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kreuzer_12_2016

Raucherpause: Gottsched, the Queen; Drei Ankündigungen

053 Theater 1216 Termine 084 Kunst 062 Literatur 058 Theater 050 Musik 040 Film 034 Spiel 032 Bald nun ist Weihnachtszeit: Den Ungeduldigen zur Freude, den Ge- nervten zum Trotz gibt sich auch die hiesige Theaterlandschaft rundherum in Watte gepackt. Die Dezemberspielpläne sind mit Fabel- haftem gefüllt wie die Pausbacken der Kinder an Nikolaus. Seien es besinnliche Aufführungen oder unernste Varianten, das Motto lautet Märchen, Märchen, Märchen. Auf www.kreuzer-leipzig.de finden sich alle Aufführungen übersichtlich aufgelistet. TPR Peter Wassiljewski & Das Leschenko-Orchester rufen mit »Russenball« zur Tanzekstase. Das Orchester versteht sich als Hommage an den »König des russischen Tangos« Pjotr Leschenko und mischt die musika- lischen Milieus. Tango, Walzer, Foxtrott, Cha-Cha-Cha, russische Hits und postsowjetischer Russian-Roll werden zu Gehör gebracht. Der Weih- nachtsspeck kann stilvoll weggetanzt werden. Dawaj, Dawaj. TPR ▶ 26.12., 20.30 Uhr, Schaubühne Sie fanden sich über eine Annonce, nun zeigt die Seniorentheater- gruppe ihr erstes Stück. Das haben sie – viele von ihnen beleben eine alte Leidenschaft als Kabarett-Liebhaber und Amateurschauspieler – selbst geschrieben. »Tulpen im Winter« handelt von einer Frau, die mit neuem Partner in die Südsee reisen will. Dagegen steht die Diagnose Schlaganfall. Das Stück um eine schwere Entscheidung wird gefüllt mit Humor, Sprech- und Figurentheater, Slapstick.TPR ▶ 10.12., 19 Uhr, 11.12., 16 Uhr, Villa Es war einmal Dawaj, Dawaj Rentner sucht ANZEIGE Johannes-Christoph-Sprachpurist hätte den Deut- schen fast das Sächsische aufgebrummt. Die einen atmen auf. »Hat er doch!«, pochen die anderen aufs sächsische Recht am Hochdeutschen. Wie immer, wenn der Mythos tobt – allemal besser als der Mob –, ist die Sache komplizierter. Gottsched wer? Johann Christoph Gottsched (* 1700 in Juditten, † 12. Dezember 1766 in Leipzig) ist den meisten Leipzigern am ehesten in Verbindung mit Diskokrieg und Ü21-Partys bekannt. Der Namenspatron der Gottschedstraße war einst ein ziemlich einflussreicher Geist. An der Uni lehrte er als Poetik-, später Logik- und Metaphysikprofessor. Er gab mora- lische Wochenschriften mit den bezeichnenden Titeln Die vernünftigen Tadlerinnen und Der Biedermann heraus. Mit der Deutsch-übenden poe- tischen Gesellschaft setzte sich Gottsched für die teutonische Zunge als Wissenschaftssprache ein und friemelte am Standarddeutsch herum. Also doch! Nachdem schon Luther unterstellt wurde, das Sächsische zum Vorläufer des Hochdeutschen gemacht zu haben, soll Mimose Gottsched das vollendet haben. Nun war er viel mehr linguistischer Saubermann, der sich an aus- ländischen Vokabeln stieß. Er empfahl, sich der »Reinigkeit und Richtyg- keit der Sprache« zu befleißigen. Nimm Sagrotan. Ums Sächsische ging es ihm nie, er trat nach unten, um sich nach oben zu bücken. Denn mit der Sprache der Gemeinen, also wirklich sächsischer Mundart, hatte er nichts gemein. Er kultivierte ein von Volksmaul und Franzoseneinfluss bereinig­ tes Obrigkeitssächsisch. Und klar, wenn so einer eine Standard- sprache schaffen will, nimmt er einfach die eigene. So funktioniert pro- vinzielles Denken. Ein Teil von Gottscheds Grammatikvorschlägen hat sich nach seinem Tod durchgesetzt, allerdings durch Preußens Gloria, nachdem der Sach- senglanz verblasst war und das Sächsische längst verlacht wurde. Mit dem Schwert wurde die Bewegung der Feder diktiert. Was hat das alles mit Theater zu tun? Gottsched mischte auch hier mit und begründete das unspielbare deutsche Literaturtheater. Nur wollte das keiner sehen. So verbannte die beleidigte Leberwurst die Mundart von der Bühne, woraus der Mythos entstand, er hätte zusammen mit der Neu- berin den Hanswurst besiegt. Gottscheds Sprachregeln flossen auch in sein Musterdrama »Sterbender Cato« ein. Dichterkollege Johann Ludwig Gleim zeigte sich wenig begeistert, vielleicht konnte er kein »Hoch- deutsch« erkennen: »Wie dieser Sachse Cato spricht, / So sprach der Römer Cato nicht. / Hört’ er die Reden des Poeten, / Er würde sich noch einmal töten.« TOBIAS PRÜWER ▶ Festveranstaltung »Der Aufklärer in Leipzig«: 12.12., 18 Uhr, Bibliotheca Albertina PS: Kostprobe von Gottscheds Fress-dich-Reimkunst: »Gehab dich wohl, mein Sohn! Du aber, Portia, Die ich vorlängst verlor, itzt wenig Stunden sah Und wiederum verlier, gedenke meiner Liebe Und folg in allem Tun dem tugendhaften Triebe, Der dich bereits erfüllt. Beweine nicht mein Grab; Rom, Rom, dein Vaterland ringt dir die Tränen ab! Verdamme Cäsars Glut, die dich zur Sklavin machet, Und weil was Römisches in deiner Brust erwachet, So wehle künftig mir den Held zum Tochtermann, Der den Tyrannen straft und Rom befreien kann. Umarme mich, mein Kind! Ihr Freunde, seht mich sterben! Ihr seufzet? Tut es nicht! Beweinet Roms Verderben! Lebt wohl und Rom getreu. Ihr Götter! hab ich hier Vielleicht zu viel getan: Ach! So vergebt es mir!« Ihr kennt ja unser Herz und prüfet die Gedanken! Der Beste kann ja leicht vom Tugendpfade wanken. Gottsched, the Queen Raucherpause

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