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kreuzer_12_2016

Stille Post der Gesten: Kate McIntoshs partizipative Choreografie "In Many Hands"; Wie man in den Wald hineinruft: "Neozoen" wirkt lustig, doch vorhersehbar; Moonwalk auf Schlenkerbeinchen: "Die große Wörterfabrik" auf der Puppenbühne

051 Theater 1216 Termine 084 Kunst 062 Literatur 058 Theater 050 Musik 040 Film 034 Spiel 032 ANZEIGE Jetzt ein zarter Schwalbenschädel. Danach: knallrosa Glibberball, wei- cher Haarzopf, Kaffeesatz. 60 Erwach- sene sitzen an drei langen Tafeln und schauen seit einer halben Stunde kon- zentriert auf ihre Hände. Gegenstände wandern von Hand zu Hand. Hin und wieder durchbrechen zufriedenes Glucksen oder tiefes Seufzen die Stille. Mit der Performance »In Many Hands« gastierte die in Brüssel lebende Kate McIntosh in der Residenz. Während viele Produktionen in der Spinnerei-Spielstätte des Schauspiels daran krankten, dass hinter überkomplizierten Konstruktionen nur inhaltlich Unter- komplexes steckte, ermöglicht der Abend mit konsequentem Minimalismus einzigartige Erkenntnisse und Erfahrungen. Dreh- und Angelpunkte sind die Zuschauerhände. Als Teil einer simplen, nie übergriffigen Choreografie werden ein- zelne Bewegungen weitergegeben, bis alle Hände ihre Position eingenommen haben: Stille Post der Gesten. Kein Gegenüber stört die Konzentration aufs Nebeneinander – auf der anderen Seite der Tafeln stehen nackte Mauern. Gesprochen wird während der andert- halb Stunden kaum, Sound ist sparsam eingesetzt. So fokussiert sich die Auf- merksamkeit auf die eigenen und benachbarten Hände und die teils gewöhnlichen, teils kuriosen Gegenstände. Der Blick verengt, der Gedankenraum weitet sich. Mit hochintelligenten Mitteln schafft McIntosh eine Atmo- sphäre, in der es nicht peinlich, esoterisch oder kirchentags- mäßig ist, dass Fremde die Hände ineinanderlegen. Die Erkennt- nisse klingen aufgeschrieben unterkomplex: Yeah Hände, yeah Dinge, yeah Menschen, yeah Welt! CLARA EHRENWERTH Ich bin wirklich kein Tierfeind, aber …«, beginnt eine der Parolen und reiht sich nahtlos ein in die Vielzahl rassistischer Kommentare, die den Text des Stückes bis zum Überquellen füllen. Die Botschaft ist offensichtlich. Es ist nicht der sich rasant verbrei- tende, den deutschen Wald »überfrem- dende« Waschbär, gegen den sich die Wut der beiden Heimatverbundenen richtet, sondern Menschen anderer Herkunft. Offensichtlich ist vieles in »Neozoen – Eine gebro- chene Groteske« (Regie: Nowka DeByl). Pegida & Co. werden kräftig aufs Korn genommen. Dies gelingt auf überdrehte und oftmals witzige Weise. Durch ihre weiß geschminkten Gesichter, das Fell eines Waschbären imitierend, erinnern die beiden Hauptdarsteller auch mal an zwei Clowns, die das Publikum durch ihr überspitzt empörtes Verhalten zum Lachen bringen. Der Abspulcha- rakter, welcher Parolen aus dem rech- ten Lager innewohnt, wird schließlich auf die Spitze getrieben, indem der Text des Stückes selbst im Skript nach- geschaut wird. Die Idee, eine als neu heimisch bezeichnete Tierart wie den Waschbären als Spiegel für Rassismus und Xeno- phobie einzusetzen, ist bisweilen amü- sant und in der schauspielerischen ­ Leistung durchaus überzeugend. Allerdings gelingt es der Insze- nierung nicht, ihren vorhersehbaren Charakter abzulegen. Was als Nächstes passiert, überrascht kaum. Das abschließende Singen der auf Schutz von heimischer Fauna abgewandelten deutschen Nationalhymne war da förmlich zu erwarten. JUDITH DE SANTIS ▶ »Neozoen«: 8., 16.12., 20 Uhr, Neues Schauspiel Leipzig Eine Welt ohne Worte. Oder besser: teurer Wörter. Denn in diesem unbekannten Land kostet es richtig viel zu sprechen. Jedes Wort muss bezahlt werden. Wie soll da Paul seiner Marie die Liebe gestehen? Nur drei Worte bleiben ihm, um ihr Herz zu gewinnen und den Kontrahenten, Sohn vermö- gender Eltern, auszustechen. Als Puppenspiel kommt das Bilder- buch »Die große Wörterfabrik« von Agnès de Lestrade und Valeria Docampo ins Theater der Jungen Welt. Waren Betty Wirtz und Dirk Baum bei ihrem letzten Stück »Der kleine Prinz« von zu starrem Requisitenregime arg begrenzt im Spiel (s. kreuzer 10/2016), so trumpfen sie hier voll auf. Erzählerisch und akustisch von Marco Seeling auf der E-Gitarre begleitet, lassen die beiden die Puppen sprichwört- lich tanzen – und laufen und springen. Im übersichtlich gehaltenen Bühnen- raum – eigentlich nur ein Podest als Laufsteg und im Hintergrund die mons- tröse, schlotrauchende Fabrik – kön- nen Marie und Paul voll aufdrehen. Die Klappmaulfiguren glänzen mit elegant- schwungvoller Beweglichkeit. Diese machen gut ausbalancierte Schlenker- beinchen möglich. Bis hin zum Moon- walk reicht der Spielraum und wird voll ausgenutzt. Tempo und Timing sind gut gesetzt, von düsterem Maschinengetöse bis zum munteren Vögelflattern alle Stimmungen dabei. So entsteht mit viel Witz, Musik und Gefühl eine poetische Dreiviertelstunde, eine Puppentheaterkirsche, die allen Staub von den Stühlen fegt. TOBIAS PRÜWER ▶ »Die große Wörterfabrik«: 10.12., 16 Uhr, 11.12., 15.30 Uhr, 12.–14.12., 9.15, 11.30 Uhr, 20.–22.12., 9.15, 11 Uhr, TdJW Kate McIntoshs partizipative Choreografie »In Many Hands« Artenreiner deutscher Forst: »Neozoen« wirkt lustig, doch vorhersehbar Hinreißend, einfach hinreißend: »Die große Wörterfabrik« auf der Puppenbühne Stille Post der Gesten Wie man in den Wald hineinruft Moonwalk auf Schlenkerbeinchen Suchen den Wortschatz: Marie und Paul Das Geheimnis der Waschbären Das Schildkrötengeheimnis erspüren DIRK ROSE NEUES SCHAUSPIEL LEIPZIG TOM SCHULZE | Rezension | | Rezension | | Rezension |

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