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kreuzer_10_2013

Earl Sweatshirt, Erdmöbel, John Legend, Aloa Input, Nightmares On Wax, Nine Inch Nails

054 1013Musik Film 038 Spiel 044 Musik 046 Theater 058 Literatur 068 Kunst 072 Termine 084 02 ERDMÖBEL KUNG FU FIGHTING JIPPIE! KKKKKLyrikpop Claus Kleber hat mal vor einem Heute-Journal-Beitrag über Erdmöbel gesagt: »Sie werden das, was jetzt kommt, möglicherweise nicht verstehen. Ich zumindest habe es nicht verstanden.« Dabei erklärt sich bei Erdmöbel vieles von selbst: Worte wie Heimwehheim oder der Club der Senkrecht Begra- benen. Im Stile einer Assoziations- kette singt Markus Berges auf dem inzwischen zehnten Album der Westfäler Band von irgendwas, was einem bekannt vorkommt, wovon man aber nicht sagen kann, was es genau ist. Ein Halbsatz, kurze Sze- narien oder Erinnerungsfetzen wie im titelgebenden Stück »Kung Fu Fighting«: Kaffeesatzversicherung, der VorHair-NachHair-Frisursalon und der Parkplatz in der Dämme- rung. Im Video knutscht dazu ein Pärchen zweieinhalb Minuten ver- liebt mit Zunge. Rosa dominiert – ob nun Blümchencover, Video oder Hemden und Hosen der Musiker. Leicht und rosapoppig ist auch die Stimmung, Melancholie mit guter Laune. Man erwischt sich dabei, wie man »Atomangriff« mitträllert. Ein Album, das man nicht verstehen muss, aber lieben. JULIANE STREICH ▶ 22.10., Täubchenthal 03 JOHN LEGEND LOVE IN THE FUTURE G.O.O.D. MUSIC/COLUMBIA/SONY MUSIC KKKKKSinger/Soulwriter Er sei jeden Tag mit dem Ziel ins Studio gegangen, etwas Schönes zu erschaffen und das beste Album seiner Karriere aufzunehmen, sagt Legend, der im Sommer einen bejubelten Auftritt auf dem Splash! hatte (wir berich- teten darüber online). Den Schaf- fenshöhepunkt markiert die LP nicht. Sie ist besser als »Evolver« (2008), aber kommt nicht an »Get lifted« heran; vor dem Hintergrund der hoch gelegten Messlatte wohl- gemerkt! »Der Mann schreibt zwar immer noch gute Songs, aber sie verzaubern nicht mehr wie die vom ersten Album«, urteilte der kreuzer vor fünf Jahren und diese Einschät- zung lässt sich wortgleich übertra- gen. Das Intro, das an Oasis'schen Brit-Pop erinnert, führt zunächst aufs falsche Gleis: Legend ist immer noch ein extraordinärer Singer/ SOULwriter, der Songkleinode wie »The beginning« zur Hymne befeu- ern kann. Er überrascht auch mit einer Interpretation von »Open your eyes«, die fast kongruent zum Original des (weißen) Soulsängers Bobby Caldwell ist. »Made to love« bestätigt Legends Konsequenz, bei ihm müsse man immer auf Expe- rimente gefasst sein: diese sphäri- sche Nummer auszusingeln, nötigt Respekt ab. »Who do you think we are (feat. Rick Ross)« ist feinstes Souldestillat und zugleich feuer- zeug- bzw. telefontaugliche Arm- schwenkgymnastik für die große Arena. Das bekommen nur wenige hin, ohne peinlich wie James Blunt zu sein. Und so ist »Love in the future« zwar nicht das beste Album in John Legends Karriere, aber etwas Schönes hat er damit einmal mehr geschaffen – das blumige Coverbild außer Acht gelassen.TORSTEN FUCHS 04 ALOA INPUT ANYSOME MORR MUSIC KKKKKExperimentalpop Gerade erst wurde in Bayern gewählt und man wunderte sich: Was ist da los? Ist schon wieder Oktoberfest? Und dann kommen die drei Jungs von Aloa Input um die Ecke und nen- nen ihre Musik »New Weird Bava- ria«. Und man schöpft wieder Hoff- nung, dass da im Süden noch nicht alles verloren ist. Ein ganz wunder- bares Debüt ist »Anysome« näm- lich geworden. Und ja, es wurde Hallo zu allen möglichen Inputs gesagt. Beats aus Chicago, Gitarren aus Portland, Weltmusik, Hiphop, Krautrock. Ganz viel experimentel- ler Pop von Animal