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kreuzer_10_2013

Die Neuschreibung des Alten Testaments: Neudeutung des "Musikalischen Opfers", Konzerte des Monats

048 Musik 1013 Film 038 Spiel 044 Theater 058 Literatur 068 Kunst 072 Termine 084 Wenn du nicht mehr weiterweißt, gründe einen Arbeits- kreis«, lautet ein hämisches Bonmot, das Aktionismus im öffentlichen Dienst umschreibt. Wenn verschiedene Künstler nicht mehr weiterwissen, wie sie ihre Kunst gebündelt und konzentriert präsentieren können, dann gründen sie einen Künstlerverein, der das Dilemma zu beheben versucht. So entstand 2009 der Verein forma Leipzig. Gegründet von Kompositionsstudenten der Musikhochschule, vereinigt er heute gleichermaßen Absolventen der HMT, der HGB und des Literaturinstituts. Die Stärke des Vereins liegt in seiner interdisziplinären Ausrichtung, die sich in vielen der Veran- staltungen widerspiegelt: wenn sich Tänzer und Choreografen der HZT Berlin mit Totentanz-Kompositionen der Leipziger Komponisten auseinandersetzen oder Literatur und Musik sich kontrastierend in der Reihe »Tektonik« entfalten. So eint man verschiedenste Künste, die durchaus alle Leipzig ihr Epi- zentrum nennen können, und hievt sie auf eine Plattform jenseits der gegenwärtigen kulturellen Leipziger Infrastruktur. Zur Neuschaffung avantgardistischer Kunst zählt auch Beschäftigung mit historischen Vorgängern. Für sein kom- mendes Projekt »O>ld Places \ N>ew Faces \\ facing Bach« hat sich der Verein eines musikalischen Werks angenommen, das rezeptionsgeschicht- lich gemeinhin mitunter das »Alte Testa- ment der Musikgeschichte« genannt wird: Eine Sammlung kontrapunktischer Sätze Johann Sebastian Bachs, von ihm vieldeutig »Musikalisches Opfer« betitelt. Für das Konzeptkonzert entstanden vier Kompositionen, die sich mit Materialteilen oder anderen Facetten des Werkes beschäftigten und so – bei gleichem Bezugs- punkt – Vielfalt und Individualität zeit- genössischen Komponierens hervorbrin- gen. Einer der vier Komponisten ist der gebürtige Münchner Kai Johannes Polzhofer. Polzhofer ist momentan nur via Skype zu erreichen, er promoviert an der renommierten Harvard University in Komposition. Angesprochen auf seine Version einer Arbeit über Bachs »Musika- lisches Opfer«, fasst er es so zusammen: »Im Grunde ist es eine Auseinandersetzung mit Erinnerungskultur, und so verwende ich Zitate von Bach als melodisches Hauptmaterial und kom- biniere sie mit Eigenzitaten.« Letztere zu erkennen ist für den Hörer besonders schwer, Polzhofers Musik existiert nur im Konzertsaal. »Natürlich gibt es Aufnahmen, aber entweder sind die qualitativ ungenügend oder ich bin mit dem Werk an sich nicht zufrieden«, wischt Polzhofer sofort sämtliche Zweifel an einem berüchtigten Künstlertick beiseite. Überhaupt wirkt Polzhofer stellenweise nicht wie der prototypische Avantgardist: Ihm ist eine gewisse Formstrenge wichtig und »Musik muss am Werkbegriff bleiben, dann nur bekommt sie Tiefgang; improvisierte Musik wird niemals eine gleich- rangige Kunstform werden.« Bei der Frage, ob er auch am Klavier komponiere, platzt dann doch der Bahnbrecher hervor: »Wir wollen Musik machen, die wir noch nicht kennen, diese Musik kann nicht mit dem begrenzten Tonumfang des Klaviers entstehen.« Kai Johannes Polzhofer und forma Leipzig stehen für eine seriöse Avantgarde, »facing Bach« lädt dazu ein, dies zu überprüfen. MARTIN WOHLGETAN ▶ O>ld Places \ N>ew Faces \\ facing Bach: 23.10., 20 Uhr, naTo ▶ www.forma-leipzig.de Macht hoch die Tür, die Tor macht weit« ist bekanntlich ein jahrhundertealtes ostpreußisches Kirchenlied. Seine Besonderheit liegt darin, dass es alle christlichen Glaubens- richtungen ihr Eigen nennen können. Der Liedtitel suggeriert vor allem einen Aufruf zum begeisterten Teilen der Botschaft Christi, und so hat der Gospelchor der Leipziger Thomaskirche ihn für seinen Namen in Gospelmanier übernommen: »open up wide«. Der Chor feiert schon das ganze Jahr seinen 10. Geburtstag und beschenkt sich im Oktober mit einer Beson- derheit selbst: der Uraufführung der Gospelmesse »From the old World« des Jenaer Komponisten Carsten Morgenroth. Zu Hilfe kommen dem 50 Mitglieder starken Chor eine Rockband sowie vier Gesangssolisten. Praise the Lord! Offenheit ist eine der Grundeigenschaften des kreativen Musikers, neue Horizonte ergeben sich nicht von allein. So lernte Gitarrist Werner Neumann auf einer Konzertreise den in Äthiopien lebenden deutschen Gitarristen Jörg Pfeil kennen, der nun mit der Sängerin Munit Mesfi Musik aus Nordost- afrika in den Telegraph bringt. Zuvor steht Werner Neumann selbst mit seinem Quartettprojekt »Baby Boomer« (Robert Lucaciu, b / Philipp Scholz, dr / Hinrich Franck, p und voc) auf der Bühne. Die klassische Konzertgitarre steht am Monatsende im Mit- telpunkt. Sef Albertz und Anna-Maria Maak erweisen auf ebendiesem Instrument den musikalischen Söhnen der Stadt ihre Reverenz. Hübsch umrahmt wird das Ganze von Licht- und Videochoreografien. MARTIN WOHLGETAN ▶ Gospelmesse »From the old World«: 13.10., 18 Uhr, Thomaskirche ▶ Baby Boomer feat. Hinrich Franck & Munit und Jörg: 20.10., 20.30 Uhr, Telegraph ▶ »Con Guitarra! 2013 – Hommage an Leipzig«: 25.10., 19.30 Uhr, Alte Handelsbörse Komponiert auf der Achse München-Leipzig-Harvard: Kai Johannes Polzhofer ist einer der vier Bachdeuter Junge Leipziger Komponisten mit einer Neudeutung von Bachs »Musikalischem Opfer« Die Neuschreibung des Alten Testaments Gott und die Welt Konzerte des Monats Oktober ALEXANDERWÄTZEL ANZEIGE

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