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kreuzer_10_2013

Wahrhaftig nervig: Erich Loest ist tot

013 Kreuzfahrt1013 Termine 084 Kunst 072 Literatur 068 Theater 058 Musik 046 Spiel 044 Film 038 ANZEIGE Nein, Erich Loest war kein kommoder Zeitgenosse, er hat sich nie den Mund verbieten lassen. 1957 hat ihm das siebeneinhalb Jahre Bautzen eingebracht. 1981 hat er die DDR verlassen und ist in die Bundesrepublik gegangen, seit 1989 lebte er wieder in seiner Wahlheimat Leipzig. Bis zuletzt hat sich Loest immer wieder lautstark zum politischen und kulturellen Geschehen in seiner Stadt zu Wort gemeldet. Um die Wahrheit zu sagen: Loest hat oft genervt und sich damit in Leipzig nicht nur Freunde gemacht. Aber das beweist bloß, wie wichtig, eigentlich unentbehrlich er für diese Stadt gewesen ist. Davon ist in letzter Zeit oft und ausführlich die Rede gewesen. Darum nehmen wir seinen Tod lieber zum Anlass, noch einmal auf sein Werk zu schauen. Denn Loest war nicht nur ein höchst streitbarer Intellektueller, er war auch ein unerhört fleißiger und vielseitiger Schriftsteller; sein Werk umfasst nicht weniger als elf Romane und dreißig Erzählungen. Was wird davon bleiben? Sicher sein Debütroman »Jungen die übrigblie- ben«, den er 1950 als 24-Jähriger veröffentlichte. Im Sommer 1944 lässt sich der 18-jährige Walther Uhlig zusammen mit einigen Gleichaltrigen auf dem Truppenübungsplatz Zeithain zum Offiziers- bewerber ausbilden. Selten ist der Wehrmachtsdrill mit seinen endlosen Strapazen und demütigenden Schikanen so hautnah geschildert worden. Uhlig wird bald klar, wie sinnlos die ganze Schinderei ist: Er und seine Kameraden werden zu Kanonenfutter ausgebildet. Ein erstes Zusammen- treffen mit der Roten Armee macht unmissverständlich klar, dass von »Endsieg« keine Rede mehr sein kann. Loest beschreibt das Kriegsinferno mit geradezu schmerzlicher Nüchternheit, der »Heldentod« kommt unerwartet, wie beiläufig werden Menschen erschossen, zerfetzt, nieder- gewalzt. So war das, so grausam, so erbärmlich, so banal. Loest, der diese Hölle am eigenen Leib erlebt hat, schrieb einfach auf, wie es war. Aber was heißt »einfach«? Zu einer solchen Einfachheit muss ein Schriftsteller erst einmal imstande sein. Loest war es. Von Anfang an erwies er sich als ein Meister in der schwierigen Kunst, die Kunst nicht wie Kunst aussehen zu lassen. Seine Bücher waren populär, ohne trivial zu sein. Falls es so etwas wie »Volksschriftsteller« je gegeben hat, Erich Loest war einer. Uhlig überlebt, verkommt jedoch zum asozialen Element. Am Ende kriegt er aber noch eben die Kurve und bemüht sich, den Sozialismus mitauf- zubauen. Offen gestanden: Auf diesen zweiten Teil des Romans könnte man ganz gut verzichten; vieles an Uhligs Bekehrungsgeschichte wirkt doch reichlich naiv und unglaubwürdig. Aber sie zeigt auch, dass der junge Loest ehrlich an diesen Staat geglaubt hat. Dieser Glaube sollte bitter enttäuscht werden, denn in einem prinzipiellen Punkt vermochte Loest der SED-Linie nicht zu folgen: Stets hat er für sich in Anspruch genommen, seinen eigenen Kopf zu gebrauchen und sich zu seiner Meinung zu bekennen. Müsste man sein Leben und Werk mit einem einzigen Adjektiv beschreiben, es lautete: »wahrhaftig«.OLAF SCHMIDT ▶ Erich Loest: Jungen die übrigblieben. Halle an der Saale: Mitteldeutscher Verlag 2013. 308 S., 14,95 € Am Abend des 12. September stürzte der 87-jährige Schriftsteller Erich Loest aus dem Fenster eines Gebäudes der Universitätsklinik. Vermutlich beging er Selbstmord Wahrhaftig nervig Streitbarer Intellektueller und fleißiger Schriftsteller: Erich Loest im Jahr 1992 CORDULAGIESE

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