Collective bis zu den Flaming Lips. Lieder, die jedes Mal anders klingen, die Ruhe brin- gen und ein bisschen Verwirrung. Die vom Älterwerden erzählen, von den Problemen dieser Welt, vom Nachhausekommen. Das klingt dann sehr oft wie The Notwist, aber die sind im Neuen Seltsamen Bay- ern ja schon immer beheimatet. JULIANE STREICH ▶ 18.10., Raum der Kulturen 05 NIGHTMARES ON WAX FEELIN’ GOOD WARP RECORDS/RTD KKKKKDownbeat/Lounge Siebtes Studio- album von George Evelyn, dem Kopf hinter NoW, der seit ebenso vielen Jahren eine Bauernkate auf Ibiza bewohnt. Diese Komponierbe- hausung begründet bereits hinrei- chend, wieso sich beim Hören von Tracks wie dem hypnotischen »Be, I do« sofort Bilder von Sonnenunter- gängen und Syltschickeria-befrei- ten Strandzonen einstellen. Trip Hop (»Masterplan«), Latin Funk (»Tapestry«), Gospel im Prediger- stil eines Al Green (»Give thx«) und tibetische Mönchsgesänge (»Om sweet H(om)e«) verbinden sich bei aller Verschiedenartigkeit zu einem organischen Ganzen. Wie ein endlo- ser Trommeltanz dreht sich »Luna 2« immer weiter, der Track featured den deutschen Jazz-Drummer Wolf- gang Haffner. »Now is the time« ist der mutmaßliche Hit dieser Platte, der unweigerlich Erinnerungen an Fatboy Slims »The Rockafeller Skank« aus dem Jahr 1998 wachruft. Ähnlich widerhakig verhält es sich mit »Eye (can't see)«, wahrschein- lich würde »On broadway« so klin- gen, wenn George Benson seinen Klassiker erst in diesem Jahr kom- poniert hätte (und nicht 1978). Der LP-Titel »Feelin' good« wird zum Wohlfühlprogramm, bietet doch der Inhalt ein gediegenes Sound- gemisch für die After Hour jeder Beachparty, für den Sundowner am Cossi oder zum Träumen an Okto- bertagen, sofern diese golden sind. TORSTEN FUCHS 06 NINE INCH NAILS HESITATION MARKS UNIVERSAL KKKKKAltherren-Industrial Eigentlich hätte man denken können, Nine Inch Nails alias Trent Reznor hätte sich endgültig in den Bereich Film- musik verabschiedet. Das klappte im Fall von »The Girl with the Dra- gon Tattoo« oder »The Social Net- work« schließlich ganz gut. Zusam- men mit Atticus Ross heimste Reznor 2011 sogar einen Oscar für den Score des Facebook-Films 01 EARL SWEATSHIRT DORIS TAN CRESSIDA/COLUMBIA RECORDS KKKKKNext Generation-Rap Werft eure Hände in die Luft und fangt sie wieder auf! Längst war es an der Zeit, dass im Hiphop mal wie- der etwas passiert. Lange siechte die Musik im Untergrund vor sich hin. Lange genug, damit Earl Sweatshirt auf seinem zweiten Album »Doris« Qualitäts-Hip- hop abliefern kann. Als talentier- testes Mitglied der »Odd Future Wolf Gang Kill Them All«-Posse entwirft der 19-Jährige eine Welt, die zappenduster ist. Im Erzie- hungsurlaub auf Samoa – seine Mutter hatte den Aufenthalt ver- anlasst – scheint sich bei Thebe Neruda Kgositsile alias Earl Sweat- shirt einiges angestaut zu haben. Reimschemata, Texte und Under- groundbeats sowie starke Fea- tures (RZA vom Wu-Tang Clan, Casey Veggies, Vince Staples) münden in einen scheinbar nie- mals endenden Trip. »Ich will nur schöne Musik machen«, sagt Earl Sweatshirt. Dafür nehme er auch in Kauf, Fans zu verlieren. Flegelhaft und unreif war ges- tern. »Doris« strotzt vor Intro- spektive und den Bekenntnissen eines juvenilen Sünders: the mis- adventures of a shit-talker. Inmit- ten der Reise durch eine fremde, konstruierte Seele begeistert kon- stante Katharsis. Earl Sweatshirt ist die Zukunft des Genres abseits der großen Namen. Geht das Ding wider Erwarten komplett durch die Decke, bin ich der Letzte, der sich beschwert. MARC BOHLÄNDER Platte des Monats 01 02 03 04 05 06

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