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kreuzer_10_2013

Gegen Verblödung und Kapitalismus: Berthold Seliger über das Geschäft mit der Musik, Ruhig mal einen Randstandsblick riskieren: Erste Ausgabe von Zonic erschienen

009 Kreuzfahrt1013 Termine 084 Kunst 072 Literatur 068 Theater 058 Musik 046 Spiel 044 Film 038 Will ein Künstler wirklich »Sperma sein, mit dem das Ei der Industrie befruchtet wird«, fragt sich nicht nur Tom Waits, sondern auch Berthold Seliger. Der Konzertveranstalter hat ein ganzes Buch über »Das Geschäft mit der Musik« geschrie- ben, eine Streitschrift für die selbstbestimmte Kunst, manchmal gar ein Pamphlet gegen die Kulturindustrie. Seliger kennt sich aus in der Materie, seit 25 Jahren ist er Agent für Künst- ler wie Calexico oder Lambchop, veranstaltet unter anderem die Europatourneen von Patti Smith und Lou Reed. Es ist ein kämpferisches Werk geworden, so wie man es aus seinem lesenswerten Blog (auf bseliger.de) oder den Tex- ten für Konkret oder Berliner Zeitung kennt, in dem er immer wieder gegen Kultursponsoring, Verblödung oder kritiklose Hinnahme des Kapitalismus anschreibt – oder gegen das der- zeit gültige Urheberrecht, für das er seit Langem neue Modelle fordert. Wie sollten die aussehen, Herr Seliger? »Stellen Sie mir den ganzen kreuzer zur Verfügung?«, fragt er zurück. Leider nicht, also fassen wir seine Ansichten zusammen: Erstes Ziel sei ein faires Verhältnis zwischen Musikern und Verwertern, inzwischen werde der Vorstandsvorsitzende von CTS Eventim als »Dollar-Milliardär« geführt, das Durchschnittseinkommen von Musikern unter 30 Jahren hierzulande belaufe sich dage- gen laut Künstlersozialkasse auf 9.430 Euro im Jahr. Zudem fordert Seliger ein System, das nicht länger auf Menge tariert ist. Dass Kultur nach Menge, also Quote, berechnet wird, hält er für fantasielos. »Wie wäre es denn, wenn ein neues Musik- stück, das das erste Mal im Radio gespielt wird, hoch vergütet wird, sagen wir mit 1.000 Euro? Das würde jungen Musikern wirklich weiterhelfen.« Auch wenn von ihm kritisierte Menschen wie beispielsweise Marc Chung, einstiger Bassist der Einstürzenden Neubauten und jahrelang Vorstandsvorsitzender beim Verband unabhän- giger Musikunternehmen (VUT), Seliger nicht ganz unbe- rechtigt Polemik vorwerfen, macht seine Leidenschaft ihn so interessant für den hiesigen Popdiskurs. Eine Leidenschaft für die Musik, die er auch von Künstlern fordert: »Es geht darum, ob man leben kann, ohne Musik zu machen. Wenn dieses ›ich muss‹ besteht, dann geht es darum, sein Leben nach dieser Notwendigkeit auszurichten.« Und zwar nicht, indem man seine Musik an einen Werbespot oder ein Cola-Festival verkauft, sondern sich durch die Clubs spielt. Like the Rolling Stones. Nach Pere Ubu, Patti Smith oder Bratsch kommt deren Kon- zertveranstalter zur Lesung nun selbst nach Leipzig, dessen Szene er wegen der »unabhängigen soziokulturellen Zentren, wo mit großer Leidenschaft eine andere Kultur präsentiert wird«, schätzt. »Ganz ehrlich: Es ist nicht so einfach, alle Bands und ihre Manager davon zu überzeugen, in Ostdeutschland zu spielen«, erklärt er. »Aber für mich gehört Leipzig zu den besten deutschen Konzertstädten.« Ihm kann man das sogar glauben. JULIANE STREICH ▶ Das Geschäft mit der Musik, Lesung mit Berthold Seliger: 20.10., 18 Uhr, Werk 2 Zonic Nummer 20 ist da. Auf Papier. 