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kreuzer_10_2013

Magazin1013 sucht der Menschen danach. Das war auch in Chemnitz so, wo ich kein leichtes Erbe zu über- nehmen hatte. Ein Imagewechsel gelang relativ schnell, an Zahlen konnte man den Erfolg dann nach zwei, drei Jahren ablesen. kreuzer: Apropos, gibt es von der Stadt Leipzig Vorgaben? LÜBBE: Nein. Wir haben einen festen Etat, aber ich bin nicht angehalten, eine bestimmte Zuschauerzahl zu erfüllen. kreuzer: Und Ihre eigenen Zielvorgaben? LÜBBE: Ich möchte, dass wir hier gutes Theater machen. Mir ist wichtig, das Image schnellst- möglich zu ändern. Das hat neben dem Künst- lerischen viel mit Kommunikation zu tun – sowohl nach innen als auch nach außen. Wir werden viele Einführungen und Nachgespräche anbieten, die nicht dafür da sind, etwas zu ent- schuldigen oder schon mal zu erklären. Aber wenn ich einem Zuschauer erläutere, warum jetzt bei »Rechnitz« Lebensmittel über die Bühne gekotzt werden und die Schauspieler über- einander herfallen, kann ich ihn ja schon mal darauf vorbereiten, was da gleich passieren wird. kreuzer: Das nimmt doch das Überraschungs- element. LÜBBE: Wenn man es geschickt formuliert, muss man ja nicht das konkrete Überraschungs- element verraten. Aber Hintergründe und Ent- scheidungen zu vermitteln, zu denen ein Pro- duktionsteam in der Probenzeit gekommen ist, ist ja nicht verkehrt. Darüber streiten kann man dann immer noch. Ich hoffe, dass es Rei- bungen geben wird, ich will sicher kein Kon- senstheater. kreuzer: Von wo nach wo soll sich der Imagewech- sel konkret abspielen? Von welchem Image wollen Sie weg und zu welchem Image wollen Sie hin? LÜBBE: (lange Pause) Da frage ich zurück. Wie haben Sie denn das Image des Centraltheaters in der Stadt gesehen? kreuzer: Wir haben zuerst gefragt. LÜBBE: Mehr und verschiedenere Zuschauer ins Schauspiel zu bekommen und fürs Schauspiel- haus zu begeistern, das ist wichtig. Wenn man sich für viele Sachen öffnet, wird oft gesagt, das sei dann ein beliebiger Gemischtwarenladen. Das finde ich anmaßend. Leipzig hat nun mal nur ein Schauspielhaus und man muss viele Interessen auffangen. Diese Stadt ist sehr jung und sehr vielfältig. Und ich denke, dass – wie ich vorhin meinte – viel an der Kommunikation liegt, an der Öffnung in die Stadt hinein. Die Theaterpädagogik ist jetzt personell doppelt so groß wie vorher. Von den Schulen bekommen die beiden verantwortlichen Frauen ein super Feedback. Wir müssen Interesse und ein offenes Ohr für dieses Theater erzeugen. Bei den Leh- rern hat das gut geklappt. kreuzer: Die Theaterpädagogik wird sich wieder klassisch um Schulen kümmern, selber Theater- spielen gibt es nicht mehr? LÜBBE: Das machen die Theaterpädagogen nicht. Aber dafür gibt es den Theaterjugendclub und den Club ü31. kreuzer: Sind die Missstimmungen mit der HMT wieder geglättet, die hat Ihnen ja damals das Schauspielstudio in Chemnitz weggenommen? LÜBBE: Ja. kreuzer: Ihre Ernennung war von kulturpolitischen Ränkespielen geprägt. Fühlen Sie sich durch die- se Vorgänge beschädigt? LÜBBE: Nein. Letztlich hätte es, egal für wen die Entscheidung gefallen wäre, immer Gerede und Vorverurteilungen gegeben. Damit muss und kann ich leben. Wie formulierte es letztens Frau Merkel auf einer Pressekonferenz? Sie möge ihren Job, weil sie jeden Morgen das Handy anmache und wieder tausend Probleme zu lösen habe – woraufhin alle Journalisten lachten und sie ergänzte: »Wer das nicht aushält, kann kein Bundeskanzler sein.