen. Er urteilt nicht – das ist stets die große Stärke sei- ner Arbeiten. Ein Urteil kann sich jeder selbst bilden, wenn die Jäger – zumeist Männer – ganz offen vor der Kamera über ihre Leidenschaft sprechen. Sie töten nicht, das wollen sie deutlich klarmachen – sie erle- gen. Einen Unterschied macht das nicht. Es geht um Trophäen und die Macht über andere Kreaturen. Ein Ritual, für das man auch nach dem Film wenig Verständnis findet, aber die Motivation dahinter erfassen kann. Sofern man »Safari« bis zum Abspann durchsteht. LARS TUNÇAY ▶ Luru-Kino in der Spinnerei, ab 8.12. 07 SULLY HELD WIDER WILLEN USA 2016, 96 min, R: Clint Eastwood, D: Tom Hanks, Aaron Eckhart, Laura Linney KKKKK Ein Personenflugzeug stürzt mitten hinein in die Wolkenkratzer Man- hattans. Ein flammendes Inferno fegt durch die Straßen. Chesley Sul- lenberger erwacht aus einem Alb- traum in seinem Hotelzimmer. Es ist 2009. New York ist nach wie vor traumatisiert vom 11. September 2001. Das Land braucht einen Hel- den und findet ihn in »Sully«. Der erfahrene Pilot und sein Partner Jeff Skiles retteten wenige Stunden zuvor durch eine spektakuläre Not- wasserung im Hudson River alle 155 Passagiere des Airbus 320, nachdem durch einen Vogelschwarm kurz nach dem Start beide Turbinen aus- gefallen waren. Doch war die Not- landung wirklich erforderlich? Und wie wirkt sich der plötzliche Ruhm auf den routinierten Piloten, der kurz vor der Rente steht, aus? Clint Eastwood erzählt die Geschichte des legendären Flugs 1549 konsequent aus Sullys Perspektive, den Tom Hanks mit ruhiger Integrität ver- körpert. Mit ergrautem Haupthaar ist er die perfekte Besetzung für den Durchschnittstypen, der sich um seine Frau sorgt, die daheim von Reportern belagert wird, während er hilflos im Hotel sitzt. Basierend auf Sullenbergers Aufzeichnun- gen stehen die Anhörung und die Stunden im Hotelzimmer, wo Alb- träume und Selbstzweifel an ihm nagen, im Mittelpunkt der Hand- lung. Aber auch die packenden Sequenzen an Bord setzt Eastwood in Rückblenden gekonnt in Szene. So baut der Altmeister konsequent Spannung auf und verzichtet weit- gehend auf patriotische Heldenver- ehrung. Die verbalen Entgleisun- gen des 86-jährigen überzeugten Republikaners hatten ihn zuletzt in Verruf gebracht und es scheint, als würde sich Eastwood immer mehr dem Misanthropen Walt Kowalski aus »Gran Torino« annähern. Man mag seine Weltsicht nicht teilen, auf der handwerklichen Seite ist er aber immer noch ein Meister sei- nes Fachs und »Sully« wird bei den kommenden Oscars mit Sicherheit gut im Rennen stehen. LARS TUNÇAY ▶ Cineplex, CineStar, 1.12. 08 DAS UNBEKANNTE MÄDCHEN ERKENNTNISSUCHE B 2016, 106 min, R: Jean-Pierre und Luc Dardenne, D: Adèle Haenel, Olivier Bonnaud KKKKK Die Brüder Luc und Jean-Pierre Dar- denne sind seit Jahrzehnten Garan- tenfürqualitativhochwertigesKino aus Belgien. Mit ihren Sozialdramen sind sie regelmäßig nicht nur Gäste auf den großen internationalen Fes- tivals, sie gewinnen auch häufig die dort zu vergebenden Preise. Dazu hat es bei »Das unbekannte Mäd- chen« nicht ganz gereicht, dennoch ist auch ein etwas schwächerer Dar- denne immer noch ein sehr sehens- werter Film. Die junge Jenny prak- tiziert in einem wenig einladenden Industrieort nahe der belgischen Stadt Lüttich als Ersatz für einen in Rente gegangenen Kollegen als Ärz- tin. Bald wird sie in einem Kranken- haus einen deutlich lukrativeren Job annehmen. Als es eines Abends nach dem Ende der Sprechstunde klingelt, öffnet sie nicht die Tür, weil noch zu viel andere Arbeit ansteht. Doch genau dieses Ereignis stürzt Jenny tags darauf in eine tiefe Krise. Denn die panische junge Frau, die auf ihrer Überwachungskamera zu sehen ist, wird in der Nähe tot aufge- funden.DieUrsacheistnochunklar, für Jennys massive Gewissensbisse aber eigentlich auch irrelevant. Ihr geht es vor allem darum, dass die etwa 18-Jährige, die keine Papiere bei sich hatte, nicht anonym beer- digt wird. Um ihren Namen her- auszufinden, beginnt sie auf eigene Faust Ermittlungen anzustellen, was sie bald in Gefahr bringt. Trotz der vordergründigen Krimihand- lung geht es den Dardennes ein- mal mehr vor allem um das soziale Umfeld, in dem die Ärztin arbei- tet, und um deren aufopferungs- volle, aber emotionslos-professio- nelle Hingabe an ihren Beruf. Nach Marion Cotillard in »Zwei Tage, eine Nacht« und Cécile de France in »Der Junge mit dem Fahrrad« ist es dies- mal die Französin Adèle Haenel, die die weibliche Hauptrolle kongenial verkörpert. Allein in ihren Blick packt sie so viel Charaktertiefe, dass große Worte gar nicht nötig sind. PETER HOCH ▶ Passage Kinos, ab 15.12. 05 07 06 08 0507 0608

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