224 Seiten in Taschenbuchbindung, die man anfassen, umblättern, rascheln hören und vor allem: lesen kann. Und das ist nicht nur aufgrund der Haptik eine gute Nachricht. Seit 1993 erscheint Zonic zunächst als Fanzine und seit Kurzem als Almanach für »kulturelle Randstandsblicke & Involvierungsmomente« und sucht sich seine Themen haupt- sächlich in den Subkulturen der Länder, die einst diesseits des Eisernen Vorhangs lagen. Es geht, so die Selbstbeschreibung, darum, »vernachlässigte Themen in auf mediale Entschleunigung und Konzentration abhe- bender Art« zu betrachten. Das klingt und ist ein bisschen ver- schwurbelt, aber eben auch ziemlich charmant. Anfang 2009 ist die letzte Ausgabe Nr. 14–17 erschienen. Eine Doppelausgabe Nr. 18/19 war zwar geplant und angekündigt, ist dann aber, wie es Herausgeber und Chefredakteur Alexander Pehlemann formuliert, »verschollen«: »Wir haben es einfach nicht geschafft und standen auf einmal im Jubiläumsjahr.« Und nachdem Almanach Jahresschrift bedeutet, musste eine Nummer 20 her. Vor einiger Zeit ist Pehlemann von Greifswald nach Leipzig gezogen, damit ist dies die erste Leipziger Ausgabe von Zonic, und »es ist stark ne Leipziger Nummer geworden«, wie er sagt. Zahlreiche Beiträge der Ausgabe stam- men aus Leipziger Federn und Kameras, und auch inhaltlich ist die Stadt präsent: Anlässlich der Aufführung von Schorsch Kameruns Stück »Das Ende der Selbstverwirklichung« an der Skala protokolliert Zonic ein sehr lesenswertes Gespräch zwischen Kamerun und dem Freiburger Soziologieprofessor Ulrich Bröckling, dessen Buch »Das unternehmerische Selbst« sich eingehend mit der Überforderung des Menschen befasst, die sich beim Versuch der permanenten Selbstoptimierung nahezu zwangsläufig einstellt. Und weiß noch jemand, wer L’Attentat waren? Der französische Punk und Labelbetreiber Luk Haas erinnert sich an seine Suche nach Punk und anderer toller Musik hinter dem Eisernen Vorhang, auch in Leipzig. Selbst die Redaktionsadresse atmet Leipziger Geschichte: Bornaische Straße 31, HH – der erste Standort der inzwischen recht erfolgreichen Galerie Eigen + Art. Dazu gibt es »Neues Altes aus dem DDR-Magnetspulenunter- grund«, Alexander Nym befasst sich mit Laibach und deren Söhnen, Norman Gorek begibt sich auf Feldforschung in Greifswalds Grauzone, Hans Nieswandt versucht die Lyrics von Dance-Tracks systematisch zu ordnen, und Bora Hegyes hat die skurrilen Texte der ungarischen Band A.E. Bizottság übersetzt. Sehr viel mehr Sinn machen die deshalb auch nicht. Spaß aber schon. Wie eigentlich das ganze Heft. TVM > Alexander Pehlemann (Hg.): Zonic – Almanach für kulturelle Randstandsblicke & Involvierungsmomente. No. 20. Ventil Verlag, 2013. 224 S., 18 € Der Konzertveranstalter und streitlustige Autor Berthold Seliger spricht über das Geschäft mit der Musik Die erste Leipziger Ausgabe des Magazins Zonic ist erschienen Will den ganzen kreuzer vollschreiben: Seliger HEIKOLASCHITZKI Kompetenzzentrum für Ergonomie Janik Büroausstattungen e.K. Kurt-Eisner-Straße 48, 04275 Leipzig Tel. 0341/3 91 32 48 Mail: info@janik-leipzig.de www.janik-leipzig.de Am besten bewegt arbeiten mit höhenverstellbaren Tischen, Stehpulten, Sattelstühlen, Bewegungshockern, orthopädischen Bürostühlen & ergonomischem Zubehör, Pultplatten, Vertikalmäusen und Unterarmstützen … ANZEIGE Gegen Verblödung und Kapitalismus Ruhig mal einen Randstandsblick riskieren

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