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kreuzer_12_2016 - Film

Prekarianer aller Festivals ...: Die "Initiative Festivalarbeit" fordert gerechte Arbeitsverhältnisse

Film 034 1216 Spiel 032 Musik 040 Theater 050 Literatur 058 Kunst 062 Termine 084 Den deutschen Filmfestivals geht es auf den ersten Blick prächtig. Ihre Anzahl ist allein in den letzten beiden Jahren um 50 auf insge- samt mehr als 420 Formate angewachsen und die Zuschauer nehmen das Angebot gern an, Filme meist exklusiv und begleitet durch Ver- mittlungen sehen zu können. Was dabei häufig ausgeblendet wird, sind die höchst problema- tischen Bedingungen, unter denen Festivals aus- gerichtet werden. Dabei gilt nicht nur für den Do-it-Yourself-Underground, sondern auch und vor allem für die großen und mittelgroßen Festivals: Unangemessene Entlohnungen sind genauso üblich, wie soziale Absicherung oder feste Arbeitsverträge unüblich sind. Mit einem Appell wandten sich unlängst vier wichtige Akteure aus der deutschen Festival- landschaft an die Öffentlichkeit. Darunter ist auch Grit Lemke, Programmleiterin des Dok Leipzig und selbst lange als »Freie« tätig: »Die Festivalbranche hat hoch spezialisierte Berufs- felder hervorgebracht. Die Kuratierung, Pro- grammierung und Koordinierung eines Film- programms, die Leitung eines Gästebüros, Kopiendisposition, Spielstättenmanagement, Katalogredaktion, Technik, Produktion und vieles mehr erfordern ein sehr spezifisches Expertenwissen und langjährige Berufserfah- rung. In der Wertschätzung, die unserer Arbeit gesellschaftlich und finanziell beigemessen wird, spiegelt sich das nicht wider.« Diese Spannungen und mögliche Auswege wur- den im November parallel zum Dok diskutiert, als die Initiative »Festivalarbeit gerecht gestal- ten« zu ihrer konstituierenden Sitzung zusam- menkam. Diese riefen Grit Lemke, Alexandra Hertwig (Kasseler Dokfest), Andrea Kuhn (Film- festival der Menschenrechte Nürnberg) und Ludwig Sporrer (Dok.fest München) Anfang 2016 ins Leben, um den Versuch zu unternehmen, die legitimen Ansprüche von Festivalarbeitern gebündelt artikulieren zu können. Knapp 90 von ihnen folgten dem Aufruf, ­ diskutierten gemeinsam mit Experten aus der Kreativwirtschaft und Filmwissenschaft die Widersprüche der jetzigen Situation und über- legten, welche Forderungen man an welche Institutionen adressieren könne. Dass es mit der einfachen Forderung nach einer gesetzlichen Festsetzung eines wie hoch auch immer formu- lierten Mindestlohns nicht getan ist, war allen schnell mit Blick auf die jetzige Praxis klar: Gesetzeslagen werden bei der Gestaltung von Vertragsverhältnissen unterlaufen und zum Vorteil der Festivals interpretiert, die wie im Falle des Dok auch als städtische Eigenbetriebe geführt werden. Beachtlich ist vor allem die Tatsache, dass Festi- vals nachweislich wichtige ökonomische, kul- turelle und soziale Effekte hervorbringen – sie übernehmen mehr und mehr die Aufgabe von TV und regulärem Kinobetrieb und präsentieren einen Großteil des jährlichen Outputs an Film- produktionen. Zugleich bilden sie ein wichtiges Angebot in städtischen und regionalen Kultur- landschaften und werden von der Politik als strategische Instrumente gewählt, Bekanntheit und Attraktivität von Wirtschafts- und Touris- musstandorten zu verbessern. Damit sind Festi- vals also viel mehr als nur Orte, an denen Filme vorgeführt werden, und sie erfüllen Aufgaben, von denen auch andere Institutionen profitieren. Dass die Mehrheit der Festivals Jahr für Jahr um ihr Fortbestehen ringt, ließe den zynischen Schluss zu, dass die unangemessenen Anstel- lungsverhältnisse gerne von denen in Kauf genommen werden, die von den indirekten posi- tiven Effekten profitieren. Weniger zynisch ­ formuliert, wären zum Beispiel Kulturämter, Standortförderer und Akteure aus der Film- wirtschaft diejenigen, die an einer gerechten Gestaltung von Arbeitsbedingungen mitwir- ken könnten. Eine engere Einbindung in die Kreisläufe der Filmauswertung und der stand- ortbezogenen Wirtschaftsförderung käme für Festivals mit entsprechender Marktrelevanz in Frage. Für diese bestätigte unlängst eine reprä- sentative Studie zur österreichischen Festival- landschaft, dass ein aufgewendeter »Förder- Euro« vier bis neun Euro auf der Seite des lokalen Wirtschaftsumsatzes generiert. Die Aufgaben, die die Initiative »Festivalar- beit gerecht gestalten« in den nächsten Schritten zu lösen hat, gehen weit über die bloße Schaf- fung von Aufmerksamkeit und das Schmieden von Allianzen in Politik und Festivallandschaft hinaus. Vor allem die Diversität der Organisati- onsformen und die verschiedenen institutio- nellen Hintergründe gilt es bei der Formulierung von Forderungen zu berücksichtigen. In dieser Hinsicht müssen die Macher mögliche Lösungs- ansätze zwischen den Polen »kommerzielles Auswertungsformat« und »nicht marktwirt- schaftlich orientierter Kulturanspruch« unter allen Beteiligten vermitteln. SEBASTIAN GEBELER ▶ www.festivalarbeit.de Prekarianer aller Festivals … Die »Initiative Festivalarbeit« fordert gerechte Arbeitsverhältnisse Gut gelaunt trotz schlechter Entlohnung: Volunteers in der Ticket-Box am Markt DOK LEIPZIG 2015 Festivals sind ökonomischer und kultureller Motor

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