Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

kreuzer_10_2013

Machtkampf in der SPD: Ein tiefer Riss geht durch die Leipziger Sozialdemokraten

034 Magazin 1013 Film 038 Spiel 044 Musik 046 Theater 058 Literatur 068 Kunst 072 Termine 084 Die Linkswende der Leipziger Jungsozialisten (Jusos) liegt schon einige Jahre zurück, doch ihre Nachwehen reichen bis heute. Vor ihrem Hintergrund sind aktuelle Vorgänge innerhalb der Leipziger SPD zu sehen, die von einem erbit- terten Flügelkampf, machtpolitischen Spiel- chen und einer angeblichen rassistischen Kam- pagne geprägt sind. Nahezu die komplette erste Reihe der lokalen Sozialdemokraten spielt dabei als Akteur oder Beschuldigter eine Rolle. Viele Beteiligte äußerten sich gegenüber dem kreuzer zum Thema – namentlich genannt werden wollten nur wenige. Die Gemengelage ist kompliziert und unübersichtlich. Fest steht jedoch: Es war ein Samstag Ende April, als das Pulverfass explodierte. Im soziokulturellen Zentrum Die Villa trafen sich damals die Leipziger Jusos zu einer Voll- versammlung. Mehr als 100 Personen waren erschienen, also etwa doppelt so viele wie üblich. Auf der Tagesordnung stand die Wahl des Vor- standes. Doch dazu sollte es gar nicht erst kommen. Von Anfang an war die Stimmung angespannt, berichten hinterher zahlreiche Teilnehmer. Jene vom »linken« Flügel führen dies auf eine große Gruppe bislang ziemlich unbekannter Mitglieder zurück, die angeblich wenig Interesse an inhaltlicher Arbeit zeigte. Manche behaupten, es seien 30 gewesen, andere sprechen von 50. Unumstritten sind Mobilisie- rungsbewegungen im Vorfeld des Treffens, ins- besondere vom »rechten« Flügel. Der Leipziger SPD-Vorsitzende Michael Clobes sprach in einem Schreiben an die Genossen von einem etwa 60 Personen umfassenden »Netzwerk der Unzu- friedenen«, das dem »strammen Linkskurs der Jusos« entgegentreten wollte. Einige Jusos umschrieben denselben Sachverhalt mit dem Wort »Putsch«. Nach Eröffnung der Versammlung kam es schnell zu einer hitzigen Debatte über die Geschäftsordnung. Dabei ging es um Neumit- glieder und Stimmberechtigungen. Streit entzündete sich an der Frage, ob und wie eine aktuelle Mitgliederliste besorgt werden kann. Bei einer ersten Abstimmung sei dem amtie- renden und inzwischen wiedergewählten Juso-Vorsitzenden Frank Franke schnell klar geworden, dass die Mehrheitsverhältnisse an diesem Tag nicht zu seinen Gunsten standen, lautet der Vorwurf aus dem Lager der »Unzu- friedenen«. Deshalb suchte er angeblich nach einem Vorwand, um die Versammlung vor- zeitig abzubrechen. Stimmt gar nicht, erklärte Franke anschließend via LVZ, zumal niemand offiziell gegen ihn kandidiert habe. In Anbetracht der gegenseitigen Anfeindungen sei ein Abbruch jedoch die richtige Entscheidung gewesen. Unterstützung soll er von der Bundestagsab- geordneten Daniela Kolbe und dem Land- tagsabgeordneten Holger Mann erhalten haben, die dem linken Flügel zugerechnet werden. Kolbe habe Franke zum Abbruch der Sitzung geraten, Mann anschließend die Räumung des Saales gefordert. Andere Versammlungs- teilnehmer widersprechen dieser Darstellung vehement. Auch Kolbe und Mann bestreiten Äußerungen dieser Art. Zu den SPD-internen Streitigkeiten hingegen möchten beide sich mit Verweis auf innerparteiliche Verfahren nicht äußern. »Frank Franke hat die Mehrheiten im Vorfeld einfach falsch eingeschätzt«, beurteilt SPD- Chef Clobes die Vollversammlung gegenüber dem kreuzer. »Dass es zwei Lager geben kann, ist normal. Aber es ist immer eine Frage der Diskussionskultur. Eine Versammlung einfach aufzulösen, hat mehr als ein Geschmäckle.