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kreuzer_10_2013

Sparen ohne Ausnahme: Torsten Bonew im Interview

016 1013 Film 038 Spiel 044 Musik 046 Theater 058 Literatur 068 Kunst 072 Termine 084 Politik kreuzer: Ende Juli wurde bekannt, dass im städ- tischen Haushalt für 2014 knapp 90 Millionen Euro fehlen. Wie kam es dazu? TORSTEN BONEW: Das Defizit ist bedingt durch Kostenentwicklungen im Personalbereich, Einnahmeverluste durch den Zensus und die Erfüllung des Rechtsanspruchs auf einen Kita- platz. Mit Gegensteuerungsmaßnahmen wurde versucht, dieses bis Mitte Juli wegzubekom- men. Das ist uns nicht gelungen. Im Gegenteil: Aus der Verwaltung kamen weitere Mehrbe- darfsanmeldungen. Das hat mich verpflichtet, dem Oberbürgermeister mitzuteilen, dass wir den Haushalt so von der Landesdirektion nicht genehmigt bekommen. Aber nur mit einem genehmigten Haushalt kann die Stadt neues Personal einstellen, freiwillige Leistungen finanzieren und neue Investitionen tätigen. kreuzer: Daraufhin sollte jedes Dezernat bis Ende August Einsparmöglichkeiten in Höhe von zehn Prozent erarbeiten. Waren die Sparbemühungen erfolgreich? BONEW: Eine hundertprozentige Zielerfüllung konnte es aufgrund der vielen Pflichtleistungen und der Kürze der Zeit nicht geben. Aber jedem in der Verwaltung ist der Ernst der Lage jetzt klar. In den Dezernaten sind fast 20 Millionen zusam- mengekommen, um das Defizit zu reduzieren. Beim Thema Kita haben wir hinterfragt, ob es realistisch ist, die Mittel für Betriebs- und Perso- nalkosten wirklich schon zum 1. Januar zu 100 Prozent bereitzustellen. Und bei aus dem Ufer laufenden Budgets wurden massive Gegen- steuerungsmaßnahmen gefahren. Aktuell belas- tet uns noch ein Defizit von rund 40 Millionen Euro. Es ist die gemeinschaftliche Aufgabe der Verwaltung und des Stadtrates, den Haushalt bis Dezember 2013 so zu gestalten, dass er geneh- migungsfähig ist. kreuzer: Wo genau wird gespart? BONEW: In jedem Bereich der Verwaltung. Da geht es um Druckkosten in Höhe von 400 Euro im Referat für Senioren, das Verschieben von Anschaffungen oder das Senken von Reisekos- ten. Ich werde dem Stadtrat vorschlagen, den wenig genutzten Haushaltsplanrechner im Internet für das kommende Jahr auszusetzen, das spart 10.000 Euro. Was wir nicht gemacht haben, sind flächendeckende Kürzungen in der Vereinsförderung. Die Freie Szene in der Kultur gibt auch eher einen symbolischen Wert. kreuzer: Bleiben die Eigenbetriebe Kultur, wie angekündigt, von den Sparmaßnahmen ausge- nommen? BONEW: Auch die »Hochkultur« spart, denn in den Eigenbetrieben steigen die Personalkosten durch den Tarifabschluss. Da die Stadt ihren Zuschuss deckelt, ergeben sich ebenfalls Einspar- potenziale, denn die Kulturbetriebe müssen die Personalkosten aus ihrem Budget bezahlen. kreuzer: Welche Möglichkeiten hat die Stadt, ihre Einnahmen zu erhöhen? BONEW: Wir brauchen Wirtschaftswachstum, Wirtschaftswachstum, Wirtschaftswachstum. kreuzer: Laut einer Studie der Bertelsmann-Stif- tung geht es den sächsischen Kommunen ver- hältnismäßig gut, vor allem weil die Kassenkredite hier deutlich geringer seien. Wie passt dieser Befund zu den jährlichen Haushaltssperren in Leipzig und dem aktuellen Defizit? BONEW: Statt Geld auszugeben, suchen wir eher nach Sparpotenzialen. Deshalb sind wir nicht so überschuldet wie andere Kommunen. Ich dis- kutiere lieber mit meinem Stadtrat über Kür- zungsmöglichkeiten, als ihm irgendwann einmal sagen zu müssen, dass uns die Banken keine Kredite mehr geben. Kassenkredite zur Aufrecht- erhaltung des laufenden Verwaltungsbetriebes gibt es in Leipzig nicht. kreuzer: Wie hoch ist Leipzig derzeit verschuldet? BONEW: Wir haben aktuell rund 708 Millionen Euro Schulden. Diese Verschuldung resultiert aus Investitionskrediten. Dem gegenüber stehen ungefähr 3,9 Milliarden Euro Eigentum. kreuzer: Viele andere Kommunen kommen in der Studie schlecht weg, auch wegen der vielen Kas- senkredite. Wo sehen Sie die Ursachen für deren schlechte finanzielle Lage? BONEW: Es ist ein großes Problem, wie die Kom- munen in Deutschland finanziert werden. Nur ein Drittel unseres kommunalen Haushaltes sind eigene Einnahmen, vornehmlich aus der Gewerbesteuer, beim Rest hängt man am Tropf diverser Landes- und Bundesgesetze. Nicht alle Bundesländer haben so einen fairen Finanz- ausgleich wie Sachsen. Wir haben ein von der Politik unabhängiges Regelsystem, das vom Verfassungsgericht überprüft wurde. In den anderen Bundesländern ist der Finanzausgleich eher politisch getrieben, je nach Kassenlage. Wenige Bundesländer haben eine harte Rechts- aufsicht, da werden alle Augen zugedrückt. In Sachsen hingegen bekommt man bei einem defizitären Haushalt eben keine Genehmigung. kreuzer: Für die Parteien gelten die Kommunen als Basis. Wie lässt es sich erklären, dass sich die Interessen auf Länder- und Bundesebene den- noch so schwer durchsetzen lassen? BONEW: Der Aufbau unseres föderalen Systems kennt keine wirklich wirkungsvolle Vertretung für die Städte und Gemeinden. Es gibt ein Bun- desparlament, eine Länderkammer, aber nichts dergleichen für die Kommunen. In der Denk- weise des Grundgesetzes werden die Kommunen von den Ländern vertreten. Aber oft entscheiden die Landesregierungen im Vermittlungsaus- schuss mit dem Bundestag über die Interessen der Kommunen hinweg. Das Prinzip »Wer bestellt, bezahlt auch« müsste stärker durchge- setzt werden. In Sachsen gibt es mit der Schul- denbremse dafür jetzt ein gutes Beispiel. Landes- entscheidungen, die auf die Kommunen wirken, müssen noch stärker als bisher vom Land auch wirklich finanziert werden. INTERVIEW: RENÉ LOCH Sparen ohne Ausnahme »Wir haben aktuell rund 708 Millionen Euro Schulden« Ist den jährlichen Kampf um einen ausgeglichenen Haushalt mittlerweile gewohnt: Finanzbürgermeister Torsten Bonew PATRICKGUTSCHE Finanzbürgermeister Torsten Bonew erklärt, wie das 88-Millionen-Euro-Loch im Haushalt 2014 gestopft werden soll

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