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kreuzer_12_2016 - Kunst

Leipziger Typen: Das Schriftlabel "Camelot" bietet Schriften aus Leipzig an

062 Kunst 1216 Spiel 032 Film 034 Musik 040 Theater 050 Literatur 058 Termine 084 Wer das kreuzer-Spezialheft Leipzig Tag & Nacht aufschlägt, dem fällt die Schrift ins Auge, die sich von der im monatlichen kreuzer- Heft unterscheidet. Denn da erklären uns Wörter, geformt mit der Schriftfamilie Rando von Maurice Göldner, die gastronomischen Zusam- menhänge. Wer bei einem vor Ort angesiedelten Getränkehändler Apfel-Quitten-Schorle oder Marmelade erwirbt, der schaut sich die Schrift Lelo von Katharina Köhler an, um zu erfahren, was sich im Glas befindet. In beiden Fällen unterscheidet sich die Form erheblich von denen, die der alltägliche Compu- terbenutzer in seinem Schreibprogramm aus- wählt. Beide stammen aus Leipzig, von Camelot Typefaces, dem ersten digitalen Schriftlabel der Stadt. Dahinter stehen Maurice Göldner, Katharina Köhler und Wolfgang Schwärzler, die hier als Schrift- und Grafikgestalter arbeiten und sich zusammentaten, um ihre Schriftfamilien gemeinsam in die Welt zu senden. Sie verstehen sich als Kollektiv, das über die Stadtgrenzen hinaus wirken möchte. Dabei finden sich in der Dreierkonstellation unterschiedliche Kompe- tenzen. Köhler und Schwärzler verstehen sich eher als Grafikdesigner, während Göldner als Schriftgestalter agiert. Sie stehen damit in einer langen Leipziger Tradition. Seit Mitte des 16. Jahrhunderts etablierte sich die Pleißestadt als Buchhandelsstadt. Die Refor- mation brachte den Aufschwung, so dass sich große Verlagsgeschäfte vor Ort gründeten. Sie richteten Druckereien ein und in diesen wurde mit eigenen Schriften gearbeitet, die Stempel- schneider und Schriftgießer produzierten. Höhepunkte bildeten das 18. und 19. Jahrhundert. Friedrich Bauer listet in seiner Chronik der Schriftgießereien in Deutschland und den deutschsprachigen Nachbarländern, die 1928 in ihrer zweiten Auflage erschien, die Geschich- ten der Buchdruckereien Breitkopf & Härtel, Schelter & Giesecke oder Brockhaus neben unzähligen kleinen Firmen auf. Heute kann man im Museum für Druckkunst in der Nonnen- straße einem der letzten Schriftgießer über die Schulter blicken, um zu erfahren, wie vor dem Computerzeitalter die Buchstaben auf das Papier gelangten. Mit der Digitalisierung änderte sich fast alles, der Wunsch nach Schriften, die über einen eigenen Charakter verfügen, blieb. An der HGB kann in der Fachklasse für Schrift im Feld digitaler Medien Schriftgestaltung studiert wer- den. Die Schriften einiger Absolventen finden sich bei internationalen und nationalen Schriftverlagen. Mit Camelot Typefaces entstand das erste digitale Schriftlabel, das Schrift, die in Leipzig ­ entstand, vermittelt. Bis die Homepage mit den bisherigen Schriftfamilien – Gräbenbach, Lelo, Rando und Rosart – in diesem Sommer online war, existierten bereits einige Unterneh- mungen, um die eigenen Schriften der Öffent- lichkeit vorzustellen. So zeigten Göldner, Köhler und Schwärzler neben anderen Absolventen ihre Schriften in Anwendung in der Ausstellung »Schrift im 21. Jahrhundert« vor drei Jahren im Museum für Druckkunst, bei der Schriftgestalter von der Burg Giebichenstein Halle, der Bau- haus-Universität Weimar und der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig ihre Schrift­ familien präsentierten. Dass das Zeigen das Eine, die Vermittlung eine ganz andere Sache ist, wussten die Camelot-Macher. Daher legten sie bereits damals sehr viel Wert darauf, dass ihre Schriften in der Anwendung zu sehen sind. So stellt sich schnell raus, »ob die Schrift etwas kann«, sagt Katharina Köhler. Mit anderen Wor- ten: ob die handwerkliche Qualität und das ästhetische Gespür übereinstimmen. Um eine Schriftfamilie zu vollenden, braucht es bis zu zwei Jahre, denn, so die Gestalter: Schrift muss liegen gelassen werden können. Camelot tauchte das erste Mal bei »It’s a book« – der Messe der unabhängigen Verleger – 2014 auf. Unter der Überschrift »A selection of typefaces from Leipzig« wurden von sechs Gestaltern Schriften vorgestellt. Darunter Gräbenbach von Schwärzler, Rosart und Lomo von Katharina Köhler und Rando von Maurice Göldner. Da das Interesse nicht auf sich warten ließ, musste ein Weg gefunden werden, um die Schriften auch verkaufen zu können. Mit der Gründung einer GbR ging das Kollektiv einen ernsthaften Schritt weiter, als gestaltete Offsetdrucke mit Schrift- beispielen zu verteilen. Nach einem Jahr und pünktlich zum Auftritt bei der Grafik-Biennale in Brno wurde die Homepage freigeschaltet, die die Schriften anbietet und Beispiele im Gebrauch vorstellt. Im Oktober gab es für den Auftritt und das Label beim Sächsischen Staatspreis für Design den 3. Preis für Kommunikationsdesign. Der Web-Shop offenbart dann auch das welt- weite Interesse an Schrift aus Leipzig. So tauchen sie nun in Japan, den USA, Großbritannien, der Schweiz und in Deutschland auf und natürlich in Leipzig – wie beim kreuzer. BRITT SCHLEHAHN Leipziger Typen Das Schriftlabel »Camelot« bietet Schriften aus Leipzig an So stellt sich schnell raus, »ob die Schrift etwas kann« Auf der Grafik-Biennale in Brno: Camelot präsentiert sein Schriftuniversum LEA SIEVERTSEN

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