« Ich will zwar sicher nie Bundeskanzler werden, aber wenn man nicht lernt, mit Kritik umzugehen, würde es nicht funktionieren. kreuzer: In Leipzig war die Schauspiel-Intendanz öfter politischer Spielball. Kann man sich darauf vorbereiten? LÜBBE: Da bin ich für meine Erfahrungen aus Chemnitz dankbar. Dort hieß es vor fünf Jah- ren: Da kommt jetzt ein ganz Junger und der will bestimmt die Alten nicht mehr im Theater haben. Jetzt in Leipzig nun heißt es, der kommt aus Chemnitz und will die Jungen nicht mehr im Theater haben. Ich glaube, ich habe da früher getroffener reagiert. Aber man lernt, mit diesen Mutmaßungen umzugehen. Zumal das häufig von Leuten kommt, die nie ein Stück gesehen haben. kreuzer: War Ihnen damals sofort klar, dass Sie sich auf die vakante Intendanz in Leipzig bewerben wollen? LÜBBE: So eine einfache Entscheidung war das nicht. Die Zeit in Chemnitz war sehr schön und ich möchte sie nicht missen. Wir haben eine Menge erreicht. Aber es kam damals auch in Chemnitz etwas Bewegung ins Spiel. Mein Gene- ralintendant ging nach Bonn und es stand die Frage: Wie gehts weiter? Ich hätte auch nach Bonn gehen können oder in Chemnitz bleiben. Dann tat sich die Option Leipzig auf und da ich das Haus kenne und mag, fiel die Entscheidung, mich hier zu bewerben. kreuzer: Sie hatten nicht einmal ein Jahr Vorbe- reitungszeit, gleichzeitig waren Sie in Chemnitz aktiv und inszenierten parallel in Wien und Han- nover. Wie schafft man das? LÜBBE: Das frage ich mich im Nachhinein auch. Es hat viel mit dem Team zu tun. Ich bin ja nicht allein das Schauspiel Chemnitz oder Leipzig, sondern es gibt viele Leute drum herum. Mit- arbeiter, auf die ich mich verlassen kann. Trotz- dem war das Jahr nicht unanstrengend. kreuzer: Mit welcher Zielvorstellung gingen Sie ans erste Jahr in Leipzig heran? LÜBBE: Es gibt mit 30 Premieren nicht nur von der Quantität her, sondern in den Programm- farben viele Angebote. Uns war wichtig, dem Gesamtprogramm eine klare Struktur zu geben, die sich an den Spielstätten festmacht. Wenn ich in die Residenz gehe, soll ich wissen: Jetzt kommen Performances aus ganz Europa. Wenn ich auf die Hinterbühne gehe, kommen Stücke, die entdeckt werden wollen, in der Dis- kothek gibt es Uraufführungen. Der Zuschauer soll eine Leitlinie haben. Wir werden sehen, was funktioniert; wo es schwierig ist, reagieren wir. kreuzer: Das heißt, es gibt keine Bestandsgarantie für die Programmlinien? LÜBBE: Neben den Premieren und Gastspielen bin ich wahnsinnig neugierig darauf, wie so eine Reihe in der Residenz ankommt. Ob es dafür ein Publikum gibt, ob es der richtige Ort dafür ist. Das ist so ein Test, den es in der Form noch nicht gegeben hat. Die Uraufführungen haben zum Beispiel in Chemnitz hervorragend funkti- oniert und ich hoffe, dass das hier auch so ist. Aber ich weiß es halt nicht sicher. kreuzer: In der Residenz in Lindenau üben Sie die Kooperation zwischen Freier Szene und festem Haus. Bauen Sie da keine Konkurrenz zu Lofft und Schaubühne auf? LÜBBE: Es war einer meiner ersten Schritte hier, zu diesen Häusern zu gehen. Bevor ich nicht mit Dirk Förster und René Reinhardt geredet hatte, haben wir nichts entschieden. Da gibt es Überschneidungen, aber Dirk Förster sagte ganz ehrlich, manche Formate im Lofft nicht stemmen zu können. Er hat keine Angst, dass das Angebot für freie Gruppen weniger werden würde, und fand gut, dass wir uns dafür öffnen. kreuzer: Im großen Haus gibt es vor allem große Weltliteratur. Ihre Vorgänger Sebastian Hart- mann und Wolfgang Engel urteilten, der Saal sei zu groß für Leipzig. Was sagen Sie? LÜBBE: Ich kenne das Haus noch unter Wolfgang Engel und weiß, wie schwer es ist, diesen großen Saal zu füllen. Das spielte in die Überlegungen zum Spielplan natürlich hinein. Abende wie »Rechnitz« oder »Des Meeres und der Liebe Wel- len« sind schwieriger zu füllen als »Kabale und Liebe«. Das meine ich mit klarer Struktur: Ich will wissen, welche Zielgruppe was erreichen könnte. Das schließt eine Uraufführung auf der »Ich wurde im Haus positiv und mit Vorfreude empfangen« ANZEIGE

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