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kreuzer_10_2013

Einfühlsame Porträts: Ein Blick ins DOK-Programm, Film des Monats: Finsterworld

Film 039 1013 Termine 084 Kunst 072 Literatur 068 Theater 058 Musik 046 Spiel 044 »Stop The Pounding Heart«: Roberto Minervini unternimmt immer wieder filmische Erkundungstouren durchs länd- liche Amerika. Im dritten Teil seiner Texas-Trilogie folgt er auf zurückhaltende Weise der 14-jährigen Sara. Das Mädchen lebt mit den strenggläubigen Eltern auf einer texanischen Farm. Ihr Alltag ist geprägt von Bibelstunden. Wie ihre Schwestern lernt sie, eine fromme Frau zu sein. Als sie den jungen Rodeoreiter Colby kennenlernt, beginnt sie allmäh- lich, ihre Lebensweise zu hinterfragen. Minervini zeichnet ein bewegendes Porträt und entwirft zugleich ein wider- sprüchliches Bild des zeitgenössischen Amerika. »Everybody's Child«: Garry Fraser war jahrelang heroinab- hängig. Aufgewachsen ist er in Waisenhäusern und Pflege- familien in Edinburgh, das in den achtziger Jahren als Drogen- hauptstadt Europas verschrien war. Mit »Everybody's Child« unternimmt der Nachwuchsfilmer eine fesselnde Reise in die eigene Vergangenheit. Fraser zeigt nicht nur ein erschre- ckendes Bild seiner Heimatstadt, in der soziale Ungleichheiten den Alltag bestimmen. Zugleich nutzt er die filmische Auf- arbeitung, um den Drogen endlich zu entsagen. »What A Fuck Am I Doing On This Battlefield«: In drei Kapi- teln zeichnen Nico Peltier und Julien Feazns das Porträt des Musikers Matt Elliot (»Third Eye Foundation«), der in Gesprä- chen zwischen Konzerten und Proben einen Einblick in seine dunkle Welt gewährt. Elliot beschreibt Träume, erzählt von Depressionen, lässt sich über Religion und politische Unge- reimtheiten aus. Schwer zu glauben, dass der Film das Erst- lingswerk der beiden Regisseure ist, sie wahren stets eine angenehme Distanz zum Porträtierten und finden zugleich eine poetisch-schöne, einfühlsame Bildsprache. Statt im Printformat, dem DOK.Ma-Heft, wird der kreuzer in diesem Jahr auf kreuzer-leipzig.de von der 56. Ausgabe des DOK Leipzig berichten. Vom 28. Oktober bis 3. November wird es auf unserem DOK-Blog weitere Filmtipps, Einblicke in die Sonderprogramme, Filmemachergespräche und Festivalein- drücke geben. ERE ▶ DOK Leipzig: 28.10.–3.11., verschiedene Veranstaltungsorte, weitere Informationen und Screeningtermine: www.dok-leipzig.de Die Sonne scheint ohne Unterlass auf die Menschen in Frauke Finsterwalders »Finsterworld«: auf den mobilen Fußpfleger Claude (Michael Maertens), der auf dem Weg zu seiner Lieblingsklientin im Altersheim ist, auf den Polizisten Tom (Ronald Zehrfeld), der im Kofferraum ein riesiges Stoff- tierkostüm mit sich führt, auf die Schüler des Geschichtsleis- tungkurses, die eine KZ-Gedenkstätte besuchen, auf das versnobte Ehepaar (Corinna Harfouch, Bernhard Schütz), das im vollklimatisierten Allradgefährt Richtung Paris braust. Aber unter dem wolkenlosen Himmel braut sich etwas zusam- men in den Seelen der Menschen, die dieses befremdlich gut aussehende Deutschland bevölkern. Abweichungen und Abgründe tun sich auf. Die Hornhaut, die Claude vom Fuß der alten Dame abschabt, wird in den Gebäckteig gemischt, das Eisbärenkostüm zur Kuschelparty übergestreift und eine Mitschüle- rin in den Verbrennungsofen des KZ-Krematoriums geschoben. Die Figuren und Ereignisse verbin- den sich zu einem Schicksalsge- webe, das dem Lebensgefühl in diesem schönen, herzlosen Land auf den Grund gehen will. Mit einem kaleidoskopartigen Blick versuchen sich Finsterwalder und ihr Drehbuchautor Christian Kracht, der für Bestsellerromane wie »Faserland« und »Imperium« verantwortlich zeichnet, an einer seelischen Zustandsbeschreibung Deutschlands. Dabei geht es ihnen nicht um aktuelle politische Verweise oder die realistische Abbildung gesellschaftlicher Zustände, sondern um das, was in den Herzen der Menschen vor sich geht. Tief dort drin finden sie eine grausame Kälte, die nur punktuell durch die funktio- nale Benutzeroberfläche hindurchbricht. Und Sehnsüchte nach einer Nähe, die sich in der Liebesbeziehung nicht herstellen will und deshalb in Ersatzritualen gesucht wird. Für die Figuren hält Finsterwalder dramatische wie komische Wandlungen und Ereignisse bereit. Das Happy End ist dabei ein Zufalls- produkt des Lebens, das nicht jedem vergönnt ist. Es ist die nüchterne und gleichzeitig einfühlsame Haltung zu seinen Figuren, die diesen eigensinnigen Film auszeichnet. Sollte irgendwann einmal ein Nachfolger für Michael Haneke gesucht werden, gehört Frauke Finsterwalder ganz oben auf die Warteliste. MARTIN SCHWICKERT ▶ ab 17.10., Passage Kinos Ein Blick ins Programm von DOK Leipzig offenbart drei wunderbare dokumentarische Arbeiten Kalt fällt das Bild von Deutschland aus, das Frauke Finsterwalder in »Finsterworld« zeichnet Einfühlsame Porträts Happy End ist ein Zufallsprodukt ALAMODEFILM Herzloses Deutschland: »Finsterworld« basiert auf einem Roman von Christian Kracht 2 cl OPEN AIR auf Conne Island bis 7.9. JOHANNAVONORLÉANS LAPASSIONDEJEANNED'ARC CarlTheodorDreyer F1928 KinoorgelProf.Wolf-GünterLeidel GRASSIMUSEUM am12.10.19UhrLAROUE AbelGance F1921 ERFINDUNGDESRAUMS am6.10.19Uhr Live-BegleitungRichardSiedhoff ANZEIGE Film des Monats »DOK-BLOG«

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