Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

kreuzer_12_2016

Fakespiel auf dem Theater: Treibt "The Bolano-Project. The Retrospective" den Spaß weiter?

Theater 1216 Ob »The Bolaño Project. The Retrospective« dem Durchschnittszuschauer des Schau- spiel Leipzig schmeckt? Schwer zu sagen. Eine vom Schauspiel initiierte Befragung (1.629 Zuschauer in 42 Vorstellungen) ergab jedenfalls Folgendes: Publikumsdurchschnittsalter: 38,5 Jahre, zu 61 Prozent weiblich und 36 Prozent männlich, studiert oder angestellt. Ein bis drei Mal im Jahr zieht es diesen so umrissenen Zuschauer ins Haus. Oper, Zoo und Gewandhaus zählen zu den Toporten seiner Freizeitgestal- tung. Die Freie Szene sucht er selten auf. Wie soll man ihm diese Inszenierung bloß schmack- haft machen? Vielleicht mit einem Blick zurück. Letzten Herbst hatte der erste Teil Premiere als Projekt, das noch nicht einmal angefangen hatte. Das Fakespiel auf dem Theater will keines sein und tut alles dagegen – aber natürlich ist es doch eines. Die Grundlage bildet der komplexe Roman »2666« von Roberto Bolaño, der um eine unaufgeklärte Mordserie an Frauen in Mexiko kreist. Lektürekenntnisse muss man nicht mitbringen fürs Verständnis der Performance, wahrschein- lich stören sie sogar. Wie ein Störenfried fühlt sich auch der Zuschauer, wenn er die große ehe- malige Industriehalle in der Residenz auf der Baumwollspinnerei betritt. Leere Podeste stehen herum, groß dimensionierte Tiergemälde sind verteilt, in der Mitte eine Kakteensammlung. Man hat freie Platzwahl, erklären die Performer. Sie haben Mikros und Stichpunktkärtchen, man muss sich ja an etwas festhalten beim Vor- trag. Der Abend sei eine Einführung, an der sie anderthalb Wochen gearbeitet hätten. Sie wollten halt mal zeigen, worum es in Bolaños Buch so geht. Weil darin rund 60 Tiere vorkommen, habe man diese als roten Faden gewählt. Das erklärt dann auch die animalischen Gemälde. Ein Per- former entschuldigt sich, nicht richtig mitma- chen zu können, weil er nach einem Glasangriff vorm Theater eine kaputte Hand habe – der Gipsarm, den er zeigt, ist aufgeschnitten, ein Fake. Ebenso wie jeder vermeintlich ernst- hafte wie bemühte Versuch, hier eine Einfüh- rung zu geben. Forciertes Dilettantentheater: Wie ein Schüler- vortrag, bei dem eine hanebüchene Idee der Illustration von der nächsten übertrumpft wird, spult sich das absurde Meta-Als-ob ab. Nach ­ Tieren benannte Yogapositionen werden vorge- führt, eine »Essenzperformance« von Wüsten- düften – Latschenkiefer und Räucherkäse – wird unter die Nase gewedelt, zu dramatischer Musik ein Wolfsbild durchs Rund getragen. Das ist so herrlich konsequent bis in jedes Detail umgesetzt, dass man aufgrund der Freude gar nicht wissen will, ob die Künstler aus der Not eine Tugend machten. Oder ob das eine Per- siflage schlechter Performancekunst darstellt. Kaum zu glauben, dass bei der angekündigten »Retrospektive« jetzt etwas Ernsthaftes heraus- kommen soll. Aber was heißt schon »ernsthaft« im Theater? TOBIAS PRÜWER ▶ »The Bolaño Project. The Retrospective«: 1.12. (Premiere), 2./3., 8.–10.12., 20 Uhr, Schauspiel/Residenz Das doppelte Spiel: Was hat die Yogakatze zu bedeuten? ROLF ARNOLD Treibt »The Bolaño Project. The Retrospective« den Spaß weiter? Fakespiel auf dem Theater ANZEIGE

Seitenübersicht