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kreuzer_10_2013

023 Titel1013 Termine 084 Kunst 072 Literatur 068 Theater 058 Musik 046 Spiel 044 Film 038 Sprengung der Brücke bei dem Rückzuge des französischen Heeres am 19. October 1813.« Lakonischer kann eine Denkmalsbe- schriftung an der tragischsten Stelle der Völker- schlacht kaum sein. Einen Hinweis auf die Umstände und ungeheuren Folgen der Brücken- sprengung sucht man vergebens. Auch zu den hier verübten Massakern schweigt das 1863 am östlichen Ende der heutigen Jahnallee, genauer an der Ecke Ranstädter Steinweg/Thomasius- straße, errichtete Denkmal mit der stilisierten explodierenden Granate. Dabei mangelt es nicht an Berichten zu den chaotischen Geschehnissen am letzten Tag der Schlacht: Seit der vorangehenden Nacht, nach enormen Gebietsgewinnen der Alliierten an fast allen Fronten, ist der Rückzug der französischen Truppen in Richtung Weißenfels in vollem Gange. Da Napoleon und sein Generalstab versäumt haben, weitere Übergänge über die schmale, aber durch starke Regenfälle zum reißenden Strom angewachsene Elster anzulegen, sind sämt- liche Heeresteile gezwungen, die einzige Brücke am Ende des Ranstädter Steinwegs zu benutzen. Es kommt immer wieder zu Verstop- fungen, zahllose erschöpfte und verwundete Soldaten werden niedergetrampelt und von Fuhrwerken und Kanonen überrollt. Am Morgen des 19. Oktobers beginnt schließlich der Sturm der Alliierten auf die zur Festung verbarrikadierte Stadt Leipzig, die zunächst noch vier napoleo- nische Korps, zusammengestellt vor allem aus Nicht-Franzosen, zur Sicherung des Rückzugs halten sollen. Ein Sprengkommando hat derweil unter der Elsterbrücke drei Pulverfässer ange- bracht, um nach dem Fall der Stadt die unmittel- bare Verfolgung der napoleonischen Truppen zu verhindern. Doch als sich die ersten alliierten Soldaten vom Rosental her dem Rückzugsstrom nähern und ihn unter Feuer nehmen, sind die zuständigen Offiziere verschwunden. Die Verantwortung liegt nun bei einem einfachen Korporal, der sich für die sofortige Sprengung der Brücke entscheidet – nicht wissend, dass es sich bei den heranpreschenden preußischen Jägern nur um versprengte Truppenteile handelt und Leipzig noch gar nicht gefallen ist. Noch auf hundert Schritt Entfernung werden die fliehenden Menschenmengen niedergewor- fen und durch die Luft geschleudert, vielen zerfetzt es auf und an der Brücke die Körper – und 20.000 napoleonische Soldaten östlich der Elster sind plötzlich vom einzigen Fluchtweg abgeschnitten. Als sich die Nachricht von der Sprengung unter ihnen verbreitet, brechen die Befehlsketten zusammen. Jeder ist nun mit seiner eigenen Rettung beschäftigt. Übergänge werden gesucht und keine gefunden. Eilig werden wacklige Stege aus Brettern und Baumstämmen errichtet und brechen unter der Last der Fliehenden sogleich wieder zusammen. Ausweglos – die Verbünde- ten ziehen den Ring um die Abgeschnittenen immer enger – stürzen sich Hunderte in die Fluten und werden von ihnen fortgerissen, wäh- rend preußische Einheiten und sächsische Garde (die kaum das Lager wechselte) unter- schiedslos auf alles schießen, was sich bewegt. Diejenigen, die dennoch das jenseitige Ufer bar all ihrer Waffen erreichen, werden von alliier- ten Schützen massakriert, die einen Steg über die Bogen der gesprengten Brücke geworfen und sich auf dem Westufer aufgestellt haben »und kaum so geschwind laden konnten, als ihnen die am Ufer glücklich Angelangten in den Schuß kamen«, wie die preußische Feld-Zeitung bald nicht ohne Stolz berichtet. Als die Meldung der voreiligen Sprengung schließlich Napoleon auf seiner Rast in Markranstädt erreicht, schickt er umgehend zwei Kavallerieregimenter an die Elster zurück. Vor Ort überfällt diese der blanke Grimm beim Anblick des ungleichen Kräfteverhältnisses und der regelrechten Hin- richtungen, wo Gefangennahmen ein Leichtes wären. Der Baron de Marbot, Befehlshaber der Regimenter, bläst zum Angriff auf die ans linke Ufer gelangten alliierten Soldaten. »Die Rache verlieh jedem Hiebe doppelte Kraft«, vermerkt er später in seinen Memoiren. »Von Pardon- geben war natürlich keine Rede. Das Gemetzel währte nicht lange; die Pferde traten bald nur auf Menschenleiber.« Ein Teil der Schützen ver- schanzt sich zunächst in einem Wirtshaus, ergibt sich jedoch, nachdem es angezündet wird. Auch sie lässt Marbot niedermetzeln. Ein Kriegsverbrechen folgt auf das andere. »Vielleicht bot manches Schlachtfeld selbst keinen furchtbareren Anblick, als sich hier schon rings dem Auge öffnete«, hält am Tag darauf – dem ersten nach der Schlacht – der 24-jährige Theologiestudent Ferdinand Heinrich Grautoff in seinem Tagebuch nach einem Erkundungsgang vor den Toren der Stadt fest. »Der schwarze moorige Fluss war wie gedämmt von Leichen der Menschen und Pferde. Längs beiden Rändern des schmalen Flusses hoben sich halb über das Wasser viele tausend Arme, die zum Teil schon mit den Händen in das Gras des hohen Ufers fassten. […] Noch heute standen die langen Reihen der Leichen, wie sie gestern im Tode erstarrten, den Kopf zum Teil kaum halb unter dem Wasser.« Dieser Anblick soll sich der Leipziger Bevölkerung noch Tage und Wochen bieten. An das Begraben der Leichen, selbst in unmittelbarer Nähe zur Stadt, ist zunächst nicht zu denken. Oberste Priorität haben andere Dinge, vor allem die Lebensmittel- beschaffung und die Versorgung der rund 20.000 Verwundeten. 50 Jahre später errichtet der patriotische »Ver- ein zur Feier des 19. Oktober« auch in der Nähe der alten Elsterbrücke eines von sieben Denk- mälern zur Markierung der wichtigsten Stellen der Kampfhandlungen im Oktober 1813. Doch der Kriegsgräuel soll es nicht gedenken. 1. Brückensprengungsdenkmal, Jahnallee

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