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kreuzer_10_2013

Goldrausch in Eutritzsch: Interaktive Hörspielreise, Am Ende ist nur Müller übriggeblieben: Geschlechterbilder von Katharina Morawe

059 Theater1013 Termine 084 Kunst 072 Literatur 068 Musik 046 Spiel 044 Film 038 SANDRANEUHAUSRENÉMORAWE Goldrausch in Eutritzsch »Am Ende ist nur Müller übriggeblieben« Eine interaktive Hörspielreise schürft im Nordquartier nach verschütteten Schätzen Das Geyserhaus steigt groß in der Edelmetallbranche ein. Es sucht »Das Gold von Eutritzsch«, das hier einer Legende nach von einem Bauern vergraben wurde. Seit einer Flut aller- dings ist es nicht mehr auffindbar. Das ist zumindest der Auf- hänger von Julia Tausends gleichnamiger Hörspielreise, bei der Interessierte den Stadtteil erkunden können. Seit dem Sommer sammelt die Leipziger Regisseurin Stimmen und Geschichten in Eutritzsch, die in eine von drei Audiotouren münden. »Wir mischen dabei Fiktionales und Dokumenta- risches, Anekdoten und Musik«, erklärt sie. Auf den Routen sollen verborgene Schätze im Leipziger Norden gesucht und kleine Perlen im etwas schläfrig anmutenden Stadtteil zutage gefördert werden. Auch Julia Tausend und Florian Scheteling, der Projektbetreuer vom Geyserhaus, waren überrascht, was ihr Goldschürfen alles nach oben gespült hat. Ein Goselied etwa und die Wieder- entdeckung des Ex-Kinos Camera in der Haferkornstraße. Im Westen der Stadt hätte solch ein Raum längst mannigfaltige Ideen entfacht, aber hier verfällt das Gebäude mit seiner markant spielerischen Außenwand vor sich hin. Auch die Bau- erngeschichte ist so eine Entdeckung und stammt aus der Zeit, als Eutritzsch ein Dorf und der Park ein Acker war. Leipziger Bürger bauten dann hier mit verschiedenartigen Villen ihre Sommerfrischen. Später wurde das Gebiet industriell erschlos- sen, ein Stadtteil formte sich. Heute stellt sich all dies als architektonisch buntes Gewimmel dar. Im Hörspiel ergeben all diese Momente eine interaktive Hörinstallation, durch die der Gast nach Lust und Laune wandern kann. »Das Ganze ist nicht als Gewaltmarsch geplant«, so Tausend. »Wichtig ist, dass die Besucher ihre alltäglichen Wege verlassen und lernen, den Stadtteil neu zu sehen.« Auf einer Karte sind die Stationen markiert, damit keiner verloren geht. Nicht nur auf die Ohren wirds was geben. Ortsansässige Ini- tiativen beteiligen sich am Rundgang und bespielen die Fläche mit eigenen Aktionen und Irritationen. Hier dockt das Projekt an das Stück »Kein Schaf bis Eutritzsch« von Stefan Ebeling aus dem Jahr 2012 an, das ebenfalls eine szenische Stadtteiler- kundung anbot. Diesmal aber ist der Teilnehmer mehr auf sich gestellt und stärker einbezogen, weil es auch kleine Aufgaben zu lösen gilt. Ob der geneigte Sucher Gold findet, bleibt Glücks- sache. Immaterielle Schätze zu entdecken gibt es allerdings genug. Wer das Ganze verpasst, kann sich später auch allein auf die Strecke wagen, allerdings ohne die interaktiven Ele- mente. Das Geyserhaus stellt die Hörspiele nach der Auftakt- tour zum Download bereit. TORBEN IBS ▶ »Das Gold von Eutritzsch«: 12.10., 16 Uhr, 13.10., 11 u. 16 Uhr, Startpunkt: Geyserhaus, www.geyserhaus.de Was ist männ- lich, was weiblich? Ist das Geschlecht eine gesellschaftliche Konstruktion? Und was kommt nach der