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kreuzer_12_2016 - CD-Rezensionen

Mittekill; Jons; Alicia Keys; Soojin Anjou/Askat Jetigen/Robert Lippok; Marissa Nadler; Peter Piek; Bobby Rush

046 Musik 1216 Spiel 032 Film 034 Theater 050 Literatur 058 Kunst 062 Termine 084 01 0 0 0 0 0 0 JONS AT WORK ON SEVERAL THINGS SELF-RELEASED KKKKK Psych-Gitarren Okay, also man macht dieses Album an, »At Work On Several Things«, mittlerweile das dritte von Jons aus Victoria, British Columbia in Kanada, und es ist gleich alles toll. »Trip Ads«, das erste Stück, klingt so entspannt gitarrig, laid back kann man sagen, und so geht es dann auch weiter: psychedelisch-poppig, eingängig 01 MITTEKILL DIE MONTIERTE GESELLSCHAFT WELTGAST MUSIC KKKKK Weltmusik Kann die Flücht- lingsthematikauchSpaßmachen? Ja, hier mit Mittekill zum Beispiel. Der Berliner Musiker spielt mit Synths und Schlagzeug gegen das System. Was kann man schon machen gegen die Hilflosigkeit, gegen Waffenexporte, gegen die ganze Weltlage? Stimmung! Mal mit Marschmusik gegen das ele- gante, zugemauerte Westeuropa, mal mit Schützenfestkapellen- musik gegen die »Aber wenn die jetzt alle herkommen«-Sprüche, mal mit Heulsusenrap gegen Wirtschaftswachstum. Mit Wort- witz bringt Friedrich Greiling, wie Mittekill im bürgerlichen Leben heißt, die Dinge auf den Punkt. »Mein Gott, du Opfer – du bist der Täter. Mein Gott, du Lügner – fühlst dich belogen.« Womit der Schwachsinn der Facebookhetze hinlänglich beschrieben ist. Ent- standen sind die Songs und Auf- nahmen an Theaterhäusern und unterwegs. In Belgrad, in Athen, in Aufbruchszeiten. Mit Menschen, die gerade fliehen, mit Migranten, die längst hier sind. Sie singen und spielen mit – ohne Selbstmitleid. Popsongs aus der Rubrik »Was mit Flüchtlingen«. Dennoch oder des- wegen cool. JULIANE STREICH ▶ Live: .12., Blaue Perle Platte des Monats und trotzdem überraschend. Patrick Rendell, David Parry, Logan Holmes und Keenan Mittag-Degala haben »At Work On Several Things« mit einem Tascam 388 Achtspur-Ton- bandgerät selbst aufgenommen, gemischt und auf Kassette veröf- fentlicht. Es leiert also. Es leiert schön, es schaukelt, es ist etwas, das man gehört haben sollte. Die Songs kommen in die Nähe von Pavements 1994er »Crooked Rain«, um das mal vage zu verorten. Das bringt gleich mal einen sehr hohen Sympathiefaktor. Und, so generell, Jons sind eine dieser Bands, die man sich erschließt und die dann irgend- wann alle hören. Aber so solls ja auch sein. FABIAN EBELING 0 ALICIA KEYS HERE SONY MUSIC KKKKK Soul Ihre sechste ist eine sehr inten- sive LP, zumindest auf der A-Seite, die zudem ein New-York-Sound- track ist. Die Keys singt nicht nur, sondern sie schreit und spittet in »The Gospel«, als wäre sie haupt- beruflich MC. Das wird katalysiert durch ein Hiphop-Gerüst, das an dem Albumbauwerk hochgezo- gen wurde, klar, schließlich ist Frau Keys mit Swizz Beats – einem Mann vom Fach – liiert. »Pawn it all«, »She don’t really care«, »Illu- sion of bliss« – fünf Schiffchen. Bis hierhin. Denn nach der Single »Blended family« wird umge- schaltet auf einen völlig anderen Albumsound. Der Klangkosmos des Big Apple weicht einer manch- mal aufgesetzt wirkenden Fast- schon-Fröhlichkeit; und dann ist da noch »Holy war«, ein Kropf von einem Song mit einem 1980er- Refrain, den man eher Belinda Carlisle oder Cher zuschreiben würde. Mit den letzten beiden Lie- dern reißt die Musikerin das Ruder wieder herum: Das hektisch-pul- sierende und gleichzeitig an KINGs Ambient-Gemälde erinnernde »In common« stützt, dass Alicia Keys zweifelsohne ein gutes, dynami- sches Album aufgenommen hat, die besten Soulperlen des Jahres aber von den Knowles-Schwestern (Beyoncé