« Schon während der Sitzung habe er diesbezüglich Bedenken geäußert. Das Justiziariat des SPD- Parteivorstandes kam zu folgender Einschätzung: Die Beschlussfassung über die Geschäftsord- nung ist nicht Voraussetzung für die Beschluss- fähigkeit der Vollversammlung. Nur die kom- plette Versammlung hätte die Sitzung vorzeitig beenden dürfen, nicht aber Franke allein. Anfang Juni kamen die Jusos dann erneut zur Vollversammlung zusammen, diesmal mit über 170 Teilnehmern. Nun hätte vor allem das linke Lager zahlreiche Unterstützer aktiviert, die lange nicht mehr oder vorher noch nie da gewesen waren – die Rede ist von etwa 50. Franke wurde an diesem Tag mit deutlicher Mehr- heit wiedergewählt. Auch auf dieser zweiten Vollversammlung standen neben inhaltlichen Diskussionen wieder persönliche Befindlich- keiten auf dem Programm. Teilnehmer berichten von Gelächter, Buh-Rufen und eingeforderten Bekenntnissen zur »freiheitlichen demokrati- schen Grundordnung«. Manche Jusos beschrei- ben die Vorgänge mittlerweile als »Vernichtungs- krieg« beider Lager gegeneinander. Ein solcher hätte nach der Junisitzung vielleicht eine Pause oder gar ein Ende finden können, wäre nicht noch im selben Monat ein Beitrag des MDR- Magazins »Exakt« unter dem Titel »Islamisten unterwandern Leipziger SPD« erschienen. Dieser handelte von jenem Personenkreis auf der ersten Vollversammlung, der stets geschlos- sen gegen den linken Flügel agiert und gestimmt haben soll. »Exakt« zog dabei eine Verbindung zur Gülen-Bewegung, die ihren Ursprung in der Türkei hat und der von einigen Islamwissen- schaftlern nationalistisch-islamistische Ten- denzen nachgesagt werden. Solveig Prass, Sektenbeauftragte des Vereins Kindervereini- gung Leipzig, vermutete im Sächsischen Bil- dungszentrum in der Leipziger Innenstadt das Aushängeschild der Bewegung und in den Wohnungen der betreffenden Jusos die Kader- schmieden für den Nachwuchs, sogenannte Lichthäuser. Als Beleg präsentierte »Exakt« eine Mitgliederliste, aus der hervorging, dass sich die Anschriften von Beschuldigten mit türkisch klingenden Namen gleichen. Der Vorwurf einer islamistischen Unterwanderung der Leip- ziger Jusos durch Anhänger der Gülen-Bewegung war damit in der Welt. Und so erhitzten sich die Gemüter nach Ausstrahlung des Beitrages erneut. Zwei Tage dauerte es, bis eine von Axel Dyck (Vorsitzender der Stadtratsfraktion), Dirk Panter (Landtagsabgeordneter) und Wolfgang Tiefensee unterzeichnete interne Erklärung in den Post- fächern der Mitglieder landete. Sowohl zahlreiche Parteineueintritte von Menschen mit Migrati- onshintergrund in den vergangenen beiden Jahren als auch »einzelne, persönliche Über- schneidungen« werden darin eingeräumt. Aller- dings lägen »keinerlei Informationen von öffentlichen Stellen« vor, die eine Verbindung des Bildungszentrums zur Gülen-Bewegung nahelegten. Das Sozialdezernat der Stadt Leipzig war im Stadtrat zu einer ähnlichen Einschät- zung gekommen. Machtkampf in der SPD Juso-Vollversammlungen und ein umstrittener MDR-Beitrag verdeutlichen einen tiefen Riss durch Leipzigs SPD Manche sprechen von einem »Vernichtungskrieg« beider Lager gegeneinander CLOBES&FRIEBELRECHTSANWÄLTE »Gegen einen strammen Linkskurs«: Leipzigs SPD-Chef Michael Clobes

Pages