Auflösung der Strukturen? Fragen, die in der Perfor- mance »Körper Kon Text« von Katharina Morawe eine zen- trale Rolle spielen. In Zusammenarbeit mit dem Verein Werkstattmacher inszeniert die Afrikanistik- und Theaterwissen- schaftsstudentin ihr Regiedebüt im Oktober auf der Lofft- Werkstattbühne. Als Textbasis dienen ihr Auszüge aus Heiner Müllers Früh- und Spätwerk: »Um Heiner Müller kommt man bei der Theaterarbeit in Deutschland ja gar nicht herum. Er ist für mich ganz logisch einer der ersten Autoren, mit denen ich mich beschäftigen muss, weil er für mich der Inbegriff dessen ist, was mich am Theater reizt: Sprache, Rhythmus, dichte Bedeutung.« Im klaren Kontrast zur Beschäftigung mit Müller steht Morawes große Leidenschaft: Afrika. Seit sie in Ruanda in der Entwicklungshilfe gearbeitet hat, sei ihre Wahrnehmung von Theater verändert. Das spiegelt sich in ihrer Arbeit wider. »Im Konzept von ›Körper Kon Text‹ lag mein Fokus noch stärker auf einer interkulturellen Perspektive. Da sich das Ganze dann aber langsam zu einem unübersichtlichen Berg ent- wickelt hat, musste ich die Texte entschlacken. Am Ende ist doch nur Müller übrig geblieben.« Ausgehend von »Die Umsiedlerin« und Müllers »Medeama- terial« hat Morawe eine Textcollage entworfen, welche die Frau als Leinwand verschiedener Identitätsprojektionen zen- triert. »Es geht um Strukturen, um Reibungen«, so Morawe. »Körper und Text reiben aneinander, machen ein ganz neues Experimentierfeld auf.« Julia Schlesinger, eine der zehn Werkstattmacherinnen, erzählt: »Unser Grundanliegen ist die Förderung von Nachwuchskünstlern. Bei uns können sich junge Kulturschaffende ausprobieren, während wir sie dabei sowohl konzeptionell als auch finanziell und verwaltungs- technisch unterstützen.« Die Nachwuchsregisseure werden nicht nur betreut, sondern durch klar gesetzte Ziele hin zu einer Professionalität gebracht. »In der Freien Szene läuft man schnell Gefahr, sich zeitlich zu verstricken. Wenn man aber feste Zeitpläne einzuhalten hat und auf einen Premieren- termin hinarbeitet, muss man disziplinierter sein«, ergänzt Morawe. Ob sie ihre Inszenierung auch ohne die Werkstatt- macher in Angriff genommen hätte? »Nein, wahrscheinlich nicht.« Dass es nun zu sehen ist, zeigt, dass die Nachwuchs- förderung ihr Ziel nicht verfehlt hat. DOREEN KUNZE ▶ »Körper Kon Text«: 21.–23.10., 20 Uhr, Lofft Werkstattbühne Am Ende des Lichtbogens lockt ein Topf voll Gold: Ex-Kino Camera Vor Gittern: Die Inszenierung reibt sich an Strukturen 16 * *Tage lang tobt das Oktoberfest 2013 in München. Das Theater der Jungen Welt legt noch einen drauf: Das TdJW feiert einen ganzen Monat lang mit einem ausgesuch- ten Abendprogramm und einer Party am letzten Tag des Monats – sowie mit einer Premiere: Regisseur und Puppenbauer Jan Mixsa inszeniert Robert Louis Stevensons Klassiker »Die Schatzinsel« mit wahren Individualisten – mit Puppen aus recycelten Haushaltsgegenständen nämlich. Alle Abendvorstellungen im Oktober: Zwei kommen, einer zahlt! »Die Schatzinsel« [6 plus] Premiere Sa, 11.10., 18 Uhr Alle Infos zum Oktober- fest auf www.tdjw.de www.tdjw.de Tel 0341.486 60 16 ANZEIGE Katharina Morawe wirft die Frage nach Geschlechterbildern auf. Und nimmt sich Heiner Müller zu Hilfe

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