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kreuzer_10_2013

Buch des Monats: "Täuscher", "Der Mensch, der schießt", "Blutsbrüder", Zu selten gebrauchte Schimpfwörter

069 Literatur1013 Termine 084 Kunst 072 Theater 058 Musik 046 Spiel 044 Film 038 Die sogenannten Goldenen Zwanziger waren eine klassische Epoche des Verbrechens, und zwar nicht nur in Literatur und Kino, son- dern auch in der Wirklichkeit. Das weiß Andrea Maria Schenkel, die sich in ihrem neuen Krimi »Täuscher« den sinistren Reiz jener Ära zunutze macht. Dem Roman liegt ein wahrer Fall zugrunde: 1922 werden in Lands- hut die Klavierlehrerin Clara Ganslmeier und deren bettlägerige Mutter bestialisch ermordet in ihrer Wohnung aufgefunden. Der Verdacht fällt auf Claras Verlobten Hubert Täuscher. Für den ehrgeizigen Staatsanwalt ist der Fall klar, doch der zuständige Kriminaloberwachtmeis- ter hat seine Zweifel. Zugegeben, der Roman liest sich recht angenehm, wie immer arran- giert Schenkel ihre Erzählwelt mit viel Liebe zum historischen Detail. Aber die Story ist doch allzu vorhersehbar. Ausgefuchste Krimi-Fans kommen hier nicht auf ihre Kosten. Wer sich für authentische Verbrechen der Zwanziger interessiert, sollte lieber gleich zum Original greifen, etwa zu den brillanten »Berich- ten aus dem Gerichtssaal«, die der Berliner Journalist Paul Schlesinger (»Sling«) für die Vos- sische Zeitung verfasst hat und die nun unter dem Titel »Der Mensch, der schiesst« in einer vollständigen Ausgabe vorliegen. Slings Blick ist unbestechlich, sein Urteil messerscharf, sein Stil zupackend. Den Fall eines kleinen Ladenbesitzers, der ruiniert wird, weil ein übereifriger Poli- zist Anstoß an der unvor- schriftsmäßigen »Ausstellung von Möbeln im Vorgärtchen« genommen hatte, resümiert er so: »Ein Polizeileutnant ging vorüber, ein Richter entschied, ein Generalstaatsanwalt legte Revision ein, ein Kammergericht dachte nach, eine Familie geht zugrunde.« Slings Sammlung sollte Pflichtlektüre für jeden angehenden Journalisten sein. Das Beste zum Schluss: Wiederentdeckungen gibt es viele, manche davon wären besser vergessen geblieben. Nicht so Ernst Haffners Roman »Blutsbrüder« von 1932. Über Haffner wissen wir so gut wie nichts, jedenfalls muss er das Milieu der Berliner Jugendbanden aus eigener Anschauung gekannt haben. Und das ist eine unfassbar brutale Hölle aus Hunger, Verbrechen und Prostitution. Jede Seite schlägt dem Leser wie eine Faust in den Magen. Trotz- dem: Was einst im Simplicissimus über das Buch zu erfahren war, gilt noch heute: »Man liest es mit Gier und Spannung, wie man ehedem Räuber- und Indianergeschichten gelesen hat.« Am Ende versuchen Willi und Ludwig, sich durch ehrliche Arbeit aus dem Sumpf herauszuzie- hen, so bleibt wenigstens ein Hoffnungsschim- mer. Der ist nötig, ansonsten könnte die Lek- türe auch bei lebensfrohen Lesern glatt eine Depression auslösen. OLAF SCHMIDT ▶ Andrea Maria Schenkel: Täuscher. Kriminalroman. Hamburg: Hoffmann und Campe Verlag 2013. 240 S., 18,99 € ▶ Sling (Paul Schlesinger): Der Mensch, der schiesst. Berichte aus dem Gerichtssaal. Mit einem Nachwort von Hans Holzhaider, herausgegeben von Axel von Ernst. Düsseldorf: Lilienfeld Verlag 2013. 400 S., 24,90 € ▶ Ernst Haffner: Blutsbrüder. Ein Berliner Cliquenroman. Berlin: Walde+Graf bei Metrolit 2013. 264 S., 16,99 € Mit Gier und Spannung Drei Bücher aus der Goldenen Zeit des Verbrechens Meine persönliche Empfehlung Meine persönliche Uschi Lehner, Hugendubel Petersstraße Die Welt der Bücher in Leipzig: In der Innenstadt, Petersstraße 12 – 14 Im Paunsdorf-Center, Paunsdorfer Allee 1 Dies ist ein Angebot der Unternehmensgruppe H. Hugendubel GmbH & Co. KG Firmensitz: Hilblestraße 54 · 80636 München Meine persönliche David Schönherr Der Widerschein Als Hobrecht das Findelkind in seine Obhut nimmt, ahnt er nicht, welche Wendung sein Leben nun nehmen wird. Ferdinand offen- bart früh sein außergewöhnliches Zeichen- talent und viele versuchen, daraus Kapital zu schlagen. Doch seine Bilder sind nicht nur von bezaubernder Qualität, sie ziehen den Betrachter vor allem in ihren ganz per- sönlichen Bann und der ist oftmals tödlich … Schönherrs Debütroman ist ein unglaublich spannender Ausflug in die niederländische Kunstwelt des 18. Jahrhunderts. Und doch so viel mehr als das ... 256 Seiten, 19,90 €, Frankfurter Verlagsanstalt ANZEIGE Buch des Monats Vorzeiten wurde in der Gegend um Halle an der Saale viel Kümmel angebaut. Die Hal- lenser Studenten, die aus der Stadt oder ihrer Umgebung, der »Kümmeltürkei«, stammten, also im »Hotel Mama« wohnten oder sich Fress- pakete (mit Kümmel) schicken ließen, wurden von ihren zugezogenen Kommilitonen als »Küm- meltürken« geschmäht. Mit der Türkei hat der »Kümmeltürke« also nicht viel zu tun. Inzwi- schen ist das Wort aus der Mode gekommen – dabei gibt es heute »Kümmeltürken« mehr als genug! Doch leider lässt sich der Spottname nicht bedenkenlos verwenden. Nicht, weil es heut- zutage unter Studenten offenbar nicht mehr als verpönt gilt, in der eigenen Heimatstadt zu studieren, diese Unsitte kann nicht hart genug gegeißelt wer- den. Aber längst missbrauchen xenophobe Elemente den »Kümmeltürken« als ausländerfeindliche Ver- unglimpfung, so dass der kultivierte Insultant eines der schnurrigsten Schimpfwörter deut- scher Sprache nurmehr zu besonderen Anlässen und mit Vorsicht zum Einsatz bringen kann.OSC Zu selten gebrauchte Schimpfwörter Kümmeltürke #4

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