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kreuzer_10_2013

025 Titel1013 Termine 084 Kunst 072 Literatur 068 Theater 058 Musik 046 Spiel 044 Film 038 seinen schon gezogenen Säbel in der Aufregung des Augenblicks fallen lässt. Voller Angst, das Klirren könnte bis nach oben gedrungen sein und das Zeichen Marbots jetzt zu spät kommen, greift der Soldat kurzerhand zum Karabiner und feuert in den Haufen auf der Bergkuppe hinein. Er tötet dabei zwar einen preußischen Major, aber der Haufen stiebt augenblicklich davon. Marbots Reiter nehmen die Verfolgung auf; doch der Vorsprung der 20 Reiter ist zu groß. »Später erfuhr ich von meinem Freund«, schreibt Marbot voller Gram, »dem in der Garde des Großherzogs von Darmstadt stehenden Oberst von Stosch, dass mir der Kaiser von Russland und der König von Preußen ent- gangen waren.« Von alldem bekommt die sechzehnjährige, tage- buchführende Pfarrerstocher Auguste Vater aus dem nahen Seifertshain, das von österrei- chischen Truppen sicher besetzt scheint, nichts mit. Am 16. Oktober verführt sie und ihre ältere Schwester die tiefe umliegende Stille, »den interessanten Morgen durch einen kleinen Spa- ziergang ins Feld zu genießen«. Schon am Abend – die Familie ist unterdes vor den anrückenden Truppen unter Macdonald, die an diesem Tag kurzzeitig Frontgewinne jenseits des Kolm- bergs verbuchen können, nach Albrechtshain geflohen – wird sie mit ihrer Schwester, zu auf- gewühlt, um schlafen zu können, entgeistert im dortigen Pfarrhaus von einem hohen Gang aus auf das wenige Kilometer entfernte, aber endlos sich erstreckende Schlachtfeld blicken, das brennende Dörfer und Myriaden von Wach- feuern biwakierender Soldaten schrecklich hell erleuchten. »Tausendstimmig«, hält sie später, noch immer verstört von der Szenerie, fest, »war der Nachhall des blutigen Kampfes, der von den Schmerzenstönen der Verwundeten und Sterbenden zu uns herüberkam, die hülf- los auf dem Schlachtfelde lagen, und selbst das wilde Getöse der bivouaquierenden Soldaten konnte ihn nicht ganz ersticken.« Was die beiden sehen und hören, ist aber nur ein kleiner Aus- schnitt: das südöstliche Schlachtfeld. Dass aber nicht Fassbares mitunter einen Umriss, und sogar ein Gesicht, bekommen kann, zeigen die Aufzeichnungen des Mädchens vom 14. Oktober, als am Abend das große Schlachten das erste Mal an der Tür ihres Seifertshainer Hauses klopft. Österreichische Dragoner fragen ihren Vater, den Pfarrer, ob er nicht einen Sarg für einen vor ein paar Stunden gefallenen Offi- zier vorrätig habe. Er muss verneinen, bietet ihnen aber an, sich am nächsten Tag um dessen Bestattung zu kümmern, und lässt sie den toten Offizier ins Haus bringen. Indes sie ihn behutsam wie einen Schlafenden hereintragen, bekommen der Pfarrer und seine Familie zu hören, »daß er einer ihrer geliebtesten Offi- ciere sei, ein junger Mann von zwei und zwanzig Jahren, der einzige Sohn seiner Eltern«: ein gewisser Graf Alberti aus Italien. »Bei einer schwa- chen Constitution«, fahren die Notizen Augus- tes fort, »war der Druck der Luft von einer vorü- berfliegenden Kanonenkugel, eben als er auf dem Colmberg dem General [Klenau] eine Depesche übergibt, hinreichend, ihn zu tödten. Alle beklagten den frühen Verlust des tapferen und guten Officiers. Wir äußerten indeß das Bedenken, ob er denn auch wirklich todt sein möchte und es nicht möglich wäre, daß er nur in einer todähnlichen Betäubung liege, von der er wieder erwachen könne. Sie widerlegten diese Hoffnung nicht ganz, machten sie aber durch die Versicherung unwahrscheinlich, daß er schon einige Stunden unter den Hufen der Pferde gelegen habe.« Die ganze folgende Nacht über graust Auguste davor, dass der im selben engen Haus liegende Graf, eingewickelt in Tüchern, plötzlich wieder zum Leben erwachen könne. »Der Druck der Luft von einer vorüberfliegenden Kanonenkugel war hinrei- chend, ihn zu tödten«

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