und Solange) sowie KING eingefädelt wurden. TORSTEN FUCHS 0 SOOJIN ANJOU / ASKAT JETIGEN / ROBERT LIPPOK GLETSCHERMUSIK FOLK WISDOM KKKKK Glazial-Schmelzwarn-Folk-Elec- tronic Ein hallendes Tropfen, Stille, dann wieder eins. Aufnahmen einer Schmelz-Stetigkeit, die uns nicht nur in, sondern bald über die Ohren stei- genwird.Warnsignalealso,mitdenen eine CD beginnt, die komponiert ist aus traditionellen Klängen und Gesängen, getaucht in oder kontras- tiert von effektvoller Elektronik und nicht zuletzt eben Field Recordings. Mit konkreter Verortung, nämlich der schwindenden Gletscher Kirgi- siens bzw. Zentralasiens allgemein. Die Goethe-Institute von Taschkent und Almaty initiierten das Projekt, bei dem es über den Videokünstler Lillevan, der die Live-Inszenierungen visuell trägt, zur hier zu hörenden KooperationvonRobertLippok(Orna- ment & Verbrechen, Ex-To Rococo Rot und solo u. a. bei Raster-Noton) mit dem jungen Folk-Komponisten Askat Jetigen kam, die von einem angemes- sen düsteren Klavier vs. Gletscher- klang-StückdersüdkoreanischenPia- nistin Soojin Anjou abgerundet wird. ALEXANDERPEHLEMANN 0 MARISSA NADLER STRANGERS BELLA UNION KKKKK Gothpop »All the colors of the dark« heißt ein Song auf dem neuen Album von Marissa Nadler, das so neu auch nicht ist, schließlich erschien es schon im Mai. Doch passt es viel besser in den Winter und zu Nächten, in denen man um Leonard Cohen trauert, der einer der wich- tigsten Einflüsse der Amerikane- rin war. Und mit all den Farben des Dunklen zeichnet die Sängerin ihre Lieder. Gothic at hers best. Die Sin- ger/Songwriterin singt nicht nur mit trauriger Stimme und begleitet von Gitarre und gelegentlich Drums und Synths über »strangers«, sie selbst scheint eine Fremde zu sein. So kre- iert sie sich seit zwölf Jahren ihre eigene Welt aus Todessehnsucht und dunklen Träumen. Beim Aufbau die- ser Welt half ihr Randall Dunn, der auch Sunn O, Earth und Black Moun- tain produzierte. In ihr bewegen sich Frauen mit Namen Diane, Katie oder Janie durch die Miseren und Lieben des Lebens. Doch am Ende ist man wieder allein, wie es im Titelstück heißt: »I am alone now / In the dark«. JULIANESTREICH ▶ Live: 1.12., UT Connewitz 0 PETER PIEK + SELF-RELEASED KKKKK Indiepop Noch mal zu Leonard Cohen: Eine wirklich sehr charmante Coverversion hat Peter Piek vor drei Jahren mit »So long, Ariane« auf- genommen, auf die wir hier nicht weiter eingehen wollen, weil sie gar nicht auf seinem neuen, vierten Album vertreten ist. Wäre eh kapita- listisches Verkaufssteigerungsden- ken gewesen, dem sich der Leipziger erfreulicherweise seit eh und je ver- weigert. Auf »+« singt und spielt Piek stattdessen heitere Indiepopsongs, die durch seine Stimme bestechen, die man ohne weiteres Wissen kei- nem Geschlecht zuordnen könnte. Zuordnungen sind sowieso nicht die Sache des Malers und Multiinstru- mentalisten, da braucht man sich nur seine Bilder anzuschauen (siehe zum Beispiel das Cover), die ähnlich bunt und komisch und schwerelos sindwieseineSongs.Auf»+«spielter mal Gitarre, mal Klavier und immer kommt dabei ein Song heraus, der einen besser gelaunt zurücklässt, als man es vorher war: »Let the love begin«.JULIANESTREICH 0 BOBBY RUSH PORCUPINE MEAT ROUNDER RECORDS/IN-AKUSTIK KKKKK Blues/Soul/Funk Hipster müssen nicht weiterlesen, denn hier geht es nicht um das nächste Ding, sondern um Traditionspflege … Und wenn Stevie Wonder nicht gewesen wäre, dann hätte Bobby Rush mit dem Ope- ner seines 22. (!) Albums gleichziehen können, denn »I don’t want nobody hanging around« hat das Kaliber von »Superstition«. Der Elder States- man des Blues feiert diesen, indem 010 0 0 0 0

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